Lernen genau nach Bedarf

Beim Microlearning wird der Lernstoff in kleine Häppchen aufgeteilt, die überall aufgenommen werden können.
Beim Microlearning wird der Lernstoff in kleine Häppchen aufgeteilt, die überall aufgenommen werden können. (c) contrastwerkstatt - Fotolia
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Berufliche Weiterbildung. Digitalisierung, Automatisierung oder Agilität, das sind einige der Schlagwörter, die die Arbeitswelt von heute prägen – und die aktuellen Weiterbildungsangebote.

Immer mehr Erwachsene bilden sich weiter. Zu diesem Ergebnis kommt Eurostat in dem aktuellen Adult Education Survey (AES), in dem das Aus- und Weiterbildungsverhalten in den EU-Mitgliedstaaten sowie in einigen weiteren ausgewählten Ländern wie Norwegen, der Schweiz und der Türkei im Jahr 2016/17 erhoben wurde. Aus den vorläufig publizierten Daten für Österreich lässt sich erkennen, dass der Anteil der 25- bis 64-Jährigen, die an einer beruflichen Weiterbildung teilgenommen haben, im Vergleich zum Jahr 2011/12 um 13,4 Prozentpunkte gestiegen ist.

„Wenn eines in der heutigen Arbeitswelt konstant ist, dann ist es der Wandel“, sagt Christian Faymann, Leiter Wifi Österreich Bildungsmanagement. Es sei vor allem im Weiterbildungsverhalten der Trend zu projektspezifischem Lernen auszumachen. Teilnehmer nutzen laut Faymann Weiterbildungskurse, um sich für berufliche Herausforderungen und neue Projekte zu rüsten. „Es gibt kein Lernen mehr auf Vorrat. Lernende wollen Antworten auf aktuelle Fragen und Problemlösungen, die sie dann gleich im Job umsetzen können.“ Während klassische Kurse wie Buchhaltung oder Controlling nach wie vor gebucht werden, steige das Interesse an IT-Themen wie Netzwerkadministration und Suchmaschinenoptimierung, Warenkorbgestaltung, Onlinemarketing oder Social Media.

Zukunft heißt Microlearning

Auch das Lernen selbst wird zunehmend digital. Noch vor wenigen Jahren dominierte auch in der Weiterbildung der klassische Frontalunterricht mit einem Lehrenden und zahlreichen Lernenden. Weiterbildung passiert heute jedoch über E-Learning, Microlearning und Lern-Apps, wie Faymann beschreibt: „Digitales Lernen wird immer beliebter, weil es sehr flexibel ist und sich jeder das Lernen so einteilen kann, wie es am besten in den Tagesablauf passt.“ Am Wifi setzt man vor allem auf Microlearning. Dabei werden Inhalte von einem Lerncoach oder -begleiter in kurzen Einheiten präsentiert – unter Einsatz digitaler Medien und in Kombination von Video und systemgesteuerten Erfolgskontrollen. „Die Microlearning-Software beobachtet den individuellen Lernfortschritt und passt die Fragestellungen und Fragewiederholungen an die bisher richtig oder falsch beantworteten Fragen an.“

„Der Trend geht sowohl in Richtung längerfristiger Weiterbildungen als auch bedarfsorientierte kurzfristige Schulungen direkt am Arbeitsplatz. Im Berufsalltag werden Arbeitende immer häufiger mit immer mehr Information in immer kürzerer Zeit konfrontiert – das erfordert Skills, die den Umgang mit Stress betreffen“, weiß auch Rene Sturm, Abteilung Arbeitsmarktforschung und Berufsinformation des AMS. Auf dem Arbeitsmarkt sind deshalb jene Skills besonders gefragt, die der Informationsbewältigung dienen und in Team- bzw. Projektarbeiten eingebracht werden können.

Theorie und Praxis liegen jedoch auseinander – das Phänomen Digitalisierung ist jung, nicht alle können die erforderlichen Skills mitbringen. „Bei älteren, arbeitslosen Akademikern beobachten wir besonders folgendes Diskriminierungsmerkmal: Das Klischee einer unzulänglichen sozialen Anpassungsfähigkeit an bestehende, betriebliche Teamstrukturen“, sagt Sturm.

Das Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (Bifeb) bietet im Juni einen Kurzlehrgang zum Thema Intergenerative Kompetenz an. In Praxis und Theorie wird unter anderem die Fähigkeit, mit Menschen unterschiedlichen Alters umzugehen und Beziehungen zu gestalten, vermittelt. Weitere Seminare am Bifeb sind etwa das Grundlagenseminar „Kommunikation und Interaktion“ oder „Besucherkontakt souverän meistern“.

Wolfgang Bliem, Projektleiter im Bereich Berufsinformation und Qualifikationsforschung bei IBW, bestätigt, dass Soft Skills ein immer wichtigeres Thema der Weiterbildung werden: „Von den Betrieben werden zunehmend Kommunikations- und Teamfähigkeit sowie Fähigkeiten zu bereichsübergreifendem Denken gefordert. Zudem wird von den Arbeitskräften verlangt, flexibler und in größeren Zusammenhängen zu denken.“

Weiterbildung am Arbeitsplatz

Die Verantwortung liegt dabei längst nicht mehr ausschließlich bei den Mitarbeitern. Immer häufiger bieten Unternehmen Weiterbildungsangebote am Arbeitsplatz an und versuchen so, Bildung in den Berufsalltag zu integrieren. Bei Ausnahmen soll es jedoch nicht bleiben, geht es nach Bliem: „Zukunftsthema wird sein, dass man zu Spezialthemen Kompetenzzentren in Unternehmen hat, die dann bedarfsorientiert ihr Know-how weitergeben und teilen.“

Eine weitere Entwicklung, die sich abzeichnet, ist der Einfluss der zunehmenden Automatisierung. Für Bliem gibt es einen Weg, um sich von Robotern und Computern abzuheben: „Tätigkeiten wie betreuen, beraten, kommunizieren, verhandeln, lehren oder pflegen, aber auch handwerkliche Dinge und alles, was mit Kreativität zu tun hat, werden wichtiger werden.“ Denn: „Alles, was typisch menschlich ist, werden Maschinen noch länger nicht beherrschen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2018)

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