Wohnimmobilien: Trotz Höhenflug keine Gefahr in Verzug

Wohnimmobilien. Tiefe Zinsen treiben Anleger in Scharen in europäische Immobilienanlagen. Die Gefahr einer Blase sehen Experten aber noch nicht – auch weil die Wirtschaft weiter wächst.

Runter kommen sie alle: Der Satz aus der Fliegerei gilt auch für die Immobilienmärkte. Und wie in der Luftfahrt ist es in der Immobilienwirtschaft alles andere als egal, ob auf den Höhenflug ein Crash oder ein „Soft Landing“ folgt. So ist das Platzen der spanischen Immobilienblase noch heute vielen Investoren schmerzhaft in Erinnerung. Eine vergleichsweise sanfte Landung eines heiß gelaufenen Marktes können Immobilienanleger jetzt in London beobachten. Denn der Brexit wirft seine Schatten voraus – in Form von negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Währung Großbritanniens.

London gibt nach

Zwar muss man laut einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens Deloitte noch immer 16.538 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche in der Londoner Innenstadt auf den Tisch legen – doch das sind um 8,8 Prozent weniger als noch vor einem Jahr. Noch stärker ist der Rückgang in den Außenbezirken der britischen Hauptstadt. Dort fielen die Preise im Jahresvergleich um 16,7 Prozent auf 7145 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Dennoch ist selbst dieser Preisrückgang laut dem Londoner Deloitte-Experten David Marek kein Vorbote des Platzens einer Immobilienblase – vielmehr reagiere der Markt so auf den erwarteten Abschwung der britischen Wirtschaft. „Der Immobilienmarkt reagiert üblicherweise sehr empfindlich auf die wirtschaftliche Entwicklung“, sagt er (siehe dazu auch F 9).

Und zwar nicht nur in Großbritannien: „So lag die Korrelation zwischen BIP-Wachstum und Immobilienpreisen in den vergangenen zehn Jahren EU-weit bei 83 Prozent.“ 2009, als die Immobilienpreise nicht nur in Spanien, sondern auch in Großbritannien, Irland, Italien und Frankreich eingebrochen sind, schrumpfte das BIP der EU 28 um 4,3 Prozent. Heuer und 2018 wird von den Wirtschaftsforschern ein BIP-Wachstum von knapp zwei Prozent erwartet – das schließt eine rasante Talfahrt der Märkte laut Marek aus.

Eine Blase platzt laut Lehrbuch immer dann, wenn ein steigendes Angebot auf eine sinkende Nachfrage trifft. Die Nachfrage sinkt aber nicht nur dann, wenn die Wirtschaft abbremst – sondern auch, wenn die Zinsen steigen und damit andere Anlageformen attraktiver werden. So würde niemand in London oder Paris bei Mietrenditen unter drei Prozent jährlich in Immobilien investieren, wenn es auf dem Sparbuch vier Prozent Zinsen gäbe. „Dass die EZB und die anderen Notenbanken Europas mit ihrer expansiven Geldpolitik für anhaltend tiefe Zinsen sorgen, stützt daher die europäischen Immobilienmärkte“, sagt Marek.

Einen weiteren Faktor, der die Preise europaweit steigen lässt, nennt Iryna Pylypchuk, Immobilien-Chefanalystin der weltgrößten Fondsgesellschaft Fidelity: Der Anteil der internationalen Käufer auf den europäischen Immobilienmärkten – vor allem aus den USA und Asien – ist in den vergangenen Jahren rasant angestiegen. „Im ersten Quartal 2017 lag ihr Anteil bei 57 Prozent und damit deutlich über dem langjährigen Durchschnitt von 47 Prozent“, sagt die Fidelity-Expertin. Und nicht nur russische Oligarchen, sondern auch asiatische Staatsfonds und US-Pensionskassen sind bereit, viel Geld in die Hand zu nehmen – denn für sie erscheinen die Preise und Renditen im Vergleich zu ihren Heimmärkten noch attraktiv. „Um es einfach auszudrücken: Was für Europäer schon sehr teuer ist, ist für internationale Käufer noch eine attraktive Investitionsmöglichkeit“, sagt Pylypchuk.

Wien und Graz teuer

Für europäische Verhältnisse sehr teuer sind mittlerweile auch Wiener und Grazer Wohnimmobilien. Beide Städte finden sich in den Top-Ten von Deloitte der teuersten Städte in Europa. In Graz (Platz vier) beträgt die jährliche Mietrendite laut Deloitte derzeit 3,1 Prozent, in Wien (Platz zwei ex equo mit Paris) lediglich 2,8 Prozent. Getoppt wird das nur mehr von London mit zwei Prozent. Die höchsten Renditen am Wohnimmobilienmarkt lassen sich mit 5,5 Prozent derzeit in Prag realisieren.

Wolfgang Habermayer, CEO von Merito Financial Solutions warnt Investoren davor, sich eine rosarote Brille aufzusetzen. „In Kundengesprächen stellt sich oft heraus, dass selbst die genannten knapp drei Prozent Rendite ohne Berücksichtigung von Leerstehungskosten, Kaufnebenkosten und anderen Kostenfaktoren gerechnet werden. Zählt man diese hinzu, bleiben nur zwei Prozent oder noch weniger über. Da ist der Renditevorteil zum Sparbuch nicht mehr besonders hoch.“

DIE TEUERSTEN STÄDTE

Die Experten sehen den europäischen Wohnimmobilienmarkt vor allem von Investoren aus Übersee und dem asiatischen Raum getrieben.

Im Deloitte-Ranking der zehn teuersten Städte (bezogen auf die jährliche Mietrendite) führt London (zwei Prozent), vor Paris und Wien (2,8 Prozent). Graz folgt mit 3,1 Prozent noch vor München (3,2 Prozent) auf dem vierten Platz. Die höchsten Mietrenditen werden derzeit mit 5,5 Prozent in Prag erzielt. www..deloitte.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2017)

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