„Originales und Originelles“

Peter Nowak in seinem Revier: die historischen Standln des Naschmarkts.
Peter Nowak in seinem Revier: die historischen Standln des Naschmarkts.(c) Privat
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Grätzeltour um den Naschmarkt. Hundert Jahre alte Szenerie, rundumerneuert und in einer Phase starken Wandels. Ein Genussspaziergänger über Stände, Substanzen und Sanierungen.

Peter Nowak kam aus Salzburg nach Wien, als die Stadt noch ziemlich grau war. 1992 siedelte er sich im sechsten Bezirk an und verbrachte viel Zeit auf dem nahen Naschmarktgelände, das noch ganz von Obst, Gemüse und Fleischwaren und nicht so sehr von Lokalen bestimmt war – „die Eiserne Zeit war eines der wenigen Wirtshäuser damals“, erzählt Nowak, der Wienern und Wien-Besuchern diesen architektonischen und küchenkulturellen Kleinstkosmos auf „Genussspaziergängen“ erschließt. Und es gab damals auch noch die eine oder andere Fratschlerin, die ihre Ware lautstark anbot – „manchmal mit beidseitig geschliffener Zunge“, so Nowak.

Hundert Jahre alt ist der Naschmarkt in seiner heutigen, vom Wiener Stadtbauamt geplanten Form. „1916 ist das Marktamt zumindest fertiggestellt worden. Aber der Markt selbst ist älter, ein Vorläufer befand sich auf der Freyung und beim Kärntnertor, ein kleiner Milchmarkt nahe dem Karlsplatz.“ Durch die Regulierung und Überplattung des Wienflusses im Zuge großer infrastruktureller Maßnahmen in Wien wie dem Stadtbahnbau hatte sich Platz für eine neue Handelszone ergeben. Daraus wurde ein reger Ort, an dem man Südfrüchte, Delikatessen, Fleischwaren und alles andere bekam, das sich sonst in Wien schwer auftreiben ließ, schildert Nowak, der das Angebot bis zum letzten Salatblatt kennt. Die späteren Pläne, über dem Wienfluss einen Großgrünmarkt zu errichten, scheiterten.

(c) Privat

Treffpunkt mit Peter Nowak ist die Kettenbrückengasse, inmitten des kleinteiligen Ensembles, von dort aus geht's bei seinen kulinarischen Touren stadteinwärts mit Stopps bei Marktständen seines Vertrauens. „Ich hole die Leute dort ab, wo sie beim Einkaufen fertig sind“, sprich: Es gibt zur Yamswurzel, zum Kraken und Kurkuma noch ein paar Verarbeitungsideen, Lebensmittelkunde und Alltagskultur dazu (für das Verkosten bekommen Teilnehmer einen Porzellanlöffel im selbst designten Stoffsackerl zum Umhängen).

Ort in Umbruchphase

Mit jeder historischen Hütte, die nicht mehr als Marktstand betrieben, sondern anders genutzt wird, erhitzen sich die Diskussionen in der Stadt: Wie weit soll das Gemüse noch der Gastronomie weichen und nicht artverwandte Ware Platz greifen können, seien es nun Seifen, sei es Souvenirkitsch? Die Veränderungen auf dem Naschmarkt sieht Nowak gelassen, „der Markt erfindet sich immer wieder neu. Er ist ein lebendiges Wesen.“ Und derzeit sei er wieder in einer Umbruchphase, in der traditionelle Standler aufgeben und andere darauf hoffen, unter den Bestbietern für das leer gewordene Häuschen zu sein. Die geänderten Nutzungen greifen die Substanz nicht massiv an (die Stände stehen unter Denkmalschutz), sodass das Gesamtbild weitgehend gleich bleibt – die Dachformen, die Kubatur –, mitunter aber Glas Holz ersetzt und noch mehr Gastgartengarnituren in die Zwischengänge gestellt werden. In den vergangenen Jahren ist der Markt saniert worden, die Eingriffe seien zum Vorteil gewesen, betont Nowak: Kanalisation, Leitungen für Strom und Wasser wurden erneuert. „Für mich ist der Naschmarkt der erste orientalische Bazar außerhalb des Orients“, meint der weit gereiste Hobbykoch, der bei seinen Touren ganz bestimmte Standler und besonderes Ambiente aufsucht, weil er dort weiß, wirklich „Originales und Originelles“ zu bekommen. Beim Spaziergang weist er daher immer wieder einmal auf „das beste Kebab“ oder die „handgemachten Spezialitäten aus dem Mittelmeerraum“ hin, lässt Masala und Oliven mit Zitronen kosten. Und so mancher Wiener in der Truppe nimmt sich vor, wieder öfter auf den Naschmarkt zu gehen – zum Einkaufen.

ZUM ORT, ZUR PERSON

Der Naschmarkt hat eine Ausdehnung von 2,3 Hektar. Das Erscheinungsbild der Stände entspricht noch der ursprünglichen Planung Ende des 19. Jahrhunderts. Die Nutzung der über 100 Stände hat sich in den vergangenen Jahren verlagert.Peter Nowak und seine Frau Erika veranstalten regelmäßig Genussspaziergänge durch den Naschmarkt (auf Deutsch und Englisch). Nächste Termine dafür gibt es ab März. www.theagency.at

(Print-Ausgabe, 31.12.2016)

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