Zinshausmarkt: Wiener Gold steigt im Kurs

Fabry
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Rund 100 Jahre nach dem Ende der Gründerzeit steht das Wiener Zinshaus wieder im Fokus. Transaktionsrekorde, Preissteigerungen und Investoreninteressen prägen einen hochlebendigen Markt.

In den späten 1840er-Jahren wurden die ersten Zinshäuser in Wien gebaut. Etwa 500.000 Menschen zählte Wien damals, mehr als zwei Millionen waren es beim historischen Höchststand im Jahr 1910. Die von Industrialisierung und Landflucht ausgelöste Bevölkerungsexplosion war ein Grund für eine beispiellose Entwicklung in der Geschichte des Wiener Wohnbaus, das Aufbrechen der traditionellen sozialen Bindungen in den Großfamilien und zwischen Arbeitgebern und Angestellten der andere. Überdauert haben neben manch altem Konfliktstoff vor allem die bis 1918 entstandenen Bauten: 2018 gibt es rund 14.000 klassische Gründerzeit-Zinshäuser in Wien, vor zehn Jahren waren es noch mehr als 15.500.

Zinshausmarkt als Wirtschaftsturbo

Der Wiener Zinshausmarkt hat sich in den vergangenen zehn Jahren zu einem wichtigen Wirtschaftsmotor für den heimischen Immobilienmarkt entwickelt. Das geht aus dem jüngsten Wiener Zinshaus-Marktbericht von Otto Immobilien hervor. Demnach haben sich die Durchschnittspreise für Investitionen in das „Wiener Gold“ mehr als verdoppelt, von 1244 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2008 auf 2890 Euro im Jahr 2018. „Von 2008 bis 2014 war die Steigerung der Preise noch moderat, ab 2015 jedoch erhöhten sich die Einstiegs- und Maximalpreise deutlich. Auch der Durchschnittspreis legte ab diesem Zeitpunkt stärker zu als in den Jahren davor“, erläutert Richard Buxbaum, Leiter der Abteilung für Wohnimmobilien und Zinshäuser. Die Renditen sind im selben Zeitraum von 4,7 Prozent im Jahr 2008 auf 2,6 Prozent im heurigen Jahr gesunken.

Verschiebung gab es jedoch auch in der Eigentümerstruktur. Hielten 2008 private Zinshauseigentümer noch einen Anteil von 67 Prozent, so ist dieser mittlerweile auf 61 Prozent gesunken. Dafür treten Unternehmer immer stärker als Eigentümer auf den Plan. 27 Prozent waren es 2018, gegenüber 22 Prozent zehn Jahre zuvor. „Die gewerblichen Käufer von Zinshäusern werden mehr, da für private Eigentümer der Betrieb und die Instandhaltung eines alten Hauses immer aufwendiger und weniger planbar wird“, sagt Thomas Gruber, Teamleiter Zinshäuser bei Otto Immobilien. Ursachen dafür seien neben der vorgezogenen Genehmigungspflicht für Zinshausabbrüche unter anderem die Unsicherheit um den Lagezuschlag.

Lukrativ verwertet

Das Interesse von Investoren an Wiener Zinshäusern steigt beständig: Im ersten Halbjahr 2018 wurde mit 697 Millionen Euro das mit Abstand höchste Transaktionsvolumen seit zehn Jahren erzielt. „Wir gehen derzeit davon aus, dass sich das Jahr 2018 sogar noch stärker als das Rekordjahr 2015 entwickeln und die Milliardengrenze zum vierten Mal in Folge erreicht wird“, so Unternehmenschef Eugen Otto.

„Viele Investoren kaufen Zinshäuser, um sie zu parifizieren und die so geschaffenen Eigentumswohnungen einzeln zu verkaufen“, bemerkt Gerhard Hudej von Hudej Zinshäuser. Ihnen kommt eine Preisspirale zugute, die sich weiter nach oben dreht: Während die Richtwerte bei der Vermietung der Wohnungen reguliert sind, gibt es beim Verkauf freie Preisgestaltung. Viele Investoren sehen daher im Parifizieren und Abverkaufen die bessere Möglichkeit, ein Zinshaus zu verwerten, als im Halten und Vermieten. „Die Entscheidung über den Zinshauskauf hängt dabei stark davon ab, welche zukünftige Nutzung bzw. Verwertung dem Investor vorschwebt“, so Hudej.

Besonders gefragt seien klassische, entwickelte Renditeobjekte in Toplagen, sagt Markus Arnold von Arnold Immobilien und liefert ein Beispiel: „Im siebten Wiener Bezirk haben wir 2017 das teuerste Wohnhaus um 6500 Euro pro Quadratmeter verkauft. Diesen Preis konnten wir erzielen, obwohl das Haus noch nicht saniert und der Dachstuhl noch nicht ausgebaut ist.“ Als Käufer zeigen sich laut Arnold seit 2017 auch wieder internationale Investoren interessiert.

Hudej bestätigt das: Mit der Eröffnung einer Niederlassung in Zürich betrat Hudej Zinshäuser im Vorjahr als erster österreichischer Zinshausvermarkter den Schweizer Markt. „Es gibt viele Privatpersonen und Family Offices in der Schweiz, die für ihr Vermögen hohe Sicherheit suchen, kombiniert mit vernünftigem Ertrag. Das österreichische Zinshaus erfüllt diesen Bedarf wie kaum eine andere Wertanlage.“ Neben Privatpersonen und Family Offices hat das Unternehmen auch von Schweizer Vermögensverwaltern beratene internationale Investoren als Zielgruppe im Blick. Für österreichische Zinshauseigentümer vergrößert sich damit der Kreis potenzieller Käufer.

DIE BEZIRKE IM DETAIL

14.071 klassische Gründerzeit-Zinshäuser zählt der Otto-Marktbericht in Wien – um 1457 weniger als 2008. Ein Teil davon wurde abgebrochen oder umgenutzt, einige wurden auch bei der Datenbereinigung als doppelt gezählte Eckhäuser enttarnt. Am meisten Zinshäuser – 1231 – stehen in Ottakring, gefolgt von Rudolfsheim-Fünfhaus (1050), Landstraße (1010), Währing (953) und Hernals (913). Schlusslicht ist Liesing mit 87 Zinshäusern, die Donaustadt weist 97 und Simmering 114 auf. Im ersten Bezirk stehen 582 Zinshäuser. Insgesamt fanden im ersten Halbjahr 2018 248 Transaktionen statt, am meisten (229 Mio. Euro) Volumen wurde dabei in der Region 5 (3., 4. und 5. Bezirk) umgesetzt. www.otto.at/zinshauser

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