„The Walking Dead“: Der süße Vogel Rache

Daryl in ''The Cell''
Daryl in ''The Cell''(c) AMC
  • Drucken

Die siebte Staffel weckt Rachegelüste. Leider überlagert die Gewalt in „The Walking Dead“ oft spannendere Fragen.

Achtung, SPOILER! Wenn Sie die dritte Folge von Staffel sieben „The Cell“ nicht gesehen haben, lesen Sie NICHT weiter

Ich bin erst spät wieder in „The Walking Dead“ eingestiegen. Nach der ersten Staffel, die ich zeitnah zur Ausstrahlung gesehen habe, habe ich pausiert und erst vor Kurzem wieder aufgeholt. Staffel sechs hatte einige Schwächen, finde ich. Im Vergleich dazu fängt die aktuelle siebte Staffel – trotz der extrem brutalen Auftaktfolge – vielversprechend an. Sofern man das nach den ersten drei Folgen schon sagen kann.

Denn derzeit baut „The Walking Dead“ vor allem die Bedrohung Negan auf. Folge eins zeigte schon den psychischen und physischen Terror, den der selbsternannte Herrscher der parasitären Gruppe, genannt "Saviors", ausübt. Folge drei, „The Cell“, verstärkt diesen Eindruck. Erstens gab sie einen Einblick in das „System Negan“, das funktioniert, indem die Untergebenen sich selbst und ihre Werte aufgeben. Zweitens wird Daryl, eine der beliebtesten Figuren der Serie, darin gedemütigt und gequält.

Kann sich nicht langsam aufbauen

Als Zuschauer hat man – nach nur wenigen Folgen mit den Saviors – schon wirklich genug und wünscht sich Rache an Negan. Dass diese kommen wird, damit rechne ich als gelernter Serienjunkie. Und bis dahin dauert es möglicherweise gar nicht mehr so lange. Denn vergleicht man „The Walking Dead“ mit „Game of Thrones“ (die beiden sind derzeit immerhin die wichtigsten US-Dramaserien), fällt auf: In „The Walking Dead“ passiert alles sehr viel schneller, hier denken alle viel kurzfristiger. Kein Wunder, die Welt der Figuren ist von Zombies bevölkert, sie sind permanent in Lebensgefahr.

So kann sich eine Bedrohung oder ein Handlungsstrang nicht über mehrere Staffeln aufbauen wie in „Game of Thrones“. Man erinnere sich daran, wie lange die Rache an Neds Tod in „Game of Thrones“ (ja, eh Spoiler, aber das ist Staffel eins, da darf man inzwischen spoilern) dauerte: Mehr als drei Staffeln!

Zwei Dinge stören an der Gewalt

Im Vergleich dazu wirkt „The Walking Dead“ zwar manchmal strukturlos, konfus und das Verhalten der Figuren unvernünftig, aber die Serie hat so eine fiebrige Stimmung. Sie ist wie ein Rausch – der gern in Gewaltorgien eruptiert. An der Gewalt stören mich zwei Dinge: erstens wird Mord – oder der Tod einer Figur – zu oft als probate Lösung präsentiert. Wer Gnade walten lässt und jemanden nicht umbringt, bereut es später. Das ist selbst in dieser brutalen post-apokalyptischen Welt nur zum Teil verständlich.

Zweitens finde ich die Gewalt zu exzessiv. Ja, es geht bei einer Serie wie „The Walking Dead“ darum, das schon Gesehene immer wieder zu übertreffen. Mit der ersten Folge von Staffel sieben wurde sicher ein weiterer blutiger Höhepunkt erreicht, aber auch der wird übertroffen werden. Nur wodurch?

Die großartigen Momente

Dwight
Dwight(c) AMC

Dabei könnte die Serie auch anders. Sie ist gerade in den Momenten, in denen sie nicht auf Schockeffekte setzt, sondern sich Zeit nimmt, großartig. Wie der Anfang von „The Cell“ mit dieser repetitiven Darstellung des Sandwich-Machens. Diese Szenen sind visuell spannend und erinnern durch Bildausschnitt und die Wiederholungen an das Comicvorbild. Vor allem aber wird der Charakter von Dwight dabei herausgearbeitet. Am Anfang verabscheut man ihn noch, am Schluss tut er einem leid und man wünscht sich, er werde derjenige sein, der Negan tötet. Das ist eine Qualität der Serie: sie schafft es immer wieder, Figuren vorzustellen, die man eigentlich länger sehen will (wie etwa die rothaarige Alicia Witt als desillusionierte Paula in "The Same Boat", Staffel sechs).

Wo sind all die Hippies?

Die fortwährenden Gewalt-Exzesse überlagern oft die spannendste Frage der Serie: wie formt sich Gesellschaft in einer postapokalyptischen Welt, in der die etablierten Regeln des Zusammenlebens plötzlich nicht mehr gelten? Bis dato sind die Gesellschaftsentwürfe einander leider ähnlich. Zumeist steht ein (brutaler) Mann an der Spitze der Gemeinschaft. Wo sind all die Hippies und Verfechter der Basisdemokratie hin? Anderseits: Ist es mit Blick auf das aktuelle Weltgeschehen – Erdogan, Putin, Trump etc. – verwunderlich, dass Frank Darabont, der Autor der Vorlage, seine Welt mit Despoten bevölkert?

In vielen Zügen ist diese nämlich ganz schön archaisch. Das führt mich zurück zum Rachemotiv vom Anfang. Ich werde die Rache an Negan – und sie wird kommen, ich verlasse mich drauf – auskosten. Dass Vergeltung in Fernsehserien wie „The Walking Dead“ und „Game of Thrones“ eine so große Rolle spielt, ist bemerkenswert, aber vielleicht gar nicht so absurd, wie es auf den ersten Blick wirkt. Mitunter dienen diese als Ventil für unseren Alltag in einer von Leistung und Normen bestimmten Gesellschaft. Die Rachegefühle, die wir uns in unserer Welt eben nicht erlauben können, leben wir im fiktionalen Kontext aus. Besser als umgekehrt.

Negan
Negan(c) AMC

„The Walking Dead“, immer montags um 21 Uhr auf Fox bei Sky sowie im Anschluss über Sky Ticket abrufbar.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.