Europa: Die Investoren orientieren sich um

Dublins Wohnungsmarkt könnte durch den Umzug britischer Banker profitieren.
Dublins Wohnungsmarkt könnte durch den Umzug britischer Banker profitieren.APA/AFP
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Die Wohnimmobilienmärkte bewegen sich auseinander. In Frankfurt, Dublin und Lissabon bieten sich laut aktuellen Studien die besten Chancen. Gefragt sind Spezialsegmente wie Studenten- oder Seniorenwohnen.

Ein Jahrzehnt nach der globalen Finanzkrise haben sich die Preise auf den europäischen Immobilienmärkten wieder erholt. Während die meisten Top-Städte ihre nationalen Wohnungsmärkte übertrafen, einige Länder sogar von der Finanzkrise weitgehend verschont geblieben sind (wie zum Beispiel Österreich und Deutschland), liegen in vielen Ländern Europas die Durchschnittspreise aber noch unter ihrem Vorkrisenniveau, was insbesondere auf Spanien, Italien und Irland zutrifft. Verlangsamt hat sich auch die Geschwindigkeit, mit der neue Immobilien fertiggestellt werden. Während in Spanien im Jahr 2006 mehr als 735.000 Häuser gebaut wurden, ist die Zahl ein Jahrzehnt später auf 55.000 gesunken. Trotz staatlicher Anreize, mehr zu bauen, wie in Großbritannien, Deutschland oder Irland, bleiben die Fertigstellungen hinter den Zielvorgaben zurück und halten nicht mit dem Wachstum der Haushalte Schritt.

Standorte mit Potenzial

Nach den deutlichen Steigerungsraten in den letzten Jahren scheint sich die Preisentwicklung in einzelnen Wohnungsmärkten je nach Reife des Marktes abzuschwächen. Während laut Erhebungen von Knight Frank einige europäische Städte wie beispielsweise Edinburgh und Madrid zwischen dem dritten Quartal 2017 und Quartal 3 2018 mit einem Wachstum von rund zehn Prozent eine starke Performance verzeichneten, und Städte wie Paris und Berlin konstant zwischen fünf und sechs Prozent wachsen, verharrten Dublin und London mit minus 1,7 beziehungsweise minus 2,9 Prozent in diesem Betrachtungszeitraum im negativen Terrain. Auch in Frankfurt und Wien stiegen die Preise für Luxusimmobilien lediglich um 0,9 beziehungsweise 0,7 Prozent – und damit deutlich unter dem von Knight Frank errechneten durchschnittlichen Preiswachstum für globale Top-Immobilien von 2,7 Prozent. „Insgesamt wuchsen die Hauspreise in Europa seit dem Tiefststand im vierten Quartal 2009 mit einer durchschnittlichen Rate von 5,3 Prozent pro Jahr“, sagt Liam Baily, Global Head of Research bei Knight Frank. „Da Frankfurt und Dublin zu den Städten gehören, die vom geplanten Brexit überdurchschnittlich profitieren dürften, ist anzunehmen, dass in diesen Städten auch die Nachfrage nach Wohnimmobilien entsprechend steigen wird“, erklärt Fleur Hicks, Managing Director of onefourzero. Frankfurt gehört zu den Städten in Deutschland mit dem dynamischsten Bevölkerungswachstum. Als internationaler Finanzplatz, Verkehrs- und Logistikdrehscheibe und Sitz vieler Institutionen ist die Metropolregion nicht nur attraktiv für Talente aus aller Welt, sondern auch für renditehungrige Investoren. Mit einer der niedrigsten Wohneigentumsquoten (23 Prozent) in Europa und dem sich ändernden Wohn- und Pendlerprofil hat die Stadt auch als Wohnstandort ein hohes Potenzial.

Dublin, Lissabon im Aufwind

Auch Dublin eröffnet Wohnimmobilien-Investoren große Chancen. Die irische Wirtschaft wuchs im Jahr 2017 um 7,3 Prozent und war damit im vierten Jahr in Folge die am schnellsten wachsende Wirtschaft in Europa. Positive demografische Indikatoren unterstützen diese Entwicklung. Im Gegensatz zu anderen Städten, die mit einer alternden Bevölkerung zu kämpfen haben, wird die Bevölkerung Dublins im Alter von 20 bis 34 Jahren im Laufe des nächsten Jahrzehnts voraussichtlich um 17 Prozent steigen. Dadurch dürfte auch die Nachfrage nach Wohnraum anziehen. Da im Zuge des Brexits sich auch viele Banker in Dublin niederlassen werden, dürften zudem vermehrt Luxus-Neubauten entstehen. Zu den bevorzugten Gebieten zählen Smithfield in Dublin 7, Dublin 6W und Harold's Cross. In Dublin sind die Hauspreise in den vergangenen fünf Jahren um durchschnittlich 5,5 Prozent gestiegen. Ähnlich wie in Madrid und Barcelona, wo sich die gestiegenen wirtschaftlichen Aktivitäten auch auf dem Wohnungsmarkt niederschlugen, dürfte Lissabon von den verbesserten Konjunkturaussichten des Landes und den gestiegenen Touristenzahlen profitieren. Zudem sind die Wohnungspreise im europäischen Vergleich noch günstig: Von 2013 bis 2018 sind die Hauspreise hier im Gegensatz etwa zu Madrid (5,5 Prozent) lediglich um 1,6 Prozent gestiegen. Laut Knight Frank zählen Liberdade, Principe Real und das trendige Chiado zu den wichtigsten und von Investoren bevorzugten Innenstadtgebieten.

Angepasstes Risikoprofil

Als Reaktion auf die überdurchschnittlichen Preissteigerungen in vielen europäischen Städten dürften Anleger ihr Risikoprofil an die veränderten Marktbedingungen anpassen. Vor allen Investoren, die höhere Renditen anstreben, werden sich entweder auf aufstrebende Wohninvestmentmärkte in Süd- oder Osteuropa ausrichten oder ihr Anlageprofil von etablierten Märkten um Spezialmärkte wie Senioren- oder Studentenwohnungen verbreitern, erwarten die Experten.

AUF EINEN BLICK

Nachdem die Wohnungsmärkte in den klassischen europäischen Metropolen bereits als ausgereizt gelten, konzentrieren sich Investoren zunehmend auf andere Städte. Dank Brexit gute Aussichten konzedieren Beratungsagenturen Frankfurt und Dublin, Lissabon könnte von den guten Konjunkturaussichten und steigenden Touristenzahlen profitieren. Einiges Potenzial haben aber auch noch Spezialsegmente wie Senioren- oder Studentenwohnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2019)

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