Anleger lassen sich von Berichten über Schließungen deutscher Fonds nicht abhalten. Wegen der relativ stabilen Rendite erfreuen sich die Produkte hoher Zuflüsse.
Über offene Immobilienfonds kamen zuletzt jede Menge Negativschlagzeilen aus Deutschland. Die heimischen Anleger scheint das nicht zu stören: Sie stecken immer mehr Geld in solche Fonds. Im Mai lagen laut der Vereinigung Österreichischer Investmentgesellschaften (VÖIG) 3,122 Milliarden Euro in den heimischen offenen Immobilienfonds, vor einem Jahr waren es erst 2,591 Milliarden Euro. Mit den Nachbarn können die Österreicher damit noch nicht mithalten: Im zehnmal so großen Deutschland haben die Anleger laut dem deutschen Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) in Summe 85,321 Milliarden Euro in solche Fonds investiert. Offene Immobilienfonds stecken das Geld der Anleger in Immobilien und vermieten diese. Die Anleger haben meist die Wahl zwischen einer thesaurierenden Variante (dabei werden die Erträge wiederveranlagt) und einer ausschüttenden Variante (dabei erhalten sie regelmäßige Ausschüttungen).
Wenn zu viele Geld wollen, schließt der Fonds
„Offen“ heißen die Fonds, weil man jederzeit ein- und aussteigen kann. Ausgenommen, die Fonds wurden „eingefroren“ oder befinden sich „in Auflösung“: Das passiert dann, wenn zu viele Anleger gleichzeitig ihr Geld abziehen wollen. Hat der Fonds nicht genügend Bargeld, um sie alle abzufinden, muss er Immobilien verkaufen. Und das geht nicht von heute auf morgen. In Deutschland sind derzeit sechs Fonds mit einem Volumen von 1,864 Milliarden Euro eingefroren. Die Anleger müssen sich vorerst gedulden, bis entschieden wird, ob der Fonds fortgeführt oder aufgelöst wird. Häufig passiert dann Letzteres: Acht deutsche Fonds mit einem Volumen von 21,953 Milliarden Euro oder ein Viertel des gesamten Immobilienfondsvermögens befinden sich in Abwicklung. Die Fonds müssen ihre Immobilien innerhalb einer bestimmten Frist verkaufen, die Anleger erhalten die Erträge schrittweise ausbezahlt. Auch in Österreich mussten während der Krise zwei Fonds vorübergehend schließen, inzwischen sind sie aber wieder offen.
„Österreich hat die Gnade der späten Geburt“, meint Peter Karl, Chef der Erste Immobilien KAG. Hierzulande gibt es erst seit 2003 offene Immobilienfonds. Diese setzten von vornherein vor allem auf Kleinanleger. Auch seien sie stärker als die deutschen Anbieter im Wohnbau tätig. Und dieser sei ein krisensicheres Geschäft. Geeignet seien die Fonds für konservative Anleger, die auf geringe Schwankungen Wert legten. Die Fonds werden kaum an der Börse gehandelt. Wer verkaufen will, erhält den Rechenwert, und der basiert auf den Immobilien. „Wenn sich irgendwann die Aktienmärkte erholen und die Zinsen steigen, können die Renditen der Immobilienfonds damit aber nicht mithalten“, räumt Karl ein.
Zielgruppe: Konservative Langfristanleger
Dass die Fonds so hohe Zuflüsse verzeichnen, führt VÖIG-Experte Thomas Zibuschka auch auf die Flucht in reale Werte zurück. Die Anleger kaufen aus Angst vor Geldentwertung Gold und Immobilien. Letzteres tun viele über offene Immobilienfonds. Die sechs heimischen Fonds warfen in den vergangenen zwölf Monaten Renditen zwischen 4,14 Prozent (die thesaurierende Variante des Real Invest Austria) und minus 0,26 Prozent (die ausschüttende Variante des Real Invest Europe) ab. Die übrigen – der Erste Immobilienfonds, der Raiffeisen-Immobilienfonds, der Immofonds und der SemperReal Estate – rentierten zwischen 2,68 und 3,96 Prozent. Auch durch die neue Vermögenszuwachssteuer bei Immobilien seien die Fonds nicht schlechtergestellt worden, sagt Zibuschka. Sie mussten etwaige Wertzuwächse schon bisher mit 25 Prozent versteuern.
Neue Regelungen sollen dafür sorgen, dass Schließungen unwahrscheinlicher werden. In Deutschland sollen Mindestbehaltefristen für Großanleger eingeführt werden. Bei uns ist es nicht so streng: Hier vereinbaren die Kapitalanlagegesellschaften mit den Institutionellen eigene Regeln, etwa dass sie Abflüsse einige Monate vorher melden müssen.
Auf einen Blick
Offene Immobilienfonds versprechen niedrige, aber stabile Renditen. Derzeit halten die heimischen Fonds dieses Versprechen. Ganz krisenfest sind sie dennoch nicht: Wollen zu viele Anleger gleichzeitig ihr Geld abziehen, müssen sie vorübergehend (oder dauerhaft)schließen. Dann dauert es, bis man wieder an sein Geld kommt. Normalerweise sind die Schwankungen aber sehr gering.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2012)