Energieautarker Wohlfühlort

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Mit welchem Ziel planen, womit bauen, und worauf bei der Bewirtschaftung achten? Architekt Anton Falkeis, Baumit-Chef Georg Bursik und Facility-Management Experte Alexander Redlein über die neuen Arbeitswelten.

Alexander Redlein ist sich ganz sicher: „Die Digitalisierung ist eine große Chance für das Klima.“ Durch sie würden sich etwa die vielgerühmten neuen Arbeitswelten erschließen, bei denen nicht mehr nur im Büro, sondern auch daheim, im Zug, im Hotel – oder wo sonst immer – gearbeitet werden könne, meint der am Institut für Immobilien und Facility- Management der TU Wien tätige Experte. „Damit verringert sich der Flächenbedarf für Büros und damit auch der Energieaufwand“, ist Redlein überzeugt.
Gleichzeitig schaffe die Digitalisierung neue Möglichkeiten in der Gebäudeleittechnik – mit bisher ungeahnten Möglichkeiten für den Betrieb des Gebäudes: Sensoren erkennen beispielsweise, wie viele Personen sich in einem Raum aufhalten und passen Beleuchtung, Belüftung oder Klimatisierung automatisch an. Parallel dazu werden die Daten online generiert, visualisiert, analysiert und somit der Betrieb optimiert. Die Benutzer können sich auf das Arbeiten – oder eben Wohnen – konzentrieren. „Das Haus macht faktisch sein Energieaudit selbst“, erklärt Redlein. Das immer wieder vorgebrachte Argument, die neue Generation der Gebäudeleittechnik sei zu teuer, verneint der FM-Experte: „Die Technologie kostet nicht mehr, bietet aber viel mehr Flexibilität.“ Vorsicht sei allerdings in puncto Datensicherheit geboten. „Man sollte genau darauf schauen, wo die Daten gespeichert werden“, rät Redlein.

Genuss für den Nutzer


So sehr Redlein Energieeffizienz und Klimaschutz auch begrüßt, so sehr stört ihn in diesem Zusammenhang die Fixierung darauf. „An die Nutzer denkt oft keiner mehr. Ein thermisch topisoliertes Gebäude bringt aber wenig, wenn die Leute drinnen aus Sauerstoffmangel umfallen“, kritisiert Redlein. Der Gipfel sei, wenn man nur noch die energieeffizienteste Kaffeemaschine benutzen dürfe. „Aber was nutzt das, wenn der Kaffee nicht trinkbar ist.“
Er gehe daher bei seinen Konzepten stets vom Nutzer aus. Natürlich sollte der Energieaufwand reduziert werden, aber nicht zu Lasten der Produktivität der Nutzer. Zuviel Bevormundung unter dem Deckmantel der Energieeinsparung sei ebenfalls kontraproduktiv: „Ich habe dann zwar eine energiesparende Kaffeemaschine. Aber dafür hohe Kosten durch die Fluktuation“, nennt Redlein ein mögliches Beispiel.

Innovative Kältestrahlung

(c) Roland Korner / Close Up AG


Klimaerwärmung und Nachhaltigkeitsdenken finden auch in der Bauwirtschaft ihren Niederschlag. Schon bei der Planung gehe man von einem umfassenden Nachhaltigkeitsbegriff aus, der die gesamte Gebäudestruktur betrachtet, sagt Anton Falkeis von falkeis2architects. „Im Bereich des Tragwerkes definieren wir Nachhaltigkeit über die Adaptabilität des Gebäudes. Über den gesamten Lebenszyklus sollten Gebäude umgenutzt werden können, ohne in die tragenden Strukturen eingreifen zu müssen“, erklärt der Architekt.
In der Energietechnik sollten ausschließlich erneuerbare Energieformen genutzt werden, die Energie lokal produziert und die Eigenversorgung und Energieautonomie maximiert werden. „Besonders in Bürogebäuden sei die Kühlung ein wesentlicher Faktor der Energiebilanz“, weiß der Architekt. Sein Büro habe in den letzten Jahren eine neue Technologie entwickelt, die die Raumluft direkt und auf natürliche Weise auf komfortable Temperaturen kühlt. Mit speziell entwickelten Modulen (Phase Change Material – PCM) werde Kälte gespeichert und zeitversetzt direkt an die Innenräume abgegeben. „Wir nutzen dazu ,Weltraumstrahlung‘ (Kältestrahlung), die wir mittels Climate Wings – für die wir ein Patent haben – in der Nacht in das PCM einlagern und tagsüber an die Räume abgeben. Auch wenn die Nachttemperaturen noch relativ hoch sind, kann wegen der speziellen Beschichtung und dem Strahlungsaustausch viel Kälte gespeichert werden“, erklärt der Architekt. Für die Innenräume wiederum bedeute Nachhaltigkeit beispielsweise eine sorgfältige Materialwahl. Durch die damit verbundene Reduktion von Schadstoffen können – speziell wieder im Bürobereich – Lüftungsraten reduziert werden, weil weniger Schadstoffe kontinuierlich abgelüftet werden müssen.
Es genüge allerdings nicht, lediglich die Planungsprozesse auf Nachhaltigkeit und Klimaerwärmung abzustimmen. „Auf politischer Ebene müssen die entsprechenden Rahmenbedingungen gesetzt werden, um die geplanten Maßnahmen auch im kompletten Umsetzungsprozess greifen zu lassen“, sagt Falkeis. Die Zukunft seien Gebäude, die selbst zum Energieversorger werden. Diese „Active Buildings“, die das Architekturbüro mit dem Active Energy Building in Vaduz erstmals umgesetzt hat, teilen die erwirtschafteten Energieüberschüsse in einem quasi demokratischen Cluster.

