Was tun für mehr Wohnraum in Wien?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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In vielen europäischen Großstädten ist Wohnraum knapp – Wien ist da kein Einzelfall. Die Situation in der Bundeshauptstadt könnte jedoch entspannter sein, meinen Experten. Sie haben auch Lösungsansätze parat.

Wohnraum ist knapp in Wien – wie in vielen europäischen Metropolen. Ob es nun Schweden, die Schweiz, Norwegen, Dänemark, Finnland oder Österreich ist: In den meisten großen Städten hält die Bautätigkeit nicht mit der demografischen Dynamik Schritt. Die Zahl der Haushalte wächst schneller als jene der fertiggestellten Wohnungen.

Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite stehen Versäumnisse, durch die sich die Wohnungsnot verschärft hat. Anders gesagt: Das Problem ist zum Teil hausgemacht. So groß, wie sich der Wohnungsmangel derzeit in Wien darstellt, müsste er nicht sein.

Aber was lässt sich dagegen tun? Die Lösungsansätze liegen in der Mobilisierung von Grundstücken. Flächen der öffentlichen Hand könnten besser genützt, weitere Widmungen erteilt, durch höhere Baudichten und vor allem durch Nachverdichtung neuer Wohnraum gewonnen werden.

Laut einer Studie der Arbeiterkammer könnten allein im Bestand der Wiener Gemeindebauten über 100.000 Einheiten durch Nachverdichtung gebaut werden. Bei den Immobilien- und Vermögenstreuhändern der Fachgruppe Wien schätzt man das Potenzial noch viel höher ein. „130.000 Wohnungen haben auf den Dächern oder Gründen von Wiener Wohnen Platz, vermutlich ebenso viele in den nur locker verbauten Genossenschaftsanlagen der 1960er- bis 1980er-Jahre“, sagt Fachgruppenobmann Michael Pisecky. Er beschreibt es bildhaft: „Es gibt einige Siedlungen, in denen nur der Wind weht und die städtische Dichte fehlt.“

Konflikte mit Anrainern

Die Verdichtung hätte noch einen weiteren Vorteil, ergänzt Projektentwickler Winfried Kallinger: „Eine gewisse städtische Dichte ist für urbanes Leben einfach notwendig. Allerdings muss man das mit Maß und Ziel machen.“ Und es geht nicht selten den Anrainern gegen den Strich. Von diesen würden Bauvorhaben oft „mit fadenscheinigen Gründen verhindert oder zumindest verschoben“, sagt Pisecky. Laut WKO hängen zurzeit Bauvorhaben für rund 20.000 Wohnungen im Instanzenweg fest.

Für den Wiener Fachgruppenobmann haben Einsprüche zwar ihre Berechtigung, er meint jedoch, nur wirklich Betroffene sollten das Recht dazu haben. Dazu kommt, dass während der Behandlung solcher Eingaben das Bauverfahren gestoppt wird. Da könne es schon einmal vorkommen, dass ein Projekt „vom Ankauf bis zur Fertigstellung bis zu zehn Jahre dauert“, sagt Hans Jörg Ulreich, Chef der Ulreich Bauträger GmbH und Bauträgersprecher in der Fachgruppe. Der Normalfall seien drei bis fünf Jahre. Das ist freilich kein spezifisches Wiener Problem: In Zürich ergab eine Befragung, dass zwar bauliche Weiterentwicklung bis hin zu Hochhäusern begrüßt wird – nur nicht im eigenen Quartier. Dort soll alles bleiben, wie es ist.

Überholte Kostenobergrenzen

Eine Lösung könnte nach Ansicht der Fachgruppe darin bestehen, bei Nachverdichtungen die Betroffenen einzubinden, „um deren Sorgen zu verstehen und deren Wünsche einzuarbeiten“. Pisecky plädiert zudem für einen professionellen Kommunikationsprozess: „Die Kommunikationsarbeit zwischen Politik, Bauträger und Interessenvertretungen ist ein entscheidender Faktor. Sie muss zwei Jahre vor Baubeginn starten.“

Der exorbitante Anstieg der Baupreise – allein in den vergangenen drei Jahren sollen es bis zu 30 Prozent gewesen sein – führte freilich auch dazu, dass eine ursprünglich sinnvolle Regelung sich ins Gegenteil verkehrte: Bei Projekten der gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften sind die Baukosten limitiert, damit die Wohnungen leistbar bleiben. Die Höchstbeträge wurden aber noch nicht an den aktuellen Stand angepasst. Laut dem Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen hängen fast 2000 geplante Wohnungen in der Warteschleife, weil ihr Bau die gesetzlichen Höchstkosten überschreiten würde. „Zuletzt wurde angekündigt, die Baukostenobergrenze in der Wohnbauförderung zu streichen, es ist aber noch nichts offiziell verlautbart“, sagt Pisecky. Nachsatz: Würde man – ganz generell – die überquellenden Vorschriften bereinigen, „wäre eine Baupreissenkung von fast dreißig Prozent zu schaffen, ohne an Qualität zu verlieren“.

Fakt 1

Fakt 2

Fakt 3

Wissenswertes über Grundstücksmobilisierung in Wien

Großes Potenzial. Durch Verdichtung könnten laut Experten Hunderttausende Wohnungen geschaffen werden. Eine Studie der Arbeiterkammer geht allein für die bestehenden Wiener Gemeindebauten von über 100.000 Einheiten aus, die Fachgruppe der Immobilientreuhänder sogar von 130.000 – und von ebenso vielen in den locker bebauten Genossenschaftsanlagen der 1960er- bis 1980er-Jahre.

Lange Bauverfahren. Einsprüche von Anrainern gegen Bauvorhaben zögern Bewilligungsverfahren mitunter um Jahre hinaus. Laut Zahlen der WKO hängen in Wien derzeit Projekte mit insgesamt rund 20.000 Wohnungen im Instanzenweg fest. Ein Lösungsansatz könnte in einer frühzeitigen Einbindung betroffener Anrainer bei der Planung von Verdichtungen bestehen.

Kostenlimit. Im geförderten Wohnbau gilt eine Obergrenze für die Baukosten. Das soll dafür sorgen, dass die Wohnungen leistbar bleiben. Bauträger beklagen jedoch, dass die Grenze nicht mehr dem gestiegenen Preisniveau entspricht. Fast 2000 geplante Wohnungen können demnach zurzeit nicht realisiert werden, weil ihr Bau das Kostenlimit überschreiten würde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2018)

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