Wenn Nachbarn klagen

Wohnungseigentum ist eine feine Sache. Streitsüchtige Miteigentümer können allerdings Probleme bereiten, wenn es um die allgemeinen Teile geht.

Innerhalb der eigenen vier Wände sind Wohnungseigentümer ihre eigenen Herrscher. Anders wird es, wenn es um das Äußere einer Eigentumswohnung oder eines Reihenhauses geht. Dann sprechen je nach Anlage fünf, zehn oder mitunter sogar hundert andere Eigentümer mit: Ob der Balkon verglast, die Eingangstür pink gestrichen oder ein Fahrradschuppen im Garten aufgestellt werden soll – solche Vorhaben dürfen nämlich nur dann realisiert werden, wenn alle Miteigentümer zustimmen. Ein einziger Querulant kann das Projekt – selbst wenn es sinnvoll wäre und niemanden stört – zu Fall bringen.

Konsumentenschützer sind laufend mit den daraus resultierenden Streitigkeiten konfrontiert. Sie können nur den Rat zum Konsens geben. Oder über den Weg zum Gericht informieren: „Eine Möglichkeit, seinen Wunsch in der Eigentümergemeinschaft durchzusetzen, ist, ein Außerstreitverfahren beim Bezirksgericht zu beantragen“, erläutert Walter Rosifka, Wohnrechtsexperte der Arbeiterkammer. Entspricht das Vorhaben ortsüblichen Gepflogenheiten, sind die Chancen groß, dass es der Richter in einem solchen Verfahren genehmigt.

Hartnäckige Streithähne

Der Antrag beim Bezirksgericht kostet lediglich 72 Euro. Teuer kann es aber werden, wenn Miteigentümer auf ihrer Meinung beharren und Rechtsbeistände engagieren, denn der Verlierer muss für sämtliche Anwaltskosten aufkommen. Hartnäckige Streithähne fechten mitunter alle Instanzen durch: Unlängst hatte sogar der Oberste Gerichtshof über die Aufstellung einer kleinen Blechhütte für Rasenmäher und andere Geräte im Reihenhausgarten zu entscheiden. Das Vorhaben wurde letztlich vom OGH genehmigt, der kämpferische Nachbar musste sämtliche Prozesskosten bezahlen – ein Vielfaches des Streitobjektes.

Realisiert ein Eigentümer sein Vorhaben ohne Zustimmung aller, hat wiederum jeder übergangene Miteigentümer die Möglichkeit, auf Herstellung des ursprünglichen Zustandes zu klagen. Auch das kann teuer werden – selbst wenn sich die Änderung auf das Innere der Wohnung bezieht. Ein Zahnarzt, der meinte, als Eigentümer könne er in seinem Objekt eine Ordination einrichten, musste die teure Gerätschaft wieder entfernen. Der Richter schloss sich im Zuge einer Unterlassungsklage der Meinung eines Miteigentümers an: Die vielen Patienten stören die Ruhe im Haus. Ausgenommen von der Einstimmigkeit sind Vorhaben im gemeinschaftlichen Interesse. Eine thermische Sanierung des Hauses etwa kann mit einfacher Mehrheit der Eigentümer beschlossen werden.

Eigene Abmachungen

Mitspracherecht und Einstimmigkeit sind im Wohnungseigentumsgesetz WEG festgelegt und können selbst durch den Wohnungseigentumsvertrag nicht ausgehebelt werden. Etliche Punkte lassen sich in diesem Vertrag individuell festlegen. Veronika Schmidt, Wohnrechtsexpertin beim Verein für Konsumenteninformation, weist etwa darauf hin, dass es eigene Abmachungen für Erhaltungsarbeiten geben kann. Etwa, dass die Renovierung von Außenfenstern, Balkonen oder Eingangstüren nicht aus der Rücklage bezahlt wird, sondern der Wohnungsbesitzer selbst dafür aufkommt. Experten empfehlen, den Wohnungseigentumsvertrag vor dem ersten Verkauf vom Organisator des Projekts und einem Anwalt aufsetzen zu lassen: „Sind zehn Miteigentümer in den Prozess involviert, gibt es zehn verschiedene Vorstellungen, die kaum mehr unter einen Hut zu bringen sind“, sagt Rechtsanwalt Richard Köhler. Können sich die Beteiligten nicht über die Formulierungen des Wohnungseigentumsvertrags einigen, wäre es theoretisch möglich, bei Miteigentum nach dem ABG zu bleiben, erklärt Rechtsanwalt Peter Hauswirth. Das hat aber eine Reihe von gravierenden Nachteilen von der Verwaltung des Hauses über Haftungsfragen bis zur Immobilienertragssteuer bei der Veräußerung, so der Anwalt.

Guter Glaube bringt nichts

Köhler meint, dass ein Wohnungseigentumsvertrag nicht auf gutem Glauben an das kooperative Verhalten der Miteigentümer basieren sollte, sondern auf möglichst klaren Regelungen. So empfiehlt er selbst bei wenigen Eigentümern, eine Hausverwaltung mit Aufgaben zu betrauen. Auch mit der Schneeräumung gemeinschaftlicher Verkehrswege sollte ein Unternehmen beauftragt werden, um persönliche Haftung abzuwenden: „Kommt jemand aus welchen Gründen auch immer nicht zum Schneeschaufeln und ein Nachbar bricht sich den Fuß, wer zahlt dann?“ fragt Köhler

Das Wohnungseigentümergesetz an sich ist, meinen die Experten, sehr gut. Und bei einer seriösen Abwicklung durch einen professionellen Wohnbauträger sowie der Einbeziehung von Notar und Anwalt sollte es eigentlich keine größeren Probleme für den Haus- oder Wohnungskäufer geben. Auch die Regeln für das Leben im gemeinsamen Eigentum sind im Gesetz relativ gut und praxisnah festgelegt: „Das einzige wirkliche Problem für Eigentümer sind querulierende Miteigentümer“, sagt ein Anwalt. Denn diese gehen manchmal selbst wegen einer Blechhütte in Nachbars Garten bis zum Obersten Gerichtshof. Egal, ob sie recht bekommen – oder nicht.

>>Mehr: Rechtsfragen in der "Presse"-Serie "Alles, was Recht ist"<<

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2013)

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