Rechenzentren: Gebäude für Bits und Bytes

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Nach den Logistikimmobilien stehen die nächsten Nischenprodukte vor einem Siegeszug in die Investmentwelt. Die Nachfrage wächst jedenfalls beträchtlich.

Es ist schon unglaublich, mit welcher Geschwindigkeit neue Assetklassen für Investoren auftauchen. Waren Logistikimmobilen noch vor wenigen Jahren nur Insidern ein Investment wert, so haben sie sich mittlerweile gut etabliert, wie Rolf Zarnekow, Head of Real Estate Investment bei Aquila Capitale, erklärt: „Auf dem institutionellen Markt wurden Logistikimmobilien vor zehn Jahren noch stiefmütterlich behandelt, aber sie haben sich mittlerweile zu einer Top-Assetklasse entwickelt.“

Um das Jahr 2013 begann der Boom – und Logistikimmobilien belegen nach knapp fünf Jahren auf dem deutschen Investmentmarkt den dritten Rang. Derzeit steht bereits das nächste Nischenprodukt in den Startlöchern. Und wieder ist es die Technik, die das ermöglicht.

Schnell wachsender Markt

Rechenzentren entwickeln sich derzeit vom Spezialprodukt zu einer Assetklasse für institutionelle Immobilieninvestoren. Die Gebäude bzw. die Räumlichkeiten, in denen die zentrale Technik, wie zum Beispiel Rechner, aber auch die zum Betrieb notwendige Infrastruktur einer oder mehrerer Firmen untergebracht ist, zählen zu den wichtigsten Assets eines Unternehmens. Weniger die Gebäude selbst, sondern deren Inhalt. Die Nachfrage nach Bits und Bytes ist unglaublich. Der Immobiliendienstleister CBRE schätzt, dass im vergangenen Jahr 119 Megawatt Leistung nachgefragt wurden. Gegenüber 2015 hat sich der Markt in den beiden Folgejahren verdoppelt. Für Investoren eigentlich das ideale Investitionsobjekt: Immobilien, die dringend benötigt werden – und für die auch ein großes Fachwissen notwendig ist.

„Derzeit handelt es sich beim Großteil der Käufer von Rechenzentren um spezialisierte Real Estate Investment Trusts“, erklärt Marcus Lemli, CEO Germany und Head of Investment Europe bei Savills. Als Beispiele nennt er die US-amerikanischen Trusts Equinix Reit und Digital Reality sowie den asiatischen Keppel DC Reit. Es ist allerdings zu erwarten, dass sich die Assetklasse auch aufseiten nicht spezialisierter Anleger in den kommenden Jahren etablieren wird. Die Investorennachfrage wächst, das weltweite Transaktionsvolumen für Rechenzentren war 2017 mit 25 Milliarden US-Dollar dreimal so stark wie 2016. In Europa waren es bisher lediglich 450 Millionen Euro. Mit dem deutlich gestiegenen Transaktionsvolumen sind allerdings die Anfangsrenditen in vergangener Zeit auf fünf bis sieben Prozent gefallen. „Diese Entwicklung wird sich in den kommenden Monaten und Jahren fortsetzen“, sagt Lemli.

Domäne nordischer Staaten

Mit dem Siegeszug der Digitalisierung in Form von Industrie 4.0 und Internet of Things sowie dem damit verknüpften Umzug von Unternehmen unterschiedlichster Wirtschaftszweige in die Cloud wird sich der Markt in den kommenden Jahren voraussichtlich schlagartig erweitern. Die Nachfrage nach Cloud-Computing-Lösungen wächst – und mit ihr der Bedarf an großen Hyperscale-Rechenzentren. Nach Berechnungen des IT-Konzerns Cisco wird sich der Datenverkehr in derartigen Serverstädten in den kommenden fünf Jahren verfünffachen.

Laut Savills Rechenzentren-Investment-Index sind es vor allem die nordischen Staaten, die im europäischen Vergleich bei der Entwicklung von Rechenzentren die Nase vorn haben werden. „Die neuen Rechenzentren werden zunehmend in suburbanen oder ländlichen Regionen von Staaten gebaut, die ideale Voraussetzungen in der natürlichen Umgebung, der Sicherheitslage sowie der Stromversorgung und Netzanbindung bieten“, sagt Lydia Brissy, Director Research Savills Europe.

Die vorderen fünf Ränge im Index belegen Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark sowie die Niederlande. Österreich befindet sich an achter Stelle. „Während die nordischen Länder die erste Wahl für Anlagen mit über 50.000 Quadratmetern sein werden, wird der Bedarf an kleineren, dezentralen Rechenzentren vor allem in Deutschland und Kontinentaleuropa zunehmen“, ist Brissy überzeugt.

Was die Rechenzentren für Investoren besonders interessant macht, sind „die typischen Mietvertragslängen von zehn Jahren und mehr sowie eine steigende Bereitschaft der Rechenzentrenbetreiber für Sale-and-Leasebacks“, sagt Lemli. Übrigens ist die lange Vertragslaufzeit das gleiche Argument, das für Zarnekow auch den besonderen Wert der Logistikimmobilie ausmacht: „Man kann in der Regel Verträge über zehn bis 15 Jahre abschließen.“

Auf einen Blick

Neue Assetklasse. Rechenzentren für Unternehmen gewinnen an Bedeutung: Experten rechnen damit, dass sich innerhalb von fünf Jahren der Datenverkehr in Serverstädten verfünffachen wird. Gebäude, die sich dafür eignen – wobei es nicht nur auf die Ausstattung, sondern auch auf Sicherheitslage, Stromversorgung und Netzanbindung ankommt –, rücken in den Blickpunkt von Investoren. Es gibt sogar bereits einen speziellen Rechenzentren-Investment-Index, Österreich belegt darin Rang acht. Für Vermieter sind solche Nutzungen auch wegen der meist langfristigen Mietverträge attraktiv.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2018)

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