Immer Ärger mit den Nachbarn

Nachbarschaftskonflikte können zu jahrelangen Prozessen führen. Experten raten deshalb dazu, vor dem Gang zu Gericht auf Gespräche und Mediation zu setzen.

Schon Friedrich Schiller wusste es: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem Nachbarn nicht gefällt.“ Auch 200 Jahre später bietet das Leben Tür an Tür oder Grundstück an Grundstück noch unzählige Möglichkeiten für Konflikte: Lärm in jeder Form, des Nachbars Bäume, die den eigenen Garten beschatten, beißender Rauch vom Grill, bellende Hunde und gackernde Hähne, der Verlauf von Grundstücksgrenzen oder ersessene Nutzungsrechte. Das sind einige der Klassiker bei Nachbarschaftsstreitigkeiten, die Gerichte beschäftigen und oft zu jahrelangen Prozessen führen.

Schwammige Rechtslage

Klare rechtliche Regelungen, mit denen etwa Belästigungen in Uhrzeiten und Dezibel exakt definiert wären, gibt es für die meisten Streitfälle nicht. Relativ eindeutig ist lediglich die Sache mit den überhängenden Ästen. Hier kann alles, was von Nachbars Bäumen in den eigenen Garten ragt, beschnitten werden. Aber bitte mit Sorgfalt: Der Baum darf dabei keinen Schaden nehmen, sonst könnte der Nachbar letztlich vor Gericht ziehen und die Kosten für eine Neupflanzung einklagen.

Wesentlich komplizierter wird es beim Recht auf Licht oder bei Belästigungen durch Lärm, Grillrauch oder Haustiere. Hier gibt es nämlich – abgesehen von Regelungen in manchen Gemeinden – keine österreichweit eindeutigen Bestimmungen. „Das ortsübliche Maß und das Empfinden des Durchschnittsmenschen sind die Kriterien, an denen sich Gerichte meist orientieren“, weiß Markus Messenlehner, Leiter des Rechtsservice der Rechtsschutzversicherung D.A.S. Musik auf voller Lautstärke um vier Uhr früh wird folglich immer Belästigung sein. Regelmäßige laute Gespräche am späteren Abend werden aber bei einem Mietshaus im dicht besiedelten Zuwandererbezirk anders beurteilt werden als bei einer Einfamilienhaussiedlung auf dem Land. „Es ist daher von Bedeutung, dass man sich über seine rechtliche Position und seine Möglichkeiten im Klaren ist“, so der Experte.

Bei extremem Lärm zu nächtlicher Stunde, der sich durch einen Anruf beim Nachbarn nicht abstellen lässt, kann es durchaus zweckmäßig sein, zur Sicherung der Nachtruhe die Polizei zu rufen. Im Mietshaus ist bei regelmäßigen Lärmstörungen neben einer Klage bei Gericht eine Beschwerde beim Vermieter mitunter aber einfacher und kostensparender. Druck kann der Betroffene in so einem Fall sogar über eine Mietzinsminderung machen: „Bei schwerem Lärm, etwa im Zuge von Umbauarbeiten, kann der Mieter mitunter bis zu 25 Prozent der Miete abziehen“, sagt Veronika Schmidt, Wohnrechtsexpertin des Vereins für Konsumenteninformation (VKI). Kaum Chancen hat ein Mieter bei Lärmbelästigungen, die von Wasserleitungen ausgehen. Einzige Ausnahme ist, wenn bei einem Neubau eine nicht normgerechte Installation nachgewiesen werden kann.

Belästigung dokumentieren

Fürs Grillen gibt es in Mehrfamilienhäusern oder in Reihenhaussiedlungen oft Regelungen durch die Hausordnung. Gemeinden haben manchmal ebenfalls diesbezügliche Vorschriften. Sonst gilt auch hier das Empfinden des Durchschnittsmenschen. Wichtig ist es in allen Fällen, die Belästigung möglichst genau zu dokumentieren: „Fotos oder Videos machen, die Zeiten genau aufschreiben“, empfiehlt Messenlehner.

Da vor Gericht nicht der subjektive Ärger des Betroffenen, sondern das Empfinden des Durchschnittsmenschen als Maßstab für die Beurteilung der Belästigung herangezogen wird, ist der Ausgang eines Prozesses meist nur schwer vorhersehbar. Experten empfehlen deshalb, zuerst außergerichtliche Lösungen zu suchen. Schmidt: „Vor ernsten Maßnahmen sollte immer versucht werden, miteinander zu reden.“

Gespräch löst oft Konflikt

Zum Gespräch rät auch Anna-Maria Freiberger. Die Rechtsanwältin mit Mediatorausbildung meint: „Gerade bei Nachbarschaftsstreitigkeiten verstellen oft emotionelle Spannungen die Sicht auf eine Lösung.“ Im Zuge einer Mediation ließen sich diese oft abbauen, Missverständnisse ausräumen, die Augen für die Sicht des jeweils anderen öffnen, „und dann ist man meistens schon in der Nähe einer Lösung.“ Die außergerichtliche Lösung hat noch einen weiteren Vorteil, meint Messenlehner: „Es wird die Nachbarschaft gerettet, und das bringt letztlich für alle Beteiligten mehr Lebensqualität als ein ständiger Krieg.“

Buchtipp

Um Konfliktlösungen geht es im neuen Buch „Wenn Nachbarn nerven...“, das der Verein für Konsumenteninformation herausgegeben hat. Der Jurist Martin Kind beschreibt darin, wann in nachbarlichen Konflikten Grenzen überschritten werden und wie man in solchen Fällen vorgehen kann. Das Buch ist um 14,90 Euro im Buchhandel und beim VKI erhältlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2013)

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