Von Coworking-Spaces und Mietlounges: Physische Präsenz war gestern

Büroanbieter, die sich auf temporäre Arbeitsplätze spezialisiert haben, versuchen, ihre Center möglichst heimelig zu gestalten. Im Bild: eun Business-Center von Regus.
Büroanbieter, die sich auf temporäre Arbeitsplätze spezialisiert haben, versuchen, ihre Center möglichst heimelig zu gestalten. Im Bild: eun Business-Center von Regus. (c) HERR PHOTOGRAPHY
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Wie sich Büroanbieter auf EPU, Start-ups oder Freelancer einstellen.

In Sachen örtliche Flexibilität bei der Arbeit ist die HR- und Recruiting-Managerin Luise Schertz quasi Expertin. „Ich habe schon ziemlich alles probiert, vom klassischen Vier-bis-sechs-Mann-Büro über ein Großraumbüro mit 40 Consultants oder einen 80-Quadratmeter-Raum mit Start-up-Flair bis hin zur Arbeit in Bürogemeinschaften oder im Homeoffice.“ Zurzeit zeichnet sie für Manager Client Operations bei Expertry verantwortlich, ein Unternehmen mit dem Thema „Digitalisierung in der HR“. Von ihrem Arbeitgeber trennen Schertz rund 150 Kilometer, den Computer wirft sie in einem von der Plattform ShareDnC vermittelten Shared-Office an: „Ich bin draufgekommen, dass ich am liebsten unter Kreativen arbeite, im Rahmen eines lockeren Miteinanders auf Augenhöhe.“

Arbeitnehmer wie Schertz symbolisieren die neue Freiheit in der modernen Arbeitsgesellschaft, Unternehmen wie das Immobilien-Start-up ShareDnC (Share Desk and Coffee) sind Vermittler zwischen Büroraumanbietern und -suchenden. „Wir sind auf kleine und flexible Bürolösungen abseits teurer Business-Center spezialisiert“, erklärt Gründer Philipp Hartje. Das Angebot der deutschen Plattform, die auch in Österreich aktiv vermittelt, nutzen auf der Mieterseite hauptsächlich Selbstständige, Freelancer und Start-ups, aber auch Außendienstmitarbeiter, Projektteams und Regionalbüros größerer Firmen.

Hauptsache flexibel

Unter den Büroanbietern untervermieten die meisten einzelne Arbeitsplätze oder Büroräume, die sie nicht selbst nutzen. „Besonderen Wert legen wir auf flexible Mietvereinbarungen, weil das für Gründer ein sehr wichtiger Punkt ist“, so Hartje. Der Großteil der Bürosuchenden auf ShareDnC wolle eine Lösung für einen längeren, unbefristeten Zeitraum, ohne dabei einen Vertrag mit einer mehrjährigen Laufzeit unterzeichnen zu müssen. Die meisten Verträge werden daher unbefristet mit einer Kündigungsfrist von 30 Tagen oder drei Monaten zum Monatsende abgeschlossen. Eine Mindestlaufzeit wird eher selten vereinbart und wenn, dann in der Regel maximal für sechs Monate.

Ab einer halben Stunde

Dass flexibles Arbeiten künftig zur Normalität wird und Angebote neu zu designen sind, weiß man auch bei den Big Playern der Branche. „Eine unserer Studien mit weltweit rund 40.000 Teilnehmern ergab, dass 67 Prozent der Arbeitskräfte einen Job ohne flexibles Arbeitsmodell mittlerweile ablehnen würden. 20 Prozent der Befragten meinen auch, dass sie mit Optionen zum flexiblen Arbeiten länger im früheren Job geblieben wären“, sagt Alisa Kapic, Regus Country Manager Austria. In Österreich hat Regus zuletzt zwei Business-Center in Wiener Hochhäusern eröffnet. Bei der Konzeption wurde vor allem den Bedürfnissen von Start-up-Unternehmen Rechnung getragen. Sowohl im Millenium Tower als auch im DC Tower umfasst das Angebot neben voll ausgestatteten Büroräumen auch Coworking-Spaces, Meeting- und Konferenzräume und Business-Lounges für Termine zwischendurch. Raummieten sind von einer halben Stunde bis zu mehreren Jahren möglich. Wer als Mieter zusätzliches Service haben und zahlen will, kann Mailserverleistungen, mehrsprachige Empfangsteams, Videokonferenzanlagen oder Telefonhandling an beiden Standorten dazubuchen.

Immer größerer Beliebtheit erfreut sich bei Regus sowie bei anderen Büroraumspezialisten die wohl radikalste Angebotsvariante. Die Rede ist vom virtuellen Büro, eine Lösung für Unternehmen, die keine (oder kaum) physische Räumlichkeiten benötigen, für die jedoch eine Reihe von anderen Services interessant ist. „Geschäftsleute von heute interessieren sich nicht nur für reale Arbeitsumgebungen. Vielmehr bedienen sich viele Klienten gern auch virtueller Adressen“, sagt etwa André Helf, CEO von Collection Unique Business Centres. Der Luxusbürodienstleister hat 2016 im Goldenen Quartier im Herzen Wiens ein Business-Center eröffnet, in dem man nicht zwangsläufig kostspielige Büroräume anmieten muss.

Exklusive Adresse

Mieter eines virtuellen Office erhalten ein Firmenschild, das am Eingang der Immobilie an der exklusiven Adresse Tuchlauben 7a angebracht ist, sowie eine eigene Wiener Telefon- und Faxnummer. Eingehende Anrufe werden von einem Sekretariat angenommen und an den Unternehmer weitergeleitet, Brief-, Kurier- und Paketsendungen entweder gelagert oder übermittelt. Null Quadratmeter in bester Lage – auch eine Variante im Zeitalter der digitalen Flexibilität.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2018)

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