Graffiti & Co: Visitenkarte per visueller Kommunikation

Unternehmen lassen zur Stärkung der Corporate Identity oder zur Motivierung der Mitarbeiter ihre Gebäudefassaden oder Innenräume bildlich gestalten. Die Grenze zwischen Kunst und Werbung ist dabei oft fließend.

Sie nennen sich Rotkäppchen & Goliath (r-g), sind auf Graffiti spezialisiert und haben schon etliche Wände mit Sprühdosenfarben bearbeitet. Konservative Naturen mögen angesichts dieser Beschreibung an verunstaltete Hauswände denken. Aber Rotkäppchen & Goliath haben anderes im Sinn: Mit ihrer Artwork wollen sie Unternehmen helfen, „Aufmerksamkeit zu gewinnen, das Markenimage kreativ aufzuladen und junge, urbane Zielgruppen anzusprechen“, wie es Rotkäppchen formuliert. Sie heißt mit bürgerlichem Namen Maira Kerschner und zeichnet bei r-g für Kundenkontakt und Konzeption verantwortlich.

Die Agentur für urbane Kommunikation, die sie gemeinsam mit ihrem Partner betreibt, gestaltet Hausmauern ebenso wie Wände in Büros, Restaurants oder Clubs. Zu den Kunden zählen etablierte internationale Konzerne wie Chanel oder Coca-Cola. „Natürlich sind die Anforderungen völlig unterschiedlich, die Artwork muss jeweils zur Marke und zum Firmenimage passen“, erzählt Kerschner. Bei Coca-Cola ging es beispielsweise darum, gemeinsam Bürowände als motivierenden Faktor für ein neues Team zu gestalten. Bei Chanel wiederum sollte ein handgemalter Schriftzug, „Coco forever“, eine Hommage an die Gründerin sein und die Marke visuell erlebbar machen.

Emotionales Stilmittel

Mit der Gestaltung von Wänden im Innen- und Außenbereich beschäftigt sich auch Caroline Seidler mit ihrer „Werbeagentur für visuelle Kommunikation“. Toprestaurants, Innenstadt-Kaufhäuser und große Unternehmen finden sich unter ihren Kunden. Seidler gestaltet gern Wände mit Illustrationen: In einem großen Wiener Büroturm etwa machen fröhlich-bunte Zeichnungen auf die Angebote der hauseigenen Restaurants aufmerksam, an der Fassade einer Bäckerei in Wien Neubau prangen Figuren, die Abbilder der Kunden sein könnten.

Oft werde sie bei Gesprächen in Unternehmen gefragt, weshalb sie Illustrationen einsetze, erzählt Seidler: „Viele fürchten, es wirke ,kindisch‘.“ Das aber sei ein Vorurteil: „Eine Illustration berührt, erlaubt es, Inhalte emotional nahezubringen“, sagt sie. Illustrationen sind aber nur ein Stilmittel, das sie verwendet. Seidler kooperiert mit verschiedenen Künstlern. Die Bilder und Illustrationen können entweder direkt an die Wand gemalt werden, oder es wird ein digitales Bild erstellt und auf Leinwand, Holz, Keramik oder ein anderes Material gedruckt. „Das digitale Wandbild kann dann auch auf Visitenkarten oder Taschen genutzt werden und gibt der Corporate Identity eine besonders charmante Note“, meint Seidler.

Digitale Technik

Digitale Bilder auf Innen- und Außenwänden sind eine Spezialität von Ewald Ploner. Der oberösterreichische Malermeister hat eine eigene Technologie entwickelt, mit der sogar auf Fußböden digitale Bilder dauerhaft angebracht werden können. „Das Bild wird auf einem speziellen Material ausgedruckt und dieses dann ähnlich wie eine Tapete in einem Kleisterbett mit Versiegelung eingearbeitet“, erzählt die Tochter des Firmenchefs Astrid Schmuck-Ploner. Für Fußböden wird ein Beschichtungsverfahren genützt. Bei der Größe der unter dem Markennamen fassadenbild.com angebotenen Technik gäbe es keine Begrenzung, berichtet sie. Ein Salzburger Premium-Milch-Spezialist etwa nützt mithilfe dieser Technik das Firmengebäude großflächig als Markenbotschafter. In Köflach wurden an allen vier Seiten eines Hauses für Betreutes Wohnen Bilder eines Bambuswalds angebracht. Und in einem mexikanischen Restaurant wurden Nischen mit Landschaften aus Mexiko versehen. Ploner arbeitet österreichweit mit Agenturen und Malerfachbetrieben zusammen. Das gilt auch für das Finden des richtigen Motivs. „Unsere Agenturpartner setzen sich mit dem Auftraggeber zusammen, filtern heraus, was erreicht werden soll, welche Firmenkultur gepflegt wird.“ Auf dieser Basis werden dann die Lösungen entwickelt, „um die Markenbotschaft zu visualisieren oder die Mitarbeiter mit einem kreativen Ambiente zu motivieren.“

Nicht nur nüchterne Werbung möchte Eva Maria Stadler, Professorin für Kunst und Wissenstransfer an der Universität für angewandte Kunst in Wien, auf Wänden sehen: „Wandgestaltung in Zusammenarbeit mit Künstlern hat eine lange Tradition. Es wäre schön, wenn das mehr in Anspruch genommen würde.“ Wo bei der visuellen Gestaltung die Grenzen zwischen Kunstwerk und Werbung liegen, lasse sich schwer festsetzen, meint die Wissenschaftlerin. Der Künstler könne dabei aber weiter gehen als der Werbegrafiker, andere Aspekte in seine Arbeit aufnehmen und damit auch für Diskussionen sorgen, sagt die Expertin.

AUF EINEN BLICK

Zeichnungen an Wänden gehören zu den ältesten künstlerischen Ausdrucksformen des Menschen. Heute feiert diese Kommunikationsform eine Renaissance. Bunt bemalte Fassaden oder attraktiv gestaltete Wände im Büro oder Verkaufsraum sollen Markenbotschaften übermitteln, für ein motivierendes Umfeld sorgen oder einfach überraschen und Neugier erzeugen. Neben Wandmalereien ermöglichen neue Techniken, auch Fotos quasi an die Wand oder auf Fußböden zu drucken.

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