Zwischen Facebook und Gho

Bhutans Jugend zwischen Tradition und Modernisierung: Eine
Tourismusschule soll die Jobchancen der
jungen Bhutanesen verbessern und so als...

Jedes Kind in Bhutan kennt den König. Kein Wunder also, dass Jigme Khesar Namgyel Wangchuck der Desktophintergrund ist, der vom Beamer auf die weiße Wand eines Klassenzimmers des Royal Institute of Tourism and Hospitality (RITH) projiziert wird. Würdevoll blickt er auf die Schüler und Schülerinnen herab, die gerade Referate auf Englisch halten. Ein paar Augenblicke später wird der König durch das Bild von Marc Zuckerberg ersetzt, der über beide Ohren grinst, aber das nützt ihm auch nichts. „Wer von euch kennt diesen Mann?“, fragt nämlich die referierende Schülerin und keiner außer ihr weiß, dass es sich beim lockigen Jüngling um den Gründer von Facebook handelt. Fast alle in dieser Klasse tummeln sich im sozialen Netzwerk, der König von Bhutan ist ihnen dennoch näher als der „König“ Facebook.

Schön ordentlich sitzen die Schülerinnen und Schüler da. Aufrecht, aufmerksam und immer zwei Mädchen und Burschen gemeinsam. Sie tragen die traditionelle bhutanesische Tracht, ein knöchellanger karierter Rock mit Seidenbluse für die Frauen, ein rockartiger Anzug für die Männer genannt Gho. Wäre da nicht die kunstvolle traditionelle Verzierung an den Fenstern und Türen, die Jugendlichen würden in ihrem Aufzug beinahe deplatziert wirken in der modernen Ausstattung des RITH.

Am RITH lernen seit etwa acht Monaten fünfzig junge Frauen und Männer Englisch, Buchhaltung und Kochen. Sie lernen Tourismusmanagement. Die neue Elite der Tourismusindustrie sollen sie werden. und nach den glänzenden Edelstahlherden der Trainingsküche sehnen sich wohl zwei Drittel der regulären Hotels in Thimphu sagt einer der Lehrer. Für manche ist die Ausbildung am RITH die Erfüllung eines langen Traums, für andere eine Chance, der steigenden Jugendarbeitslosigkeit zu entkommen.

Das RITH ist eines der Vorzeigeprojekte der österreichisch-bhutanischen Entwicklungszusammenarbeit. Mit Hilfe der Austrian Development Agency (ADA) hat Bhutan am Rande der Hauptstadt Thimphu die Ausbildungsstätte gebaut, es ist die erste dieser Art in Bhutan. Das offizielle Ziel der Schule ist es, Jobmöglichkeiten für die immer besser ausgebildete Jugend Bhutans zu schaffen und gleichzeitig nachhaltigen Qualitätstourismus zu fördern.

Tek Tshering Lepcha und Nima Wangchuck sind beide 22 Jahre alt und gehören zu den Auserwählten des ersten Jahrgangs am RITH. Nach ihrem Schulabschluss haben beide zwei Jahre lang vergeblich einen Job gesucht. Während Tek schon immer als Guide arbeiten wollte, war für Nima das Studium am RITH anfangs bloß eine Notlösung. Mittlerweile ist aber auch er begeistert von den Möglichkeiten der Tourismusindustrie: „Seit ich hier studiere sehe ich, was Tourismus alles sein kann und ich beginne es zu lieben.“

Das Schicksal von Tek und Nima ist kein Einzelfall. Viele junge Menschen aus Bhutan stehen nach ihrer Schulausbildung vor einer ungewissen Zukunft. Die Regierung ermöglicht ihnen allen eine kostenlose Schulbildung, doch der Arbeitsmarkt ist noch klein, limitiert auf wenige Bereiche wie Tourismus und den Bausektor. Wer ganz andere berufliche Träume hat, hat es schwer, diese in Bhutan zu verwirklichen. Die modernen Vorstellungen vieler Jugendlicher stehen im Widerspruch zu der Tatsache, dass Bhutan am Ende des Tages noch immer ein Entwicklungsland ist.

Trotz dieser Schwierigkeiten sind Tek und Nima aber keine Schwarzmaler. Statt über die Zeit zu jammern, in der er vergeblich auf Jobsuche war, sagt Tek: „Ich habe gelernt, nie aufzugeben. Schließlich bin ich letzten Endes hier gelandet und das ist gut so.“ Beide jungen Männer haben das Konzept von Gross National Happiness scheinbar verinnerlicht, es wirkt ehrlich, wenn sie sagen, sie seien zufrieden mit dem, was sie haben. Es wären wohl keine Jugendlichen, hätten sie nichts zu kritisieren, doch selbst in der Kritik von Nima gewinnt die Hoffnung überhand: „Bhutan hinkt anderen Ländern weit hinterher. Aber wenn es um Glück geht, glaube ich an Bhutan.“

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