Neue Zugänge zu Speis und Trank

Im Lehrgang Food Design wird die Ästhetik des Supermarkts aus Sicht der Nachhaltigkeit betrachtet.
Im Lehrgang Food Design wird die Ästhetik des Supermarkts aus Sicht der Nachhaltigkeit betrachtet.(c) NDU
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Lehrgänge rund um Nahrungsmittel beschäftigen sich heute mit Nachhaltigkeit und Genuss, entwickeln neue Betriebskonzepte oder bilden Experten für spezielle Produkte aus.

Der Gedanke, dass gute Ernährung die Basis eines guten – im Sinne eines gesunden und harmonischen – Lebens ist, begleitete bereits antike Philosophen. In unserer Zeit mit ihrem Nebeneinander von hungernden und übersatten Gesellschaften, von Esskulturen und -unkulturen bestätigt sich die These, dass Nahrung mit dem Glück und Unglück eines Individuums wie einer ganzen Kultur zu tun haben kann.

Nachhaltigkeit scheint auch in Bezug auf Essen und Trinken zum Schlüssel für die Zukunft zu werden. Der neue und im deutschsprachigen Raum einzigartige Lehrgang Food Design der St. Pöltener New Design University (NDU) stellt dieses Prinzip in den Mittelpunkt. Der berufsbegleitende dreisemestrige Universitätslehrgang wurde in Kooperation mit der Tourismusschule St. Pölten und dem Wifi Niederösterreich konzipiert und soll frischen Wind in die regionale Design- und Gastronomieszene bringen.

Für den Lehrgang habe es kein Vorbild gegeben, sagt Leiter Martin Hablesreiter. Jedoch hätten zu Beginn dieses Jahrtausends, als er mit Kollegin Sonja Stummerer das weltweit erste Buch zu Food Design publizierte, auch in Städten wie Amsterdam, Barcelona und Paris die ersten Designer begonnen, sich mit Food Design auseinanderzusetzen. Mittlerweile sei diese Szene deutlich gewachsen. Man fühle sich daher mit dieser Disziplin an der NDU am Puls der Zeit. „Das Ganze ist keine Spielerei, sondern eine Auseinandersetzung mit dem wichtigsten Alltagsprodukt dieses Planeten. Denn wenn wir über Klimawandel, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit nachdenken wollen, und das müssen wir, dann steht das Essen an allererster Stelle.“ Man wolle etwa Themen wie Hygiene, Gesundheit, Ekel, Wirtschaftswachstum oder das „ästhetische Prinzip Supermarkt“ aus Sicht der Nachhaltigkeit betrachten.

Nicht erwarten dürfe man sich vom Studiengang Food Design hingegen die Beschäftigung mit Food Styling, Spaßcatering oder Tellermalerei. „Wir widmen uns der Gestaltung von Nahrung, nicht ihrer Behübschung“, sagt Hablesreiter. „Wir wollen gemeinsam mit unseren Studierenden herausfinden, wie man nachhaltig und gerecht die Lebensmittelversorgung in allen Bereichen gestalten kann. Dazu gehören Vertriebsideen genauso wie Ideen zur lokalen und saisonalen Versorgung und zur Gastronomie.“

Nachdenken über Ernährung

Schon länger besteht der Universitätslehrgang Gastrosophische Wissenschaften der Universität Salzburg. Unter Gastrosophie ist, kurz gesagt, das Nachdenken über Ernährung sowohl aus natur- wie aus geisteswissenschaftlicher Sicht zu verstehen. Der fünfsemestrige Lehrgang ist berufsbegleitend angelegt. Die Mischung der Teilnehmenden – derzeit etwa Lebensmittelinspektoren, Journalisten, Diätologen, Lehrer an Tourismusschulen, Verwaltungsbeamte – ist laut Lehrgangsleiter Gerhard Ammerer genauso vielfältig wie deren Ziele. Manche hätten sich im Kurs Anregungen für die Konzeption und Ausgestaltung einer beruflichen Idee geholt, zum Beispiel einer Versuchsküche mit Kochkursen oder einer alternativen Skihütte. „Einige dieser Projekte werden mitunter genau ausgearbeitet und als Master Thesis eingereicht“, sagt Ammerer. Seit dem vorhergegangenen Lehrgang habe man das Programm etwas umgestellt und erweitert, sodass man nun alle wichtigen Aspekte rund um die Ernährung anbieten könne – historische, ethische, juristische, medizinische, künstlerische, produktions- und werbetechnische. Ammerer selbst wurde als gelernter Historiker nicht nur durch die Liebe zum Kochen und zu seinem Gemüsegarten zum Gastrosophen, sondern auch durch das wissenschaftliche Interesse an regionalen Gastronomiethemen. Von ihm stammen Veröffentlichungen etwa zur Salzburger Kaffeehaus-, Bierbrau- und Wirtshauskultur. Das Zentrum für Gastrosophie bietet neben dem Universitätslehrgang laufend Seminare und Vorlesungen (auch für 55-plus-Studierende) an. Ab Herbst sollen für ein Citizen-Science-Projekt auch Bürgerinnen und Bürger in die Forschungen einbezogen werden.

Hohe Schule des guten Geschmacks

Nicht um das Erforschen oder Entwickeln, sondern um das Erschmecken von Produkten geht es in Sommelier-Ausbildungen. Über einen besonders vielseitigen Experten verfügt das Wifi Wien. Lehrgangsleiter Walter Kutscher promovierte nach einem Germanistik- und Geschichtestudium in Wirtschaftsgeschichte mit einer Dissertation über „Vermarktungswege im Weinbau“. Heute lehrt er Weinsensorik und -marketing an Hochschulen, ist Verantwortlicher für Jungsommelier-Ausbildungen, Autor und Mitarbeiter bei wissenschaftlichen Studien, Betreuer vinophiler Projekte und professioneller Weinkritiker. Am Wifi Wien verantwortet er die dreistufige Ausbildung zum Wein-Sommelier (Weinexperte, Sommelier Österreich, Diplom-Sommelier) sowie auch zum „Sparkling Wein Connaisseur“ (Experten für Sekte und Schaumweine).

Zwar seien die Kurse primär für Personen aus der Gastronomie und der Weinwirtschaft konzipiert, sagt Kutscher. Jedoch habe sich die Zielgruppe inzwischen auf Personal von Wiederverkäufern, Vinotheken und Großhandel sowie Supermarktketten ausgeweitet. Sogar Quereinsteiger, die ihr Hobby Wein zum Beruf werden ließen, gehören inzwischen zu den Absolventen der Sommelier-Ausbildung. Als Hauptvoraussetzung bezeichnet der Önologe die Liebe zum Metier und zum Produkt. „Sensorische Grundvoraussetzungen lassen sich im Verlauf der Kurse perfektionieren, und Kommunikation darf als nicht unwesentlicher Faktor hinzugefügt werden, gilt es doch die Vorlieben der Gäste zu erkunden und zu erfüllen.“

Sommelier-Ausbildungen werden am Wifi auch für die Bereiche Käse (Diplom-Käsesommelier), Fleisch (Fleischsommelier in Kooperation mit der AMA) und Kaffee (Kaffee-Experte) angeboten.

Web:www.ndu.ac.at, www.gastrosophie.at, www.wifi.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2017)

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