Benimmregeln für Nachbarn: Mit wem gut Kastanien essen ist

 Grillen, Glühwein trinken, Maroni braten: Auf vielen Balkonen und Terrassen ist auch im Herbst Feiern angesagt.
Grillen, Glühwein trinken, Maroni braten: Auf vielen Balkonen und Terrassen ist auch im Herbst Feiern angesagt.(c) Bilderbox
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Rechtsfrage. Grillen, Glühwein trinken, Maroni braten: Auf vielen Balkonen und Terrassen ist auch im Herbst Feiern angesagt. Was erlaubt ist, was erwünscht und toleriert wird – und was der Nachbar ganz sicher nicht hinnehmen muss.

Wer noch nie gebrutzelt hat, der werfe den ersten Stein – schließlich genießen die meisten von uns den Duft von frisch Gebratenem und Geröstetem, das gemütliche Zusammensitzen und Plaudern. Aber was im Garten meist problemlos ist, hat auf Balkon und Terrasse – wenn der Nachbar kaum einen Meter weg ist – Konfliktpotenzial.

Wer pflichtschuldig recherchiert, was denn nun wirklich erlaubt ist, wird ein bisschen verwirrt von dannen ziehen. Da begegnet man Begriffen wie „ortsüblich“, „fachgerecht“ und „Durchschnittsempfinden“, wird auf Mietvertrag und Hausordnung verwiesen, auf Luftreinhaltegesetz und Brandschutzbestimmungen. Wirklich konkrete Regeln sind rar.

1. Warum gibt es kaum konkrete Regeln zum Braten auf dem Balkon?

„Weil es, soweit ersichtlich, noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Thema Grillen und Braten auf dem Balkon oder der Terrasse gibt“, erklärt Rechtsanwältin Olivia Eliasz. „Generell lässt sich sagen, dass es auf den Einzelfall angekommen wird.“ Die Störfaktoren – Lärm, Rauch, Geruch – sind tatsächlich sehr subjektiv und für den Gesetzgeber schwer zu fassen.

2. An welche Richtlinien kann man sich dann halten?

Mietvertrag, Wohnungseigentumsvertrag und Hausordnung können Grillen regeln – so kann das auf bestimmte Zeiten eingeschränkt sein, auch bestimmte Grillplätze, Häufigkeit und Dauer können festgelegt sein, ebenso die Vorrichtungen. Ob das Grillen gänzlich verboten sein darf oder – wie etwa Zigarettenrauchen – zur Wohnnutzung gehört, dazu steht das höchstgerichtliche Urteil noch aus: „Laut Literatur erscheint ein generelles Grill- und Bratverbot mit Holzkohle- und Gasgrillgeräten auf dem Balkon als rechtswirksam vereinbar. Zu beachten ist jedoch, dass eine entsprechende höchstgerichtliche Judikatur, soweit ersichtlich, nicht vorhanden ist“, erläutert Eliasz. Wer sich also nicht auf Experimente einlassen will, sollte sich an das Verbot halten.

3. Wenn der Nachbar grillt, handelt er also immer gesetzwidrig?

Nein. „Ist in der Hausordnung oder im Vertrag nichts Bestimmtes festgelegt, kann man davon ausgehen, dass man grillen darf“, sagt Christian Boschek, Wohnrechtsexperte der Arbeiterkammer Wien. Allerdings darf der Eifer nicht so weit gehen, dass der Nachbar gleich mitgeräuchert wird – hier kommt die „Ortsüblichkeit“ ins Spiel. Was in der eigenen Gemeinde, in der Umgebung und im Stadtviertel ortsüblich ist, beruht auf verschiedenen Faktoren wie baulichen Voraussetzungen, Abstand zum Nachbarn, Dauer und Häufigkeit. Eliasz nennt ein Beispiel: „Beim Grillen im Garten wird man eher von Ortsüblichkeit ausgehen können als auf einem Balkon in dicht besiedelter Wohnanlage. Wo sich der Balkon befindet, spielt wohl auch eine Rolle. Auf einer Dachterrasse wird es den Nachbarn weniger beeinträchtigen als in einem der unteren Stockwerke.“ Und das Maronirösten oder Würstelbraten auf einem dafür vorgesehenen Tischgrill ist ein großer Unterschied zu allabendlicher Räucherung mit Partylärm.

4. Was versteht man unter dem Begriff „fachgerecht“?

Der auch beim Grillen oft verwendete Begriff bedeutet hier – laut Information der MA 36, die auch die Feuerpolizei einschließt – Folgendes: „Der Verbrennungsvorgang von Grillfeuern in handelsüblichen Holzkohlegrillern oder gemauerten Grillern ist von einer geeigneten Person, die sich in Sichtweite der Feuerstelle aufzuhalten hat, in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren.“ Auch sollte man Löschmittel bereithalten und die Asche gut auskühlen lassen, bevor man sie entsorgt.

5. Was tun, wenn der Nachbar über die Stränge schlägt?

Grundsätzlich sollte das Gespräch immer das erste Mittel der Wahl sein. Bringt das nichts, können sich Mieter auch an den Vermieter wenden – auch der hat ein Interesse an der Schlichtung: „Der Mieter kann bei Störungen, die so groß sind, dass sie den Wohnungsgebrauch beeinträchtigen, gegenüber dem Vermieter einen Mietzinsanspruch geltend machen“, erklärt Boschek.

6. Was kann man tun, wenn das auf Dauer nichts hilft?

Kann auch der Vermieter nichts ausrichten, kann eine Unterlassungsklage eingebracht werden. „Das sollte man aber wirklich nur im Extremfall andenken“, rät Boschek. Im Fall von Eigentumswohnungen kann als letztes Mittel von der Mehrheit der anderen Wohnungseigentümer eine Klage auf Ausschluss aus der Wohnungseigentümergemeinschaft eingebracht werden. Voraussetzung ist „rücksichtsloses, anstößiges oder grob ungehöriges Verhalten gegenüber den anderen Hausbewohnern“, so Boschek. Wer solch rechtliche Horrorszenarien vermeiden will, sollte sich nachbarschaftlich verhalten, vorwarnen, im dicht bebauten Gebiet Holzkohle- durch Tisch- und Elektrogrill ersetzen. Und eines ist auch klar – wenn der Nachbar bei Maroni, Glühwein oder Würstel dabeisitzt, wird er sich kaum beschweren.

DOS & DON'TS

Wo kein Kläger, da kein Richter? Ganz so einfach ist es trotz uneindeutiger Gesetzeslage nicht. Voraussetzung für das Miteinander ist die gegenseitige Rücksichtsnahme, die bei Konflikten oft ausschlaggebend ist. Nach Herzenslust draufloszugrillen, bis sich jemand beschwert, kann also leicht damit enden, dass einem selbst auch kein Verständnis entgegengebracht wird – was man, wenn man zurückhaltend, mit Elektrogrill und nicht zu oft (oder bei einem zuvor angekündigten Fest) grillt, viel eher erwarten kann und darf. „Ortsüblich“ kann auch bedeuten, dass sich jeder ein wenig, niemand zu sehr, austoben kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2019)

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