Vom Studenten-Pitch zur Firma

Gründung. Wie wird man vom Jungakademiker zum Firmeninhaber, auch wenn man aus dem Studium kein Gründerwissen mitbringt?

In Zeiten, in denen ein Studienabschluss in vielen Branchen keine Anstellung mehr garantiert, hat die Idee der Selbstständigkeit Konjunktur. Eine Firma zu gründen erscheint immer öfter als reizvolle Perspektive, auch wenn man nicht den Hintergrund eines Wirtschaftsstudiums mitbringt. Sogenannte Start-up-Playgrounds oder Business Festivals wie Fifteen Seconds oder Pioneers laden Gründungswillige ein, visionäre Ideen mit einer Community Gleichgesinnter zu teilen. Doch wie sieht der Weg zum eigenen Unternehmen konkret aus?

„Das Bewusstsein für unternehmerische Selbstständigkeit als möglichen beruflichen Karriereweg hat sich unter den Studierenden erhöht“, sagt Martin Reiss, Projektleiter des Gründerprogramms U:Start des Alumniverbands der Universität Wien. „Als der Alumniverband vor fast 20 Jahren mit seinem ersten Gründungsprogramm begann, war das Thema für viele noch sehr exotisch. Mittlerweile hat da ein Bewusstseinswandel eingesetzt. Unsere Teilnehmer sind experimentierfreudiger geworden.“ Aus dem Programm der Universität Wien sind inzwischen unter anderem Unternehmen für Stadtklimatologie und Windforschung sowie für biologische Schädlingsbekämpfung hervorgegangen, aber auch eine Psychotherapiepraxis oder ein inzwischen preisgekrönter Betrieb, der technischen Support für zu Hause anbietet.

Das Programm von U:Start (Info-Abend am 26. September) besteht aus einem kostenlosen eineinhalbtägigen Gründerworkshop zur Entwicklung des persönlichen Geschäftsmodells und einem Ausbildungsteil. Im Ausbildungsteil werden Fachseminare zu gründungsrelevanten Skills wie Marketing, Steuern oder Geschäftsideenschärfung angeboten, weiters Einzelberatungen durch zertifizierte Unternehmensberater sowie Mentoring durch erfahrene Gründer.

BWL-Vorkenntnisse nicht entscheidend

Die meisten Teilnehmer haben laut Reiss wenige bis keine BWL-Vorkenntnisse. Selbst Absolventen eines Wirtschaftsstudiums seien zudem oft nicht ausreichend für den Schritt in die Selbstständigkeit gerüstet. „Theoretisches Wissen ist die eine Seite, praktische Umsetzung die andere.“ Fragen wie: „Ab wann muss ich Sozialversicherungsbeiträge leisten?“ oder „Wie erreiche ich meine Zielgruppe mit keinem oder sehr geringem Werbebudget?“ würden im BWL-Studium nur am Rand thematisiert.

Reiss' Haupttipp für potenzielle Gründer ist die Vernetzung mit anderen Gründern. „Neben dem Informationsaustausch hilft es auch psychologisch. Man motiviert sich gegenseitig und hilft einander über schwierige Phasen hinweg. Die eigene Geschäftsidee erstmals vor Menschen zu präsentieren, die aus ganz anderen Fachrichtungen kommen, ist für viele ein Aha-Erlebnis und kann helfen, die Verständlichkeit zu verbessern.“

Noch mehr Fachrichtungen, aber auch ein deutliches Mehr an Dauer, Intensität und Kosten beinhaltet der Besuch eines auf Gründer ausgerichteten MBA-Programms. Nikolaus Franke, akademischer Leiter des von der WU gemeinsam mit der TU Wien betriebenen Professional MBA Entrepreneurship & Innovation, beschreibt die Klientel des eineinhalb Jahre dauernden Programms. „Wir haben vom Ausbildungshintergrund her neben Wirtschaftlern auch Techniker, Naturwissenschaftler, Juristen, Industriedesigner und Kreative. Pro Jahrgang sind etwa zehn verschiedene Nationalitäten mit Schwerpunkt Europa, aber auch Chinesen, Mexikaner, Araber, US-Amerikaner, Thailänder vertreten. Wir haben Mitarbeiter von Multinationals, KMU, Start-ups und Non-Profit-Organisationen wie der UNO.“ Diese Vielfalt sei extrem hilfreich, die unterschiedlichen Erfahrungen und Ideen schafften eine Lernatmosphäre und ein Netzwerk, wie man es sonst nie aufbauen könnte, sagt Franke. Auch der WU-Professor rät dazu, mit vielen Leuten über die Gründungsidee zu reden. Zudem sei es produktiv, im Team zu gründen, dessen Mitglieder komplementäre Fähigkeiten haben.

Gründen schon im Curriculum

Relativ einfach zu Gründungswissen kommen oft Studierende an FH, wo in vielen Studiengängen Lehrveranstaltungen zum Thema Unternehmensgründung Teil des Curriculums sind. An der FH Oberösterreich etwa wird in wirtschaftlichen und auch in technischen Studienrichtungen verpflichtend Business Planning und Business Development gelehrt. Dafür ist das seit über einem Jahrzehnt bestehende Transferzentrum für Unternehmensgründung der FH zuständig. „Wir bieten auch außercurriculare Workshops und Seminare für Studierende und Mitarbeiter an allen vier Standorten an, die sehr gut angenommen werden“, sagt Zentrumsleiter Gerold Weiß. Man verzeichne bei diesem freiwilligen Angebot pro Standort und Semester 150 bis 200 Teilnehmer. Freilich werde nur ein Bruchteil davon wirklich zu Gründern. „Viele sind sehr interessiert, haben gute Ideen und gehen voll motiviert aus der Lehrveranstaltung. Letztendlich wagen sie dann aber doch nicht den Schritt zum Risiko“, berichtet Weiß. Die relativ hohen Einstiegsgehälter der Industrie, die in Oberösterreich händeringend nach Fachkräften suche, seien der Grund, warum die meisten Absolventen nur sekundär an Gründungen dächten. Laut einer Erhebung vor zwei Jahren gründen fünf bis sechs Prozent der FH-OÖ-Abgänger ein Unternehmen. Sie zu begleiten und zu unterstützen ist die zweite Aufgabe des Transferzentrums. Auch dadurch soll das Gründungspotenzial der Hochschule mittelfristig erhöht werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2018)

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