Zwei Städte, zwei Welten

Neu Delhi in Indien und Thimphu in Bhutan sind wenige Flugstunden voneinander entfernt, könnten aber unterschiedlicher nicht sein. Wir waren...

In der einen Stadt ist es heiß, laut, es stinkt, die Menschen drängeln und überall laufen räudige Straßenhunde herum.

In der anderen Stadt weht eine kühle Brise, am Weg dorthin fährt man durch verlassene Täler, die Menschen sind höflich und sogar die Straßenköter wirken irgendwie nur halb so schlimm.

Schon gut, wir wissen es, objektiv war das jetzt nicht. Aber wir sind trotz Skepsis bei unserer heutigen Ankunft von Bhutans Zauber überrascht worden und außerdem ist sowieso alles ganz anders. Aber mal von vorne.

Das bedeutet konkret, in Delhi, vor etwa 24 Stunden. Das erste Mal Indien ist ja sowieso ein Kulturschock. Das erste Mal dort sein, wenn Indien nach beinahe 30 Jahren wieder die Cricket-WM gewinnt, bedarf allerdings einer neuen Wortschöpfung. Denn die Worte wahnsinnig, unglaublich, irre und einmalig sind fast ein bisschen zu wenig kraftvoll, um zu beschreiben, was gestern Nacht auf Delhis Straßen los war.

Das ganztägige Cricket-Match läuft schon am Nachmittag in jedem Shop und Restaurant auf Flachbildschirmen, Menschentrauben drücken sich an die Scheiben, um zumindest von dort einen Blick auf den Spielstand zu erhaschen. Unser Rikschafahrer achtet weniger auf den Verkehr, als auf den Sportkommentator, der aus den Kopfhörern dröhnt. Und als Indien dann tatsächlich mit den entscheidenden Punkten Finalgegner Sri Lanka schlägt, dann ist das wie Diwali, Holi und Neujahr zusammen. Und das ganze dann mal 10. Der Verkehr in der Innenstadt liegt lahm, weil ganz Delhi gleichzeitig zum India Gate fahren will. Wer merkt, dass nichts weiter geht, dreht den Motor ab, die Lautstärke rauf und feiert weiter. Im Auto, auf dem Auto, neben dem Auto, auf einem Bus der Polizeischule, überall tanzende, brüllende Menschen: „In-di-aaaa, In-di-a! In-di-aaaa, In-di-a! In-di-aaaa, In-di-a!“.

Die Straßen vollkommen verstopft, wer auf seiner eigenen Fahrbahn nicht weiterkommt, wechselt auf die Gegenfahrbahn. Irgendwann steht ohnehin alles still. Sogar die Polizei klatscht feiernde Mopedfahrer ab, gegen den Stau können sie ohnehin nichts tun. India´s gone wild.

Szenenwechsel.

Nur wenige Stunden später setzt unser Flieger nach einem spannenden Landeanflug durch bhutanische Täler am Flughafen Paro auf. Das ist es also, das Glücksland. Scheinbar wirkt alleine die Ankunft in Bhutan wie ein Glücksplacebo, die Flugzeuggäste grinsen über beide Ohren und man senkt beim Reden automatisch die Stimme. Laut herumbrüllen? Völlig deplaziert.

Bei der knapp zweistündigen Fahrt von Paro in die Hauptstadt Thimphu offenbart Bhutan dann die Reize seiner Natur. Bewaldete Berghänge, blaue Flüsse, glitzernde Steine an den Straßenrändern. Irgendwo steht immer ein Kloster oder zumindest ein Haus, das für den ungeübten Betrachter wie ein Kloster aussieht. Buddhistische Gebetsfahnen flattern im Wind und hie und da sieht man Kühe auf den Hängen grasen.

Auch Thimphu ist ein bisschen wie ein buddhistisches Tirol im Himalaya. Robuste, wuchtige Häuser mit Holzelementen, im Gegensatz zu Tirol aber mit Drachen und Figuren aus der Mythologie Bhutans bemalt. In einem von diesen Häusern wohnen wir für die nächsten Tage, um in Thimphu Vertreter der Gross National Happiness Commission, der Austrian Development Agency und verschiedene andere Experten und Expertinnen zum Thema Bruttonationalglück zu treffen.

Auf einem kleinen Stadtspaziergang lernen wir auch gleich einmal die „andere“ Seite Thimphus kennen. In einem Drop-In-Center für ehemalige Drogenabhängige erzählen ein paar junge Bhutanesen von Depressionen, Alkoholismus und Gruppenzwang.

So etwas gibt es also auch im Land of Happiness.

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