Sprachwissenschaften: „Zweigleisig zu fahren, war immer schon gut“

Mit wirtschaftlichen Zusatzkenntnissen können Sprachwissenschaftler ihre interkulturellen Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt ausspielen.
Mit wirtschaftlichen Zusatzkenntnissen können Sprachwissenschaftler ihre interkulturellen Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt ausspielen. (c) BilderBox
  • Drucken

Neue Studienmodelle, die auch wirtschaftliche Kenntnisse beinhalten, sollen Absolventen philologischer Studienfächer mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt bringen.

Lange Zeit galt es in der Philologenwelt als gute Tradition, mit Wirtschaft nichts zu tun zu haben. Die Lehrpläne von Anglistik, Romanistik oder Slawistik zielten primär auf die wissenschaftliche Qualifikation der Studierenden ab. Dass ihnen kaum Arbeitsplätze außerhalb der Universitäten zur Verfügung stehen, wurde weitgehend verdrängt. Erst in den vergangenen Jahren rückte – auch aufgrund inneruniversitärer Verteilungskämpfe – die Beschäftigungsfähigkeit der Absolventen in den Blickpunkt. Aus dem Gedanken, dass Philologie-Absolventen in der Regel mehr praktisch nutzbares Wissen brauchen als profunde Sprachkenntnisse, entwickelte sich die Idee, sprachliche und kulturelle Kompetenzen um Wirtschaftswissen zu ergänzen.

An der Universität Salzburg wurde aus einer solchen Strategie heraus das in Österreich einzigartige Bachelorstudium Sprache – Wirtschaft – Kultur (SWK) geboren. Das Programm soll fundierte Kenntnisse in einer Fremdsprache, zu deren Kulturraum sowie in der Betriebswirtschaftslehre vermitteln. Es wurde vor einem Jahr am Fachbereich Romanistik gestartet und soll ab dem kommenden Semester auch an der Slawistik angeboten werden. Ab Herbst werden neben Französisch, Italienisch, Portugiesisch und Spanisch auch Polnisch, Russisch und Tschechisch zur Wahl stehen.

Ein Naserümpfen der Philologen-Community über die Hinwendung zur Wirtschaft nehme sie keineswegs wahr, sagt Slawistik-Fachbereichsleiterin Eva Hausbacher, zumal SWK das Bachelorstudium Slawistik nicht ablöse, sondern parallel angeboten werde.

Hoffnung auf mehr Studenten

Im Gegenteil gebe es von den derzeitigen Slawistikstudierenden Interesse, entweder in das neue Curriculum umzusteigen oder ein Doppelstudium zu absolvieren. Nicht zuletzt hätten auch die Universitätsleitung und der Fachbereich positive Erwartungen an den neuen Studiengang. Die Studierendenzahlen sind laut Hausbacher an den Slawistikinstituten im gesamten deutschsprachigen Raum rückläufig. „Hier sind die Erwartungen, dass mit dem neuen Curriculum eine Trendwende einsetzt, hoch und mit Blick auf die Erfahrungen an der Romanistik durchaus berechtigt.“

Das neue Bachelorstudium, das ein Pflichtpraktikum und die Möglichkeit von Auslandsaufenthalten vorsieht, soll die Studierenden sowohl für den Einstieg ins Berufsleben als auch für eine weiterführende wissenschaftliche Ausbildung (ein philologisches oder wirtschaftsbezogenes Masterstudium) qualifizieren. Um dies seriös zu gewährleisten, beschränke man sich auf nur eine Fremdsprache, sagt der stellvertretende Fachbereichsleiter, Peter Deutschmann, der in der neuen Regelung keinen Paradigmenwechsel sieht. „Junge Leute, die vor der Entscheidung stehen, welche Ausbildung sie wählen werden, überlegen, welche Möglichkeiten sich ergeben. Hier zweigleisig zu fahren, war eigentlich immer schon gut.“

Eine im Vergleich zu dem jungen Salzburger Programm sehr lange Tradition hat ein Studiengang der Universität Passau: Der Bachelor Kulturwirtschaft/International Cultural and Business Studies (mit zugehörigem Masterstudium) entwickelte sich aus einem Diplomstudium, das bereits 1989 gestartet wurde. Es verbindet Wirtschaftswissenschaft mit zwei Fremdsprachen und einem kulturwissenschaftlichen Schwerpunkt. An Sprachen stehen Chinesisch, Deutsch als Fremdsprache, Englisch, Französisch, Indonesisch, Italienisch, Polnisch, Portugiesisch, Russisch, Spanisch, Thai, Tschechisch und Vietnamesisch zur Wahl.

Das Studium sei sehr international ausgelegt, sagt Studiengangsleiter Jürgen Kamm. „Neben der theoretischen Vermittlung kulturraumspezifischer Kompetenzen verbringen alle Bachelorstudierenden einen mindestens dreimonatigen Studien- oder Praktikumsaufenthalt im Ausland, wobei die Mehrheit der Studierenden diesen freiwillig verlängert.“

Vorteil gegenüber reiner BWL

Ähnlich wurde auch das Bachelorstudium Kultur und Wirtschaft der Universität Mannheim organisiert. Es bietet die Möglichkeit, eines von acht geisteswissenschaftlichen Kernfächern (Anglistik/Amerikanistik, Germanistik, Geschichte, Medien- und Kommunikationswissenschaft, Philosophie, Französisch, Italienisch und Spanisch) mit einem wirtschaftswissenschaftlichen Fach zu kombinieren. Der Studiengang sei seit seinem Start im Jahr 2006 sehr stark nachgefragt, sagt Studiengangskoordinatorin Marilene Burkard, die den Absolventen gute Chancen bescheinigt. „Sie haben auch aufgrund der zusätzlichen Beherrschung der im Kernfach erlernten hermeneutischen Methoden auf dem Arbeitsmarkt einen Vorteil gegenüber Bewerbern, die lediglich eine BWL- oder VWL-Qualifikation vorweisen können.“

Web: www.skw-uni-salzburg.net, www.skw-uni-salzburg.net
http://www.uni-passau.de,
http://bakuwi.phil.uni-mannheim.de

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.