Einkaufszentren: "Bestand muss attraktiver werden"

Schwere Zeiten für Einkaufszentren: 2017 eröffnetes Zentrum am Rochusmarkt im dritten Wiener Bezirk.
Schwere Zeiten für Einkaufszentren: 2017 eröffnetes Zentrum am Rochusmarkt im dritten Wiener Bezirk. (c) LUKAS SCHALLER/ Bengt Stiller
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In Westeuropa stehen sie unter Druck, Hoffnungsmärkte gibt es im Osten.

Schuld ist vor allem der Onlinehandel, er macht beispielsweise in Österreich laut dem Wiener Consulter RegioPlan bereits zwölf Prozent des Einzelhandels aus. Die Shoppingmallbetreiber zwingt das zum Gegensteuern: Die Leerstandsraten steigen dort ebenso wie die Zahl der Mieterwechsel.

„Neue Standorte wird es in naher Zukunft kaum geben, die bestehenden werden um eine Attraktivierung nicht herumkommen“, sagt Joachim Will, Geschäftsführer des deutschen Marktforschers Ecostra. 97Shoppingcenter mit einer Größe von mehr als 10.000 Quadratmetern gibt es in Österreich, damit „scheint der Markt gesättigt, ähnlich wie in Deutschland“. Mit 36 Quadratmetern Shoppingcenterverkaufsfläche pro 100 Einwohner laut RegioData-Zählung nimmt Österreich einen Platz in den Top drei Europas ein, was die Dichte an Einkaufszentren betrifft. „Viele Retailer schließen eher Filialen, statt zu expandieren“, sagt RegioPlan-Geschäftsführer Wolfgang Richter. Zudem seien Shoppingmalls aufgrund niedriger Renditen und hohen Risikos für Investoren uninteressant geworden. Auch in den skandinavischen Ländern, Großbritannien oder Luxemburg stagnierte der Markt auf hohem Niveau. „Einige Standorte entstehen neu, dafür fallen andere dem Verdrängungseffekt zum Opfer“, sagt Will.

"Es geht ums Erlebnis"

Größte Überlebenschancen haben hier wie dort Zentren in Regionen mit hoher Kaufkraft, die verkehrstechnisch gut erreichbar sind und über einen guten Branchenmix verfügen, sagt Marcus Wild, CEO von SES Spar European Shopping Centers, einem Betreiber von rund 30 Einkaufszentren, unter anderem in Österreich, Tschechien, Ungarn oder der Slowakei. Ein gutes Shop-Konzept biete die Chance zur Abgrenzung gegenüber der Konkurrenz, auch die Aufenthaltsqualität sei ein wichtiger Faktor. „Das Einkaufen allein ist nicht mehr die Hauptattraktion, das könnte man auch online von zu Hause aus“, pflichtet Joachim Will bei. „Es geht um das Erlebnis.“ Nicht zuletzt deshalb mieten immer mehr Betreiber neben den Shops auch Dienstleistungsangebote in ihren Malls ein, vorzugsweise aus der Gastronomie.
Österreichs Shoppingcenter profitieren aber auch von Kunden aus dem Ausland. „In der Schweiz ist der Bestand an Malls völlig überaltert, sieht man von der neu eröffneten Mall of Switzerland bei Luzern ab. Deshalb und weil der Franken so stark ist, kaufen die Schweizer lieber jenseits der Grenze“, sagt Will. In Italien haben die Betreiber ein anderes Problem: Die gesetzlichen Auflagen machen es schwer, an Genehmigungen zu kommen, weshalb es dort nur wenige Einkaufszentren gibt. In Frankreich wiederum leben die Shoppingmalls von den eingemieteten Hypermärkten, die von Lebensmitteln über Textilien bis hin zu Schreibwaren alles verkaufen und sich in dieser Form in anderen Ländern nie etablieren konnten.

Während also im Großteil Westeuropas der Plafond erreicht scheint, gelten Ost- und Südosteuropa als Hoffnungsmärkte. „Dort haben Malls eine viel größere Bedeutung, weil es in den Zentren der großen Städte keine historische Geschäftsstraßenentwicklung wie bei uns gibt“, sagt Will. „In Prag oder Budapest haben sich erst in den vergangenen zehn Jahren Topmarken in Fußgängerzonen niedergelassen.“ In mittelgroßen und kleineren Städten sei dieser Wandel noch immer nicht vollzogen. „Im polnischen Krakau etwa spielt sich nach wie vor alles in der Galeria Krakowski am Stadtrand ab.“

Fünf russische Malls in Top Ten

Marcus Wild nennt Slowenien als herausragendes Expansionsziel für den Einzelhandel: Internationale Ketten seien selbst in den großen Einkaufszentren nur spärlich vertreten, es finden sich viele lokale Label. Das mache den Markt für kleinere Marken lukrativ.
Auf den ersten Blick überraschend: Unter den Top Ten der größten Einkaufszentren Europas finden sich gleich fünf Malls in Russland, angeführt vom 2014 eröffneten Awia-Park nahe dem Moskauer Flughafen mit 400.000 Quadratmetern und einem mehrstöckigen Aquarium als Blickfang. „Die Riesenauswahl in russischen Malls ist, als Folge der jahrzehntelangen Mangelwirtschaft, ein großer Attraktivitätsfaktor und lässt sich den Kunden im Paradies wähnen“, verrät Joachim Will das Erfolgsgeheimnis. Auf lange Sicht werde sich das mangelhafte Konzept, das sich in der gefängnisartigen Architektur der überdimensionalen Blockbauten widerspiegelt, jedoch rächen – wie im weltgrößten Einkaufscenter, der 900.000 Quadratmeter großen South China Mall in Dongguan: Zeitweise stehen dort bis zu 90 Prozent der 2350 Shops leer.

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