Burn-out: Die salonfähige „Nichtkrankheit“

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Ausgebrannt? Burn-out ist vielfach zum Wischiwaschi-Begriff geworden, ohne sachliche Fundierung. Manche nutzen es als faule Ausrede fürs Nichtarbeiten, bei einigen steckt aber ein ernsthaftes Leiden dahinter.

Das Thema Burn-out wird in vielen Bereichen überbewertet, ist zum allseits verwendeten Modebegriff geworden. Und das hat seine guten, aber auch seine gefährlichen Seiten“, betont Prof. DDr. Andreas Remmel, ärztlicher Leiter des Psychosomatischen Zentrums Waldviertel in Eggenburg. Das fünfjährige Bestehen des Zentrums wird vom 25. bis 27. Mai mit einem hochkarätigen Kongress gefeiert, am 28. Mai gibt es auch Veranstaltungen für die Öffentlichkeit (Näheres siehe unter „Gesundheitstag & Resetarits“). Remmel wird auf diesem Kongress den Plenarvortrag „Burn-out – eine neue Pandemie oder Metapher für ein verlorenes Selbst“ halten und sich dabei auch kritisch mit Burn-out auseinandersetzen.

Einer seiner Kritikpunkte: „Das Phänomen Burn-out gibt es sicher, aber es gibt zu wenig konkrete Fakten dazu, zu wenig empirische Forschung.“ Burn-out sei vielfach zum Wischiwaschi-Begriff geworden, ohne sachliche Fundierung. Auch die Hotellerie und die Esoterik seien bereits auf diesen globalen Zug aufgesprungen und würden mit Wellness-Wochenenden und teils obskuren Angeboten mitunter mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen. „Denn, was viele so salopp Burn-out nennen, kann in Wahrheit auch eine schwere Depression oder eine Angststörung sein. Und die erkennt ein Wellnesscoach oder ein Esoteriker meist nicht. Ernsthafte Diagnose und adäquate Behandlung bleiben da oft auf der Strecke, eine Depression oder ein anderes ernsthaftes Leiden wird verschleppt.“
Vice versa geht es natürlich auch: Burn-out als faule Ausrede kommt sicher so manchem gelegen, der ein oder zwei Wochen blaumachen oder sich frühzeitig aus dem Arbeitsleben in die Frühpension verabschieden will. Remmel: „Burn-out ist nicht so ohne Weiteres zu diagnostizieren, da braucht es schon eine fachliche Kompetenz.“
Einen Vorteil aber hätte das Modethema Burn-out schon: „Es bietet die Möglichkeit, in entstigmatisierter Weise über psychische Probleme zu sprechen. Wenn ein Angestellter bei seinem Arbeitgeber über Burn-out klagt, kriegt der vielleicht noch ein schlechtes Gewissen und meint, man müsse etwas für den Burn-out-Betroffenen tun. Spricht derselbe Angestellte beim selben Chef jedoch über seine Depression, wird er als nicht mehr leistungsfähig eingestuft und womöglich eher gekündigt.“
Burn-out ist salonfähig geworden und könne also durchaus eine Brücke bilden, über die Betroffene leichter ihren Weg zu einem Arzt finden. „Der Patient kommt vielleicht wegen seines Burn-out-Syndroms, der Arzt stellt dann eine Depression fest und behandelt sie. So gesehen kann das Phänomen Burn-out von Vorteil sein.“
Das Konzept Burn-out sei in den 1970er-Jahren in den USA entstanden, damals nur in Zusammenhang mit Pflegeberufen, später sei es auf andere Berufe, ja auch auf Hausfrauen und Eltern ausgedehnt worden. Remmel: „Es ist im engeren Sinn weder eine psychische noch eine physische Krankheit, es handelt sich um eine kombinierte Symptomatik und formal um eine Zusatzdiagnose.“ Immer dabei seien eine überwältigende Erschöpfung und das Gefühl, keine physischen und psychischen Ressourcen mehr zu haben. „Ein Teil der Betroffenen wird zynisch, wird gleichgültiger, stumpft ab, zieht sich zurück“, erwähnt Remmel. Mit der Zeit würden die Leute auch immer unkonzentrierter, fehleranfälliger und immer weniger leistungsfähig.

Leistungsgesellschaft hat Schuld

Nun ist es doch so, dass bei Weitem nicht jeder mit Leistungsdruck gleich mit einem Burn-out reagiert. Wer also ist gefährdet? „Das hängt von mehreren Faktoren ab“, weiß der Experte. Von der einzelnen Person und ihrem Anspruch auf Perfektion genauso wie vom beruflichen Umfeld und von gesellschaftlichen Normen. „Eine Leistungsgesellschaft, in der immer mehr immer schneller gehen muss, trägt schon auch dazu bei, dass Menschen aus der Fassung und ins Burn-out kippen.“ Denn, wenn Burn-out auch inflationäres Modewort geworden sei, die Symptomatik häufig missbräuchlich eingesetzt werde, „sollte man das Phänomen der zunehmenden Überforderung und Erschöpfung doch prinzipiell sehr ernst nehmen. Vor allem, weil sich ja, wie gesagt, eine ernsthafte somatische oder psychische Krankheit dahinter verbergen kann“.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.pszw.at

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