Zinsmarkt: "Wie ein Blick in die Glaskugel"

Steigen die Zinsen? Und wenn ja, wann? Über deren mittelfristige Entwicklung gehen die Meinungen in der Branche auseinander – und ebenso über die möglichen Auswirkungen auf den Immobilienmarkt. Ein Überblick.

In den USA wurde sie bereits eingeleitet, in Europa könnte sie in nicht allzu langer Zeit zur Realität werden. Die Rede ist von der Zinswende – und damit vom Ende der jahrelangen Periode ultraniedriger Zinsen. Während die US-Notenbank Fed kürzlich verkündete, dass heuer drei Zinserhöhungen erfolgen könnten, glauben viele Experten, dass sich die EZB mit einer Anhebung noch eine gute Weile Zeit lassen wird. Solang die Inflation kein Problem darstelle, gebe es keinen Anlass mit einer Zinserhöhung gegenzusteuern, so der Grundtenor.

„Die Frage, wann die Zinsen in Europa tatsächlich steigen werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt mit einem Blick in die Glaskugel gleichzusetzen“, sagt Hans Volkert Volckens, CFO der CA Immo. Dennoch müssten sich Immobilienentwicklungsgesellschaften im Rahmen ihrer Risikoabschätzung damit auseinandersetzen. Bei der CA Immo sei man jedenfalls der Meinung, dass man den Tiefpunkt des Zinsniveaus in der zweiten Jahreshälfte 2017 gesehen habe. Nachsatz: „Niedriger werden die Zinsen im aktuellen Zyklus nicht mehr ausfallen, die Chance auf eine Anhebung besteht auf mittlere Sicht.“

Langfristige Absicherung

„Zu der Frage, ob eine Zinserhöhung eine Gefahr für die laufende Konjunkturerholung darstellen würde oder nicht, gibt es viele verschiedene Meinungen“, sagt Christoph Salzer, Geschäftsführer Frankreich, Deutschland und Rumänien beim heimischen Hotelentwickler Warimpex. Tatsache sei jedenfalls, dass dies auch zu einer Verlangsamung des Wirtschaftskreislaufs führen könnte, was Auswirkungen auf alle Branchen hätte – auch auf die Immobilienwirtschaft. In diesem Fall könnte für eine gewisse Zeit auch die Entwicklungs- bzw. Investitionstätigkeit zurückgehen.

Ein Blick auf die Entwicklungspipelines der heimischen börsenotierten Immobilienfirmen, die vor allem in Deutschland und in der CEE-Region stark aufgestellt sind, bietet jedenfalls keinen Anlass zur Beunruhigung. Sie können insgesamt als gut gefüllt umschrieben werden.

„Da sich die Immobiliengesellschaften – konkret Bestandshalter – das niedrige Zinsniveau zumeist zu einem großen Teil gesichert haben, würden sie steigende Zinsen, was die Finanzierungskosten betrifft, nicht unmittelbar in Schwierigkeiten bringen“, glaubt Martin Rupp, Fondsmanager bei der 3-Banken-Generali Invest. Druck würde vielmehr von der Bewertungsseite kommen.

Der Hauptgrund, warum die Immobilienpreise fallen, wenn die Zinsen steigen, ist laut dem Experten folgender: Viele Marktteilnehmer fragen aktuell nur mehr nach, weil Finanzierungen so günstig sind. „Mit steigenden Zinskosten würde mit Sicherheit sehr viel Nachfrage wegfallen“, so Rupp. Salcher glaubt wiederum, dass gute Projekte auch um ein bis zwei Prozent höhere Finanzierungskosten vertragen würden. „Generell kann man sagen, dass man bei der Aussicht auf steigende Zinsen möglichst frühzeitig eine Sicherung der Fremdfinanzierungsseite vornehmen sollte“, so Volckens.

Genau das hat man bei der CA Immo auch gemacht. Für die Bestandsimmobilien sowie die Entwicklungspipeline, die in den Bestand bzw. die Bilanz übergehen soll, wurden alle Finanzierungen langfristig – für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren – gesichert. Bei laufenden Wohn-Projektentwicklungen, die in den nächsten ein, zwei Jahren verkauft werden sollen, wurden dagegen keine langfristigen Absicherungen vorgenommen. „Auch bei der Warimpex wurden Finanzierungen zu einem sehr großen Teil langfristig abgesichert“, wie Salzer bestätigt.

Entscheidend: Eigenkapital

Von den Folgen einer Zinsanhebung stärker betroffen wären vor allem Immobiliengesellschaften mit hohem Anteil an Fremdfinanzierungen. Auf Branchenplayer mit einem vergleichsweise niedrigen Loan-to-Value-Verhältnis (Beleihungswert der Immobilien) trifft das dagegen in geringerem Ausmaß zu. Das Gleiche gilt auch für Unternehmen mit einem ausreichend großen Eigenkapitalanteil.

An der Börse war seit dem Jahresbeginn eine Rückkehr der Zinsdiskussion zu erleben. Seitdem verzeichnen vor allem Immobilienaktien, die zu den zinssensiblen Werten gehören, Kursverluste bzw. sind mit verstärkter Volatilität konfrontiert. In den Jahren davor zählten Immobilienwerte dagegen zu den stärksten Performern. „Wir erwarten, dass sich Aktionäre selektiver anschauen werden, welche Immobilien-AGs ihre Finanzierungshausaufgaben gemacht haben und welche Finanzierungshebel vorliegen“, so Volckens. Anlegern empfiehlt er einen verstärkten Fokus auf die Qualität des Portfolios, die Finanzierungsstruktur und auch auf die Höhe der Eigenkapitalquote.

AUF EINEN BLICK

Eine Zinserhöhung könnte zu einer verminderten Entwicklungs- und Investitionstätigkeit in der Immobilienbranche führen – wie stark diese ausfällt, wird derzeit diskutiert. Mit steigenden Zinskosten würde jedenfalls sehr viel an jener Nachfrage wegfallen, die nur deswegen besteht, weil die Zinsen so niedrig sind. Gute Projekte würden aber auch um ein bis zwei Prozent höhere Finanzierungskosten vertragen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2018)

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