Digitalisierung: Virtuell besichtigen, online bewerten, per App betreten

Wohnungsbesichtigung mit digitalem Zutrittssystem von Frimmo.
Wohnungsbesichtigung mit digitalem Zutrittssystem von Frimmo.(C) Frimmo.at
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Es gibt kaum mehr einen Bereich in der Immobilienwirtschaft, der von digitalen Technologien nicht erobert worden ist.

Die Älteren werden sich vielleicht noch erinnern: Einst begann die Suche nach einer Immobilie damit, dass man sich den „Bazar“ oder ein ähnliches Druckerzeugnis kaufte, darin die infrage kommenden Objekte ankreuzte und eilig die darunterstehende Telefonnummer anrief. Seitdem hat sich der Markt radikal verändert.

Heute wissen die Immobiliensuchenden meist vor dem ersten Anruf, ob die Fliesenfarbe im Bad zu den eigenen Handtüchern passt oder der Grundriss zur geplanten WG, und die Makler ersparen sich unnötige Besichtigungen mit genervten Wohnungssuchenden. Und diejenigen, die eine Wohnung haben, fürchten sich nicht mehr vor dem Gespräch mit dem Drachen von der Hausverwaltung, sondern lassen sie einfach per App wissen, wenn der Lift wieder einmal nicht funktioniert. Von den nicht enden wollenden Varianten der Proptech-Branche, die virtuelle Besichtigungen noch lang nicht erbauter Häuser möglich machen, bis zur virtuellen Hausverwaltung reichen die digitalen Möglichkeiten.

Aussuchen, bewerten, bieten

Ein Beispiel dafür ist „Dave“ – kurz für Digitales Angebotsverfahren – das das Maklernetzwerk Re/Max im vergangenen Herbst gelauncht hat und das mit Ende April bereits auf über 200 vermittelte Immobilien in Österreich verweisen konnte. Das System funktioniert grob gesagt wie eine Art eBay für Immobilien, in dem Kaufinteressenten per App oder Web ihre Angebote für das Haus oder die Wohnung ihrer Begierde abgeben können. „Es wird dabei klar kommuniziert, wie viele Interessenten teilnehmen – natürlich anonym – und welche davon ein Angebot abgeben. Ebenso wird man darüber informiert, ob man gerade der Höchstbietende ist“, erklärt Re/Max-Austria-Geschäftsführer Bernhard Reikersdorfer die Modalitäten. Die abgegebenen Angebote müssen per SMS-TAN bestätigt werden, was zusätzlich zur Sicherheit beiträgt. Reikersdorfer verweist auf insgesamt 600 Online-Angebote innerhalb von sechs Monaten und auf vermittelte Objekte bis zu einer Kaufsumme von 580.000 Euro. Die Vorteile liegen für den Geschäftsführer dabei nicht nur in der Summe potenzieller Angebote, sondern auch in der Transparenz, mit der sich ein Bieter ein Bild über den Wert eines Objekts machen kann.

Auch die Wertermittlung des eigenen Hauses lässt sich inzwischen online bewerkstelligen. Ein Tool dafür wurde kürzlich von Raiffeisen-Immobilien gelauncht, auf der Website www.allesmakler.at können potenzielle Verkäufer den Marktwert ihrer Immobilie ermitteln, einen Makler mit der Vermittlung beauftragen und diesem dabei virtuell bei der Arbeit zuschauen. „Alles Makler fungiert als Schnittstelle zwischen der digitalen Welt und dem vielfach analogen Maklerservice“, erklärt Michael Mack, Mitglied der Geschäftsführung von Raiffeisen Immobilien Niederösterreich/Wien/Burgenland, wobei die Daten für die Preiseinschätzung aus der Raiffeisen-eigenen Datenbank stammen, in die jährlich 3500 bis 4000 Immobilienbewertungen des Unternehmens eingepflegt werden.

Betreten und besichtigen

Ist das Interesse an einer Immobilie einmal geweckt, steht aber auch in digitalen Zeiten nach wie vor eine ganz analoge Besichtigung auf dem Plan. Ein Unterfangen, für das ebenfalls jüngst neue digitale Unterstützung durch ein heimisches Unternehmen auf den Markt gebracht wurde: Im April startete Frimmo mit einem neuen digitalen Zutrittssystem, das Interessenten den Zugang zum Objekt jederzeit und auch ohne Anwesenheit des Besitzers oder Maklers ermöglicht. Wer vom Makler oder Eigentümer dazu autorisiert wird, bekommt einen digitalen Schlüssel auf sein Smartphone zugeschickt und kann damit die Immobilie betreten. Was vielleicht nicht immer beim ersten Termin ein Thema ist – schließlich will man nachvollziehbarerweise wissen, mit wem man es zu tun hat. Bei echtem Kauf- oder Mietinteresse später aber sehr wohl, wie Frimmo-Firmengründer Patrick Schmidt erklärt: „Eine Testphase Ende 2018 hat ergeben, dass alle Interessenten, die am Ende eine Wohnung gekauft haben, das Objekt zumindest ein zweites Mal allein in Ruhe besucht haben“, berichtet der Prop-Tech-Entrepreneur. Und zwar ganz physisch, nicht virtuell. (sma)

AUF EINEN BLICK

Drei Beispiele digitaler Tools, die jüngst gelauncht wurden:

• Dave: Eine Art eBay für Immobilien von Re/Max, bei dem Interessenten ihre Gebote für Miet- oder Kaufobjekte übers Internet abgeben können.

• allesmakler.at: Online-Tool für die Bewertung der eigenen Immobilie von Raiffeisen Immobilien.

• Frimmo: Zutrittssystem per Smartphone, mit dem Wohnungen ohne Beisein eines Maklers besichtigt werden können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2019)

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