Kuba: Castro setzt weiter auf Repression

(c) AP (Javier Galeano)
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Trotz wirtschaftlicher Reformen hält Raúl Castro an der Alleinherrschaft fest. Neuerdings wirft die Regierung Kritikern vor, die ökonomische Öffnung zu sabotieren.

Mexico City. Über dreihundert wirtschaftliche Reformen hat die kommunistische Partei Kubas (PCC) bei ihrem Kongress vom vergangenen April verabschiedet. Seit dem 1. Oktober gilt eine Neuerung, die von der Bevölkerung besonders ersehnt worden ist: Kubanern und auf der Insel niedergelassenen Ausländern ist es erlaubt, Autos zu kaufen und zu verkaufen, ohne dass sie dafür die Erlaubnis einer Behörde benötigen. Bisher war der Handel nur mit Fahrzeugen gestattet, deren Baujahr älter war als 1959. Angekündigt ist auch die Liberalisierung des Immobiliensektors, doch steht die Umsetzung noch aus. Das Kernstück der von Staatschef Raúl Castro propagierten Reformpolitik besteht darin, kleinen Gewerbetreibenden die Eröffnung privater Betriebe zu ermöglichen.

Binnen weniger Monate haben tausende Pizzaverkäufer, Taxifahrer, Elektriker, Schuhmacher oder Fremdenführer eine Lizenz erworben.

Seither hat sich die wirtschaftliche Lage auf der Insel etwas gebessert. Die große Frage im April war indessen, ob der ökonomische Reformkurs auch zur Stärkung individueller Freiheit und zur gesellschaftlichen Demokratisierung führen würde.

563 Festnahmen

Laut der oppositionellen Kubanischen Kommission für Menschenrechte und nationale Versöhnung ist davon nichts zu spüren. In einem jüngst veröffentlichten Bericht beklagt die auf Kuba illegale, aber tolerierte Organisation, dass die Polizei im September 563 Personen aus politischen Gründen festgenommen habe. Dies sei die höchste Zahl seit 30 Jahren. Im Unterschied zu früher setze die Staatsmacht weniger auf Anklagen und langjährige Gefängnisstrafen, sondern auf kurzfristige Einschüchterung. So seien die meisten Verhafteten nach 24 Stunden wieder freigekommen. Immerhin 63 Personen würden aber aus politischen Gründen dauerhaft im Gefängnis sitzen. Obwohl offizielle Stellen die Angaben bestreiten, herrscht auf Kuba nach wie vor ein Klima der Repression. So kommt es immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen gegen die „Damen in Weiß“ – einer Organisation, in der Gattinnen und Mütter von politisch Gefangenen aktiv sind. Für internationale Empörung hat die kubanische Regierung im September gesorgt, als sie dem langjährigen Korrespondenten der spanischen Zeitung „El País“ die Akkreditierung entzog. Der Journalist habe die Realität „einseitig und negativ“ geschildert, lautete die Begründung.

Blogger eingeschüchtert

Der bekannten oppositionellen Bloggerin Yoani Sánchez verbieten die Behörden seit Jahren, ins Ausland zu reisen, um Preise für ihre Arbeit entgegenzunehmen. Und nachdem sich Ted Henken, Professor an einer New Yorker Universität, für eine Studie mit 40 kubanischen Bloggern getroffen hatte, informierten ihn Funktionäre des Sicherheitsapparates, dass er auf der Insel künftig unerwünscht sei. Offensichtlich will Raúl Castro am Einparteiensystem, der Kontrolle von Zivilgesellschaft und Medien sowie an der uneingeschränkten Vorherrschaft der sozialistischen Staatsideologie festhalten. Dem in Mexiko lebenden kubanischen Historiker Rafael Rojas zufolge versucht die Regierung mit Erfolg, die Opposition zu diskreditieren und zu spalten, indem sie sich als einziger Garant ökonomischer Verbesserungen aufspielt.

„In regierungstreuen Blogs und offiziellen Publikationen wird Kritik an Raúl Castro und der Kommunistischen Partei zunehmend mit Kritik am Reformkurs gleichgesetzt. Oppositionelle erscheinen plötzlich als Feinde der Erneuerung, als Gegner der Öffnung. Die mediale Strategie der Regierung besteht darin, sie vor den Augen der internationalen Gemeinschaft und der kubanischen Bevölkerung als Verhinderer darzustellen“, sagt Rojas. Die Lage kubanischer Oppositioneller ist seit dem Reformkongress der Kommunistischen Partei Kubas nicht einfacher, sondern eher schwieriger geworden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2011)

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