Coworking erobert Europa

Wien erlebt bald neue Arbeitswelten.
Wien erlebt bald neue Arbeitswelten.(c) Stanislav Jenis
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Was uns im Bereich Coworking in Österreich noch erwartet, lässt sich in deutschen Städten bereits erkennen. Und das könnte sogar erst der Anfang sein.

Talent Gardens übernahmen ein Bestandsobjekt in der Liechtensteinstraße im neunten Wiener Gemeindebezirk mit 5000 m2 Nutzfläche, und mit knapp 4000 m2 Fläche trat Spaces im Orbi Tower in den Wiener Markt ein. Es geht also los mit den Coworking Spaces. „In den vergangenen Jahren war der Markt vor allem von zahlreichen lokalen Initiativen geprägt, die kleinere Gewerbeobjekte erfolgreich umgenutzt haben“, so Stefan Wernhart, Leiter der Büroabteilung bei EHL Immobilien. Jetzt wird diese im Silicon Valley entstandene neue Arbeitsform, bei der sich meist Startups, Freelancer und Kreative einen zeitlich flexiblen Arbeitsplatz in einem offen gestalteten Büro anmieten und den Vorteil des Zusammenarbeitens (Coworking) nutzen möchten, auch in Wien salonfähig. Für EHL zählt Coworking bereits zu den großen Trends 2018.

Dieser wird sicherlich auch 2019 noch weitergehen. „In Business-Metropolen, aber auch kleineren Städten gehören lokale Coworking Spaces zum Stadtbild wie die Eissalons im Sommer“, meint Country Managerin Alisa Kapic anlässlich des Markteintritts von Spaces. Die Dynamik, die Coworking in einigen Städten entwickelt, zeigt zumindest das Potenzial auf, das diese Mieter in den Markt bringen können.

Zweitgrößte Vermietergruppe

Knappe drei Jahre ist es her, dass das US-Unternehmen WeWork in der britischen Hauptstadt den ersten Vertrag unterzeichnet hat. Inzwischen vermietet das Unternehmen so viele Flächen, dass es zum größten privaten Nutzer von Büroraum geworden ist, belegen Daten der Immobilienexperten von CoStar. In London sind die Coworking-Anbieter im ersten Quartal 2018 bereits die größten privaten Mieter. Nur die britische Regierung hat noch mehr Flächen in der Stadt angemietet. London ist vielleicht ein extremer Fall, aber auch in deutschen Städten lässt sich die Dynamik gut erkennen. Hamburg ist von der Einwohnerzahl her ähnlich groß wie Wien. JLL hat in einer Studie den Markt für flexible Büroangebote in der Hansestadt erstmals erhoben und analysiert. Nach Fertigstellung aller aktuell geplanten flexiblen Workspaces werden in Hamburg fast 10.000 solcher anmietbaren Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Diese verteilen sich auf 78 Standorte, die von 56 verschiedenen Anbietern betrieben werden. Allerdings ist das Gros Einzelanbieter, lediglich ein Dutzend betreibt mehr als einen Standort. Große Coworking-Betreiber sind WeWork, Mindspace, Spaces und Rent24 sowie Regus im Bereich der Business Center. Seit 2013 summierten sich die Neuanmietungen in Hamburg jeweils auf mehr als 30.000 Quadratmeter pro Jahr.

Alexander Fenzl, Leiter des gewerblichen Maklerteams bei Otto Immobilien, rechnet für heuer in Wien bereits damit, „dass wir 10.000 bis 20.000 Quadratmeter auf dem Markt vermieten werden. Das ist ein deutlich spürbarer Anteil.“ Da sich die internationalen Betreiber derzeit eine Art Wettrennen um Marktpositionen liefern, könnte die Vermietungssumme relativ hoch sein. „Wir erkennen aber auch die Schwierigkeit, dass die Qualität der angebotenen Immobilien nicht dem Markt entspricht“, so Fenzl. Das habe aber nicht mit der Qualität der Projekte an sich zu tun, sondern mit den Voraussetzungen und Wünschen der Anbieter. Diese seien nämlich sehr spezifisch und die Immobilien „daher rar“.

Die unterschiedlichen Ansprüche der Betreiber haben auch damit zu tun, dass sich die Angebote immer stärker voneinander unterscheiden werden, ist Matthias Pink, Director/Head of Research bei Savills Germany, überzeugt. Neben traditionellen Business Centern und Coworking Spaces etablieren sich Hybridmodelle „als die jüngste der drei Formen“, so Pink. Darunter fallen Serviced-Office-Konzepte, die klassischen Bürostrukturen sehr ähnlich sind, aber auch Coworking Spaces, die auf Synergieeffekte setzen, die durch räumliche Nähe ähnlicher Unternehmen entstehen. Die Arbeitsplatzkonzepte unterscheiden sich maßgeblich in Größe, Standort, Preis und der Community. Mittlerweile ist in ganz Deutschland der Coworking- und Business-Center-Markt – laut Zahlen des Coworking-Flächenvermittlers AllOfficeCenters – im vergangenen Jahr wieder um gut ein Viertel gewachsen. Eine aktuelle Untersuchung des international tätigen Immobiliendienstleistungsunternehmens Savills zeigt, dass es im gesamten Bundesgebiet mehr als 500 Coworking Spaces gibt.

Stefan Rief, Leiter Competence Center Workspace Innovation beim Fraunhofer Institut, ist der Überzeugung, dass der eigentliche Siegeszug des Coworkings erst bevorsteht. Nach den Anbietern von Bürogemeinschaften geht der nächste Schritt von den Unternehmen aus. Zu den Nachfragern nach Coworking-Angeboten gehören längst nicht mehr nur Start-ups, die in volatilen Wachstumsphasen auf kurzfristige Mietverträge und Serviceleistungen angewiesen sind, oder Freiberufler. Zunehmend zeigen auch Konzerne Interesse an der Anmietung zusammenhängender Flächen – sei es für Einzelprojekte oder ganze Abteilungen.

HYBRIDMODELLE IM KOMMEN

Im Jahr 2018 werden neue Coworking-Angebote von bestehenden sowie neuen Marktteilnehmern verstärkt auch den Wiener Büromarkt beleben.

Die Entwicklung steht in Wien erst am Anfang. Die ersten großen Anmietungen mit 4000 und 5000 Quadratmeter sind bereits erfolgt.

Neben Business Centern und Coworking Spaces sind vor allem Hybridmodelle à la WeWork auf dem Vormarsch, die Arbeitsmarktkonzepte werden sich noch stärker voneinander unterscheiden.

In Wien sind für 2018 bis zu 20.000 Quadratmeter vermietete Coworking-Fläche zu erwarten.

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