Smart Home: Zu viele Fragen noch ungelöst

Symbolbild einer Smart Home Anwendung.
Symbolbild einer Smart Home Anwendung.Smart Home Austria
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Die noch junge Technologie ist hip und bringt ein Mehr an Komfort. Als Schutz vor Einbrechern eignet sie sich aber nur bedingt, meinen Sicherheitsexperten.

Wenn sich jemand am Haus von Rüdiger Keinberger zu schaffen macht, beginnt es sich zu wehren. Zuerst schickt es lediglich eine stille Push-Nachricht auf sein Handy, wenn die Aktivitäten andauern, wird es laut. Im ganzen Gebäude gehen die Lichter an, die Jalousien fahren hoch, gleichzeitig beginnen sämtliche Lautsprecher des Hauses in voller Lautstärke zu spielen. „Das Abschreckungspotenzial darf man durchaus als hoch bezeichnen“, versichert Keinberger.

Junge Technologie

Dass sich sein Haus selbstständig gegen Einbruchsversuche wehren kann, liegt an den zahlreichen Sensoren an Fensterrahmen und Türen sowie der elektronischen Videokontrolle im Eingangsbereich, die alle miteinander vernetzt und in ein Gesamtsystem integriert sind, das über einen hauseigenen kleinen Server gesteuert wird. Kurz gesagt: Das Haus ist „smart“.

Für Keinberger ist das Ehrensache, denn er ist CEO des oberösterreichischen Smart-Home-Herstellers Loxone, einem Unternehmen mit weltweit 18 Standorten und 282 Mitarbeitern. Ehrensache ist auch, dass er mit dem „Real Smart Home“ sein eigenes System verbaut hat, „das seinem Besitzer im Jahr bis zu 50.000 Handgriffe erspart“, wie er nicht unerwähnt lassen will. Dieser Komfortaspekt sei mit einem Anteil von 56 Prozent weiterhin das primäre Eintrittsthema für ein Smart Home, zitiert der Manager eine deutsche Studie, an zweiter Stelle rangiere aber mit 49 Prozent bereits das Thema Sicherheit. „Unter Letzteres fallen neben dem Einbruchschutz auch Dinge wie Brand-, Wasser- oder Unwetterschutz“, erläutert Keinberger. Vor allem Frauen sei dieser Aspekt ein großes Anliegen. „Das zeigt sich immer wieder bei den Gesprächen mit Interessenten im Show-Home auf dem Gelände unserer Zentrale in Kollerschlag.“

Aber lassen sich Einbrecher davon auch tatsächlich abschrecken? Robert Goliasch wagt das zu bezweifeln: „Smart-Home-Lösungen sind eine junge Technologie, da fehlen noch die Erfahrungswerte“, gibt der Wiener Sicherheitsberater zu bedenken, der schon zahllose Einbruchsschauplätze inspiziert hat. Den besten Schutz bieten für ihn immer noch mechanische Vorkehrungen, etwa Sicherheitstüren und -fenster. „Das sind Maßnahmen, mit denen ein Einbrecher aktiv am Zutritt gehindert werden kann, elektronische Systeme schlagen nur Alarm“, erläutert der Experte. Bei Smart-Home-Lösungen sieht er im Unterschied zu herkömmlichen Alarmanlagen das zusätzliche Problem, dass die Alarmfunktionen in der Regel in das Gesamtsystem eingebettet sind. „Eine Alarmanlage sollte aber immer ein autarkes System sein und über genug Redundanz verfügen, damit sie nicht mit einem Handgriff außer Gefecht gesetzt werden kann.“ Erschwerend komme hinzu, dass Smart Homes nicht direkt mit einer Polizeidienststelle verbunden werden können, sondern lediglich eine Handy-Nachricht an den Besitzer absetzen.

Warum das so ist, erläutert Wolfgang Höfenstock von der Abteilung Kriminalprävention im Landeskriminalamt Wien so: „Voraussetzung hierfür ist eine zertifizierte Alarmanlage von einem autorisierten Sicherheitsunternehmen.“ Smart Homes seien in erster Linie Komfortlösungen, die Sicherheitsfeatures lediglich eine Beigabe, die für versierte Täter leicht auszuhebeln sei: „Dafür genügt es beispielsweise, die Stromzufuhr zum Haus zu unterbrechen, und schon ist das ganze System lahmgelegt.“ Bei professionellen, zertifizierten Alarmanlagen sei das nicht der Fall: „Diese verfügen neben einer Sabotagesicherung etwa über eine Strompufferung, die von der Stromzufuhr unabhängig ist.“

Trügerische Sicherheit

Und was ist mit den Anwesenheitssimulationen? Mit Schattenwürfen, Fernsehflimmern, automatisierten Jalousienbewegungen und Ähnlichem, die in Smart-Home-Anwendungen oft integriert sind? Haben diese keine abschreckende Wirkung auf potenzielle Einbrecher? Höfenstock stellt auch das infrage: „Profi-Einbrecher lassen sich davon nicht beeindrucken. Es genüge beispielsweise ein einfaches Klingeln an der Tür, und schon ist der Einbrecher über eine eventuelle Abwesenheit im Bilde. Dennoch will Höfenstock die Security-Features in Smart-Home-Lösungen nicht grundsätzlich schlechtreden: „Ein Mehr an Sicherheit ist immer zu befürworten“, sagt der Experte. Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass man vorher seine eigentlichen Hausaufgaben gemacht habe.

Was Sie beachten sollten beim . . . Einbruchsschutz

Tipp 1

Mechanische Barrieren. Der beste Einbruchsschutz sind immer noch zertifizierte Sicherheitstüren und -fenster. Je höher die Sicherheitsklasse, desto besser. Ausgehebelt wird dieser Schutz aber oft durch Nachlässigkeit, weshalb Smart-Home-Anwendungen, die auf gekippte Fenster oder unversperrte Türen hinweisen, durchaus einen Sinn haben können.

Tipp 2

Alarmanlagen. Smart-Home-Lösungen dürfen mangels Zertifizierung nicht den Begriff „Alarmanlage“ führen. Als Alarmanlage gelten nur zertifizierte Produkte, die von dafür autorisierten Sicherheitsunternehmen installiert werden dürfen. Es sollte sich dabei um ein autarkes System handeln, das nicht mit anderen Anwendungen verkoppelt ist, und über eine alternative Stromquelle verfügen.

Tipp 3

Smart Homes. Anwendungen, die über einen kleinen, hauseigenen Server laufen, sind sicherer also solche, die über die Clowd mit dem Internet verbunden sind. Anwesenheitssimulationen wie flackernde Bildschirme, Schattenwürfe oder automatisierte Jalousienbewegungen schrecken vielleicht Gelegenheitseinbrecher ab, nicht aber Profis, die sie schnell als Fake enttarnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2019)

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