Das seltsame Wesen des Turbo-Folk

Die Musikszene am Balkan wird von einer eigentümlichen Strömung namens Turbo-Folk regiert. Halbnackte Frauen und Männer in weißen Hosen singen über Herzschmerz, aufgemotzte Autos und große Brüste.

Die Musikszene auf dem Balkan wird von einer eigentümlichen Strömung namens Turbo-Folk regiert. Halbnackte Frauen und Männer in weißen Hosen singen über Herzschmerz, aufgemotzte Autos und große Brüste. Einerseits ist es ein ganz eigenes Musikgenre. Turbo-Folk-Songs sind eine bizarre Mischung aus alter Volksmusik, Techno und Pop. Andererseits hören sich diese Songs heute auch nicht mehr anders an als Trash-Pop auf der ganzen Welt.

Obwohl jedes Jahr irgendein Journalist den Turbofolk für tot erklärt, handelt es sich dabei um die meistgehörte Musikrichtung auf dem Balkan. Gepusht durch den Mediengiganten RTV Pink haben Turbo-Folk-Artists bei weitem die größte Anhängerschaft unter allen Musikern hier. „Viele Jugendliche träumen davon Turbo-Folk-Star zu werden", sagt Darko Juresa von RTV Pink in Belgrad. „Es bedeutet Geld zu haben, ein schönes Auto zu haben und populär zu sein." Betrachtet man die Jugendlichen auf den Straßen, so bestätigt sich Juresas Verdacht. Es ist die einzige Art von Subkultur, die für die Jugend hier existiert.

Turbofolk hat den schlechten Ruf, vor allem Nationalisten anzuziehen. Tatsächlich hat vor allem das Milošević-Regime in der Vergangenheit gewusst, diese Art von purer Unterhaltungsmusik für sich zu instrumentalisieren. Ein Beispiel für die Verbindung zwischen Turbofolk und zweifelhaften politischen Machenschaft ist Svetlana Ražnatović, die unter dem Namen Ceca als serbische Turbofolk-Sängerin Karriere gemacht hat. Sie ist eine der bekanntesten Künstlerinnen auf dem Balkan, aber auch die berüchtigtste. Nachdem ihr Mafia-Ehemann Arkan im Jahr 2000 unter mysteriösen Umständen in einem Belgrader Hotel erschossen wurde, geriet Ceca wiederholt mit dem Gesetz in Konflikt. Ihr Mann vererbte ihr seinen Fußballklub FK Obilić. Momentan steht sie unter Hausarrest, weil sie Gelder aus dem Transfer internationaler Spieler veruntreut haben soll.

Bei ihren Fans macht sie das skurrilerweise noch populärer. Tatsächlich gibt es eine Facebook-Seite, über die ihre Fans Nachbildungen der Fußfessel kaufen können, die Ceca für die Zeit des Hausarrests tragen muss. 

Cecas Fußfessel
Cecas Fußfessel

Etwa 10 Euro kostet das schmale Band mit Cecas Namen darauf. Ihre Anhängerschaft solidarisiert sich mit der Gefangenen. „Eines der Argumente dafür ist, dass die meisten Präsidenten serbischer Fußballclubs auf diese Weise Gelder veruntreut haben. Cecas Fans sind der Meinung, dass es ungerecht ist, Ceca dafür zu bestrafen", sagt die serbische Kulturwissenschaftlerin Milena Dragićević Šešić. Phänomene wie dieses sagen eine Menge über die Bedeutung von Künstlern wie Ceca aus. Die Turbo-Folk-Szene fördert zweifelhafte Ideale und Vorbilder für die Jugend. Nicht zuletzt deshalb ist sie auch heute noch mit einer gewissen Zwielichtigkeit behaftet.

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