Ziegel: Diffusion und Thermoskanneneffekt

Wienerberger/Bruckner
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Seit Jahrtausenden wird gebrannte Erde – in vielen Variationen – als Baustoff eingesetzt. Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. Neben langer Lebensdauer, Wertbeständigkeit und Nachhaltigkeit gibt es aber auch Nachteile.

Ein Baustoff mit Tradition – das ist der Ziegel allemal. Und zwar mit einer langen: Bereits 4000 Jahre vor Christus wurden in Mesopotamien gebrannte Mauerziegel hergestellt, Dachziegel sind rund 1700 Jahre jünger. „Ziegel sind also seit drei-, viertausend Jahren die Nummer eins beim Hausbau“, sagt Mike Bucher, Geschäftsführer von Wienerberger. Und werden es auch in nächster Zeit bleiben. „Befragungen zeigen, dass zwei Drittel all jener, die ein Haus bauen wollen, das mit Ziegeln tun wollen“, so Bucher. Die Gründe dafür liegen ihm zufolge auf der Hand: „Beim Wohnraumklima und in puncto Ökologie sind Ziegel unschlagbar“, ist der Wienerberger-Chef überzeugt. Denn Ziegelmauerwerk ist diffusionsoffen, das heißt, die Raumluftfeuchtigkeit wird optimal ausgeglichen. Ergebnis ist ein angenehmes Raumklima. „Ziegelwände wirken wie eine natürliche Klimaanlage“, führt Bucher einen weiteren Vorteil an. Temperaturschwankungen würden durch die Aufnahme oder Abgabe von Wärme ausgeglichen. „Das ist der Thermoskanneneffekt“, so der Chef des Ziegelkonzerns.

Auch in puncto Ökologie brauchen sich die aus den vier Elementen Erde, Wasser, Feuer und Luft bestehenden Ziegeln nicht zu verstecken. „Natürlich verbraucht ein Ziegel bei der Herstellung CO2“, sagt Bucher. Andererseits müsse jedoch die lange Lebensdauer miteinbezogen werden. So seien Häuser aus Ziegeln für Generationen gebaut. „Das sieht man auf der Ringstraße. Die Häuser dort stehen seit 151 Jahren und werden das auch weitere 151 Jahre tun“, sagt Bucher. Positiv sei etwa die Tatsache, dass Ziegel regionale Produkte seien. „Die Menschen legen immer mehr Wert auf regionale Produkte, und das nicht nur bei Lebensmitteln“, ist er überzeugt. Wissen, wo es herkommt, lautet somit das Gebot der Stunde auch bei den Baustoffen.

Große Vielfalt

Astrid Scharnhorst vom Österreichischen Institut für Bauen und Ökologie (IBO) führt nicht nur die Langlebigkeit, sondern auch die geringe Anfälligkeit für Schäden sowie die niedrigen Kosten für die Instandhaltung des Mauerwerks ins Treffen. Als positiv bewertet sie daneben die große Produktvielfalt. „Es gibt Ziegel für Innen- und Außenwände, Deckensysteme und fürs Dach. Und keine Grenzen bei der Stärke“, erklärt Scharnhorst. Daneben könne sowohl ein- als auch mehrschalig gebaut werden. Wobei Ersteres laut Bucher im Trend liegt: „Die Häuslbauer gehen in Richtung eines Produkts, bei dem nicht noch einmal gedämmt werden muss“. Das könne der klassische „50er Ziegel“ oder ein Ziegel mit innen liegender Wärmedämmung sein. Der Vorteil liegt laut Scharnhorst auf der Hand, kommt es doch zu einem Zugewinn an Fläche. Doch selbst bei „normalen“ und dünneren Ziegeln ist der Wärmeschutz dank der feinen Poren- und Kapillarstruktur der Ziegel gut.

Je nach Wandsystem werden mit Ziegeln auch die Anforderungen des Niedrigenergiehaus- und Passivhaus-Standards erfüllt.
Ein Manko sieht Scharnhort dennoch: „Ziegel können nicht zu 100 Prozent wiederverwertet werden“. Zumindest jedoch könnten sie nach dem Abbruch von Gebäuden als Belag für Tennisplätze, als Gesteinskörnung oder als Zuschlag bei der Betonherstellung ein zweites Leben führen.

Statische Grenzen

Und noch einen Nachteil gibt es: Zwar haben Ziegel eine der geringsten Formveränderungen aller Baustoffe, wie etwa bei statischer Belastung, Wärme- oder Kälteeinflüssen. Architektonisch sind dem Bauen mit Ziegel dennoch wegen der Statik Grenzen gesetzt. „Bei Bauwerken mit mehr als acht bis zehn Stockwerken tun wir uns mit Ziegeln wegen des Gewichts schwer“, erklärt Bucher. Auch bei sehr futuristischen Planungen, etwa mit Auskragungen, müsste man sich möglicherweise für Alternativen entscheiden.

Fakt 1

Fakt 2

Fakt 3

Was Sie wissen sollten zum . . . . . . Ziegelbau

Historie. Ziegel gelten als einer der ältesten Baustoffe. Mauerziegel wurden 4000 vor Christus in Mesopotamien gebrannt, rund 700 Jahre später sind die ersten Kanalisationsrohre aus Ziegeln in Syrien entstanden. Über Rom hielt der Baustoff Einzug in ganz Europa. So errichteten die Römer in den besetzten Provinzen Ziegeleien, in denen Dach- und Mauerziegel gebrannt wurden.

Herstellung. Ziegel werden aus Erde, Wasser, Feuer und Luft hergestellt: Nach der Aufbereitung wird Ton mit Wasser, Sand und Porosierungsmitteln wie etwa Sägemehl vermischt, gepresst und geformt. In einem nächsten Schritt werden die Rohlinge getrocknet und gebrannt. Bei Planziegeln werden die Lagerfugen mit einer Genauigkeit von etwa einem Millimeter plangeschliffen.

Brandschutz. Ziegel werden gebrannt, brennen selbst aber nicht. Bereits ab einer Wanddicke von acht Zentimetern weist der Baustoff die Feuerwiderstandsklasse F 90 auf. Das bedeutet, dass eine Ziegelwand dieser dicke – oder mehr – mindestens 1,5 Stunden lang einem Feuer standhalten kann. Dazu kommt, dass im Brandfall keine giftigen Dämpfe entstehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2018)

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