Mineralisches Klima


Auch Baustoffe spielen im Hinblick auf das Klima eine wichtige Rolle. Schon ihre Herstellung beeinflusst die CO2-Bilanz, zum anderen tragen sie zum Klima in den Innenräumen bei. „Wichtig ist, dass man möglichst mineralische Baustoffe wählt und auch bei den Farben und Bodenbelägen darauf achtet, dass sie möglichst wenig Chemie enthalten“, sagt Baumit-Geschäftsführer Georg Bursik. Im Idealfall sollten sie auch Zusatzfunktionen bieten. „Kalkputz beispielsweise reduziert gewisse Schadstoffe“, erklärt Bursik.
Angesprochen auf Klimawandel und die Reduktion des CO2-Ausstoßes, tritt er dafür ein, Gebäude mit weniger Technik, dafür mit mehr Hausverstand zu planen und zu bauen. „Nehmen wir die Bürogebäude mit ihren riesigen Glasfassaden: Natürlich brauchen diese Klimaanlagen, sonst hält man es ja drinnen nicht aus“, sagt Bursik. Würde man die Fensterflächen reduzieren und den Maueranteil vergrößern, könnte man mit kleineren Klimaanlagen das Auslangen finden. Oder sogar ganz darauf verzichten. „Vorausgesetzt, man dämmt die Mauern gut. Und sorgt auch noch für Außenbeschattung“, so Bursik.
Potenzial sieht er auch in der Steigerung der Sanierungsrate, die auf unter ein Prozent zurückgefallen sei. Auch in Sachen Wärmeenergie sei noch viel zu holen, besonders im mehrgeschoßigen Wohnbau. „Das gilt besonders für Gebäude aus den 1960er- und 1970er-Jahren“, sagt Bursik. Um die thermischen Sanierungen vor allem dieser Wohnhäuser zu vermehren, sollte allerdings nicht nur an der Förderschraube gedreht werden.

Keine Verbote


Auch eine Änderung des Mietrechts sollte seiner Meinung nach erwogen werden. „Investoren haben beim geltenden Mietrecht keine Chance, die Investitionen zurück zu verdienen.“ Weiters ortet Bursik bei gewerblichen Bauten, etwa Fachmarktzentren, großes Sanierungspotenzial. „Beim Neubau hingegen sorgen bereits gute Vorschriften dafür, dass möglichst wenig Energie aufgewendet werden muss“, weiß der Baumit-Chef. Dem Verbot von Ölheizungen in Neubauten, wie es ab 2019 in Niederösterreich gilt, steht er allerdings kritisch gegenüber. „Ich bin für die Dekarbonisierung, aber von solchen Verboten halte ich nicht viel, wenn man bedenkt, dass man immer noch mit Autos fahren darf, die 25 Liter Diesel schlucken“.

Anton Falkeis & und Cornelia Falkeis-Senn

... betreiben die Büros falkeis.architects_vienna, falkeis.architects_vaduz und das Labor für Gebäudeinnovation falkeis²architects.building innovation lab. Ihr Werk wurde bei den Biennalen von Venedig, New York und Wien präsentiert.

Georg Bursik

Geschäftsführer von Baumit International, der Dachmarke der österreichischen Baustoffhersteller Wietersdorfer und Wopfinger Baustoffindustrie mit Standorten in Wietersdorf, Wopfing, Bad Ischl, Peggau und Leoben. Baumit ist Marktführer im Bereich Putz- und Kalkprodukte in Österreich.

Alexander Redlein

... ist Professor für Facility-Management, Vorstand des Zentrums für Informations- und Facility Management (IFM). Das IFM nimmt eine Vorreiterrolle im Bereich der wissenschaftlichen Betrachtung von FM ein und führt Forschungsprojekte unter anderem mit den Universitäten Groningen und Budapest aus.

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