Dicke Luft mit dem Nachbarn: Zigarettenrauch im Zimmer, Tschickstummel am Balkon

Zigarettenstummel
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Muss man lästige Rauchschwaden erdulden? Und was tun, wenn sogar Zigarettenstummel auf dem eigenen Balkon landen – die Nachbarn aber alles vehement abstreiten? Hier einige Tipps.

Für die einen ist es ein Menschenrecht, für die anderen eine übel riechende Gesundheitsgefährdung: Das Thema Rauchen ist ein hochemotionales, bei dem es häufig auch keinen Mittelweg gibt. Besonders dann, wenn es um die eigenen vier Wände samt Balkon oder Terrasse geht – in denen man wahlweise ungestört rauchen oder ebenso unbehelligt frische Luft genießen möchte. Der Oberste Gerichtshof hat dazu bereits 2016 in einer Einzelfallentscheidung zum nächtlichen Zigarrenrauchen ein Urteil gefällt (siehe Kasten). Was aber kann man tun, wenn man sich durch die Konsequenzen nachbarlichen Rauchens gestört fühlt? Wir haben zwei Rechtsexperten gefragt.

Rauchgeruch im Zimmer, Tschickstummel fallen auf den Balkon – der Nachbar streitet alles ab. Was tun?


„Der Zigaretten- oder Zigarrenrauch stellt grundsätzlich, wie auch andere Gerüche, eine Emission dar“, erklärt Christian Boschek, Wohnrechtsexperte bei der Arbeiterkammer Wien, und führt aus: „Bei Emissionen geht es immer um die Frage, was zumutbar und ortsüblich ist – und das ist im Einzelfall zu prüfen.“ Wenn sich herausstellt, dass die Emissionen nicht zumutbar oder ortsüblich sind, kann man gegebenenfalls Unterlassungsansprüche dagegen geltend machen.

Was gilt in Österreich generell als ortsüblich, wenn es um das Thema Rauchen geht?

„Das ist immer im Einzelfall zu prüfen, wobei auf die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten abzustellen ist“, erklärt Olivia Eliasz, die als selbstständige Rechtsanwältin in Wien tätig ist. Will heißen: Grundsätzlich geht die Rechtsprechung davon aus, dass es nicht nur auf die Häufigkeit des Tabakkonsums ankommt, sondern auch auf die Tages- und Jahreszeit. Beispielsweise liegt in einer Innenstadtlage, die dicht besiedelt ist, oder in einer Wohnanlage, in der dicht nebeneinander gewohnt wird, eher eine Ortsunüblichkeit sowie eine wesentlichere Beeinträchtigung vor als auf dem locker besiedelten Land. Und jemand, der eine oder zwei Zigaretten am Tag raucht, wird eher zu tolerieren sein als ein Kettenraucher. Außerdem geht man im Sommer, wenn die Fenster geöffnet sind, eher von einer Beeinträchtigung aus als im Winter; besonders in der Nacht, wenn viele bei offenem Fenster schlafen.

Rauch ist schwer zu beweisen und zu dokumentieren, was ist hier eine sinnvolle Vorgehensweise?

„Wenn es zu einem Gerichtsverfahren kommt, gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung“, weiß Eliasz und erklärt: „Das heißt, das Gericht beurteilt nach freier Überzeugung, ob eine Angabe für wahr zu halten ist oder nicht.“ In anderen Worten: Der Richter entscheidet, wem er glaubt und wem nicht. Neben Zeugen kann man auch einen Sachverständigen zuziehen, der die Luftqualität misst. Und Boschek ergänzt: „Beweise können auch in Form von Zeugenaussagen beigebracht werden, weshalb es sinnvoll sein kann, sich mit den anderen Bewohnern des Hauses in Verbindung zu setzen und zu schauen, ob sich andere Mitstreiter finden.“ Je mehr sich gestört fühlen, desto höher die Chancen.

Wie sieht es rechtlich mit Zigarettenstummeln aus, die sich auf meinem Balkon finden? Was tun?


Boschek: „Wer Abfall in die Mietgegenstände anderer wirft, setzt ein Verhalten, das anderen das Zusammenleben verleidet.“ Das kann als grob nachteiliger Gebrauch des Mietgegenstandes oder unleidliches Verhalten gewertet werden und bei Mietverhältnissen bis zur Kündigung führen. Weshalb es in diesen Fällen sinnvoll ist, den Vermieter beziehungsweise die Hausverwaltung zu informieren, denn diese haben die Pflicht, ihre Mieter vor Eingriffen Dritter zu schützen, ehe man direkt vor Gericht zieht. „Um einen Anspruch auf Unterlassung zu haben, ohne dass das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten und die ortsübliche Benützung des eigenen Grundstücks oder der Wohnung wesentlich beeinträchtigt sein muss, muss es sich um das Eindringen sogenannter grob körperlicher Immissionen handeln“, ergänzt Eliasz. Dazu gibt es in der Rechtsprechung bisher Entscheidungen – zum Beispiel zu Golfbällen, Tennisbällen oder herabfallendem Gestein, die als solche qualifiziert wurden. Kleinigkeiten – wie beispielsweise Laub oder Tannennadeln – müssen toleriert werden, solang das ortsübliche Maß nicht überschritten wird. Eliasz dazu: „Meines Erachtens könnte wohl argumentiert werden, dass Zigarettenstummel in den Bereich der grob körperlichen Stoffe fallen, aber dazu gibt es, soweit ersichtlich, noch kein höchstgerichtliches Urteil.“ Man sollte aber nicht außer Acht lassen, dass es auch zu Schadenersatzansprüchen kommen kann, wenn beispielsweise durch noch glühende Stummel Schäden verursacht werden. Ganz abgesehen von der dadurch möglichen Brandgefahr. (sma)

Erstes Urteil mit Rauch-Regelung

Bereits 2016 sorgte eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes („Die Presse“ berichtete) für Aufsehen. Geklagt hatte ein Bewohner der Wiener Innenstadt gegen einen Zigarre rauchenden Nachbarn, deren Rauch nächtens durchs offene Schlafzimmerfenster zum Kläger drang und ihm die Nachtruhe verunmöglichte.
Das Höchstgericht legte seinerzeit erstmals verbindliche Regelungen zum Rauchen in der eigenen Wohnung vor: Von 1. April bis 31. Oktober gilt während der Nacht – von 22 bis sechs Uhr – sowie der üblichen Essens- und Ruhezeiten ein Rauchverbot: von acht bis zehn, zwölf bis 15 und 18 bis 20 Uhr. Während des Winters sind dagegen nur drei Stunden am Tag – von acht bis neun, 13 bis 14 und 19 bis 20 Uhr rauchfrei. Allerdings handelt es sich bei diesem Urteil um eine Einzelfallentscheidung, die sich nicht einfach auf andere Gegebenheiten umlegen lässt.

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