Grätzeltour

Nibelungenviertel: Hinter die Stadthalle geschaut

Fernab vom Großstadtgetöse: Ulla Harms in ihrem Grätzl.
Fernab vom Großstadtgetöse: Ulla Harms in ihrem Grätzl. (c) DIMO DIMOV
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Jugendstilhäuser und Literatur: Unterwegs mit der Buchhändlerin Ulla Harms rund um den Kriemhildplatz im 15. Bezirk in Wien.

Ist von begehrten Wiener Wohnlagen die Rede, dann haben die innerstädtischen Bezirke – auch preislich – ganz klar die Nase vorn. Denn jener städtische Wohnraum, der unweit des stark frequentierten Gürtels liegt, genießt nicht immer den besten Ruf. Diverse Berichte über Probleme mit dem Rotlichtmilieu und Kleinkriminalität kommen bei potenziellen Mietern sowie Käufern nicht gut an. Und womöglich befindet sich die Immobilie hinter der Wiener Stadthalle, dem markanten Veranstaltungskoloss? Rudolfsheim-Fünfhaus, so die offizielle Bezeichnung für den 15., zählt also nicht zu den beliebtesten Bezirken Wiens. „Völlig zu Unrecht, und eigentlich haben vor allem nur die echten Wiener diese Vorurteile“, erzählt Ulla Harms, Buchhändlerin und Inhaberin des Buchkontors am Kriemhildplatz. „Viele kommen gar nicht auf die Idee, hinter die Stadthalle zu schauen. Obwohl es hier gemütlich zugeht und es einige der schönsten Häuser gibt.“

Einige Querstraßen vom Neubaugürtel entfernt, unweit des Vogelweidparks, findet man sich gleich im Nibelungenviertel, das im Norden an die Gablenzgasse und im Süden an die Hütteldorfer Straße grenzt, und dessen Straßen mehrheitlich nach dem mittelalterlichen Heldenepos benannt sind. Die Markgraf-Rüdiger-Straße, eine mit altem Baumbestand eingefassten Allee, führt am Burjanplatz vorbei, benannt nach der Sozialpolitikerin Hildegard Burjan, die 1933 gemeinsam mit dem Architekten Clemens Holzmeister den Bau der Christkönigskirche initiiert hat. Um einen Hof wurden die schlichte und turmlose Kirche sowie das ehemalige Waisenhaus erbaut, das heute als Pfarrkindergarten genutzt wird. Und mit Sichtkontakt zur Kirche liegt das vor neun Jahren eröffnete Buchgeschäft von Harms, in einem Erdgeschoßlokal am Kriemhildplatz?1, dem Herzstück des Viertels. Wo früher Juwelen gehandelt wurden, verkauft sie nun Literatur. Das mehrgeschoßige Jugendstilhaus hat eine interessante Baugeschichte vorzuweisen: Es wurde 1914 von Max Hegele, dem Erbauer der berühmten Karl-Lueger-Gedächtniskirche auf dem Wiener Zentralfriedhof, errichtet. Er zeichnet ebenfalls für den Bau des nahezu gleich aussehenden, vis-à-vis stehenden Gebäudes – auf Nummer zehn – verantwortlich. In unmittelbarer Nachbarschaft, am Kriemhildplatz?3, befindet sich ein weiteres architektonisches Juwel mit prächtigem Stiegenhaus – rundum mit Blumenornamenten verziert.

Rollläden hoch

Gleich schräg gegenüber wird es etwas internationaler. Dort, wo heute ein türkischer Supermarkt ist, soll es früher ein Kino gegeben haben. „Wenn man hineinschaut, wundert man sich, weil das Geschäft sehr groß ist und es eine kleine Galerie hat.“ Bis in die 1980er-Jahre gab es rund um den Kriemhildplatz viel mehr Einzelhändler. „Alle Bewohner hier würden sich wünschen, dass die Rollläden wieder hochgehen würden“, beschreibt Harms die wirtschaftliche Situation im Grätzl. Das Eckhaus in Richtung Alliogasse wird von den Anrainern als das Milchhaus bezeichnet, da der alte Schriftzug noch immer die alte Nutzung verrät. In Richtung Camillo-Sitte-Gasse, wo der „Neuner“ (Straßenbahnlinie) vorbeifährt, gibt es seit 1927 das Korbwarengeschäft Bärenklau. „Hier sollte man unbedingt einmal hineinschauen, schon allein wegen der entzückenden Besitzer“, erzählt Harms. Ein Original im Nibelungenviertel ist das gutbürgerliche Restaurant Mader, das sich seit drei Generationen im Familienbesitz befindet. Vom Verkehrsgetöse des nahe gelegenen Neubaugürtels bekommt man hier kaum mehr etwas mit – stattdessen bieten die zahlreichen Parkbänke Gelegenheit zum Pausemachen, umgeben von reichlich Vogelgezwitscher.

Zum Ort

Rudolfsheim-Fünfhaus liegt westlich des Wiener Stadtzentrums. Hier kostet etwa eine Eigentumswohnung in mäßiger Wohnlage rund 2800 Euro/m2, in sehr guter Lage bis zu 3000 Euro/m2 (laut Immo-Preisspiegel 2017).

Am 9. Juni findet am Kriemhildplatz das Fest der Nachbarschaft statt. Der öffentliche Raum soll zum Platz der Begegnung werden. Mehr Programmdetails unter www.nibelungenviertel.at und www.buchkontor.at.

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