Jungbrunnen Omega-3?

Die Zusammensetzung der Fettsäuren in Membranen könnte die Lebensspanne von Tieren beeinflussen.

Wer immer etwas von Omega-3-Fettsäuren hört, denkt an „gesund“, „gut für das Hirn und die Nerven“ und an „Vermeidung von Herz-/Kreislauferkrankungen“. „Diese Vorstellungen sind natürlich korrekt, dazu wird viel geforscht“, sagt Teresa Valencak vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde der Wiener Veterinärmedizinischen Universität. Das Verhältnis von Omega-3- zu Omega-6-ungesättigten Fettsäuren sollte in unserer Ernährung möglichst ausgeglichen sein – was nur mit fischreicher Nahrung möglich ist.

Valencak kümmert sich aber nicht um Ernährungsfragen der Menschen, sondern forscht an Fettsäuren im Tierreich, um ein völlig anderes Problem zu lösen. Studien zeigen nämlich, dass die Membranzusammensetzung verschiedenster Tierarten einen Einfluss auf ihr Lebensalter hat. „Berühmt ist das Beispiel von Elefant und Maus: der eine groß und langlebig, die andere klein und kurzlebig“, sagt Valencak. Interessanterweise stecken in den Membranen der Elefanten sehr wenig mehrfach ungesättigte Fettsäuren und in jenen der Mäuse viele, besonders die Omega-3-Fettsäuren. Der Vergleich zwischen so unterschiedlichen Tieren wie Maus und Elefant mag zwar für Witze tauglich sein – in der Wissenschaft sollten aber Versuchsbedingungen so ähnlich wie möglich sein. „Darum vergleiche ich nur Labormäuse: eine spezielle Züchtung, die Ames-Zwergmaus, mit ,normalen‘ Mäusen“, sagt Valencak. Den Minimäusen fehlen bestimmte Wachstumshormone: Sie wiegen nur acht bis zehn Gramm, wenn sie das mutierte Gen zweifach im Körper haben (homozygot). „Ihre heterozygoten Geschwister (Mutation nur ein Mal vorhanden, Anm.) sind so groß wie normale Mäuse und wiegen etwa 25 Gramm.“ Das Besondere: Die Minimäuse werden um unglaubliche zwei Jahre älter als ihre großen Geschwister. Ein Widerspruch im Maus-Elefant-Vergleich, bei dem größere Tiere umso länger leben? „Nein, denn durch diese Züchtung kann ich an den ungewöhnlich kleinen und langlebigen Mäusen eine große Theorie testen“, erklärt die Tierphysiologin.

Die „Schrittmachertheorie“ besagt, dass die Zusammensetzung der Fettsäuren in Membranen ein Taktgeber für den Stoffwechsel im Körper von Tieren ist. „Mehrfach ungesättigte Fettsäuren und Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren, die in Membranen gebunden sind, wirken auf Proteine, die z.B. in Muskelzellen den Kalzium-Magnesium-Haushalt regeln oder im Allgemeinen den Natrium-Kalium-Austausch kontrollieren“, so Valencak. Und weiter: „Laut der Schrittmacherhypothese bestimmen die Membran und ihre Fettsäuren das Tempo der Pumpen und somit den Grundumsatz. Je schneller dieser abläuft, umso stärker führen Fettverbrennungsprozesse zu oxidativem Stress durch freie Radikale, die sich auf die Lebenserwartung auswirken“, erklärt Valencak.

In ihrem Hertha-Firnberg-Projekt – einer Förderung speziell für junge Wissenschaftlerinnen – forscht sie seit zwei Jahren an dem Zusammenhang von Stoffwechsel und Lebensspanne bei Mäusen; nun soll im neuen FWF-Projekt an Zwergmäusen getestet werden, wie eng die Membranzusammensetzung mit der Lebenserwartung verknüpft ist.

„Die chemische Analyse der Membranen von Muskel-, Leber-, Herz-, Nieren- und Hirnzellen wird zeigen, wie viele ungesättigte Fettsäuren und wie viele Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren bei den langlebigen Zwergmäusen im Vergleich zu ihren kurzlebigen Artgenossen vorkommen.“ Sind die Tierchen erstmal auf „Herz und Nieren“ geprüft, könnte ein niedriger Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren und speziell weniger Omega-3-Fettsäuren die Schrittmacherhypothese bestätigen. Die Ergebnisse erwartet Valencak noch in diesem Herbst, es bleibt spannend, ob die Langlebigkeit der Minimäuse durch ein langsameres Tempo der Pumpen in Omega-3-armen Membranen erklärbar ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2010)

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