Grundrisse: Ganz am Anfang steht das Maß aller Dinge

Wie sich durch geschicktes Planen frühzeitig Kosten senken lassen, was es zu beachten gilt, und welche Fehler man tunlichst vermeiden sollte.

Man kann gar nicht früh genug damit anfangen: Wer denkt, dass man erst einmal ein Grundstück oder einen Rohdachboden besitzen sollte, ehe man sich an den richtigen Grundriss macht, denkt falsch. „Am besten ist es, sich darüber Gedanken zu machen noch bevor man etwas erwirbt“, plädiert Architekt Michael Ogertschnig von Holodeck Architects für ein frühzeitiges Planen. Zu viele Faktoren müssen berücksichtigt werden, noch lange bevor man darüber nachdenkt, wo später der Herd stehen und das Haupt gebettet werden soll. „Das fängt schon beim Grundstück mit der Zufahrts- und Tageslichtsituation an“, erklärt er, „da muss geklärt werden, wie schaut es im Sommer und im Winter mit dem wirklichen Sonneneinfall aus, wo gibt es Verschattungen durch Bäume oder Nachbarn“. Letztere spielen auch dann eine Rolle, wenn es um Fensterflächen und -ausrichtungen und die damit verbundenen Einblicke geht. Andere Faktoren, die noch vor der Planung auch nur der äußeren Wände eine Rolle spielen können, sind Emissionen: der Lärm einer nahe vorbeiführenden Straße oder Bahnlinie oder gar Hanglagen, die wiederum gänzlich andere Lösungen erfordern.
Ist einmal geklärt, welche äußeren Faktoren eine Rolle spielen, geht es um die Erforschung des Innenlebens der Bauherren. „Man muss sich einfach sehr mit dem Alltag der Bauherren befassen und sich auf eine wirkliche Auseinandersetzung mit deren Bedürfnissen einlassen“, beschreibt Anke Stern, von Destilat Architecture & Design. „Denn da kommt nicht wie im Fernsehen Tine Wittler, und dann sieht plötzlich alles aus wie aus dem Ikea-Katalog“, lacht die Innenarchitektin. Und auch Ogertschnig weiß, dass Wunsch und Wirklichkeit oft auseinanderklaffen: „Viele haben Ideen, die aus Magazinen stammen, aber nicht den wirklichen Bedürfnissen entsprechen.“ Um diesen Rechnung tragen zu können, müssen sich die Bauherren zunächst einmal darüber klar werden, was das Haus oder die Wohnung sein soll. Eher ein Ort zum Repräsentieren oder ein privates Nest? Ein großzügiges Refugium für eine Einzelperson oder eine Gemeinschaftswelt für die Großfamilie? Manche Erfordernisse stellen sich auch bei eingehender Betrachtung anders dar als auf den ersten Blick. „Viele wollen eine tolle Küche, und dann stellt sich im Gespräch heraus, dass sie aber eigentlich mehr der Salat- und Mikrowellenfraktion angehören“, so Stern. „Dann muss ich natürlich anders planen als bei einem Bauherrn, der das Kochen sehr ernst nimmt.“
Um herauszufinden, wie viel Raum die jeweiligen Bedürfnisse der Bauherren im Alltag wirklich beanspruchen, fängt man bei der Grundrissplanung einmal recht grob an, ehe man sich zu den Details vorarbeitet. Hier werden private von öffentlichen Bereichen getrennt, Zonen für die unterschiedlichen Personenkreise, Tätigkeiten und Funktionen geschaffen. Sind diese festgelegt, geht es an die Details, die so lange weiter ausgearbeitet werden, bis es um die einzelnen Möbelstücke geht.

Keinen Platz vergeuden

Auf dem Weg dahin gilt es, die klassischen Fehler zu vermeiden: Das heißt, keine gegeneinander aufschlagenden Türen zu planen, möglichst wenig toten Raum zu kreieren, keine unnötigen Quadratmeter an lange Gänge zu verschwenden oder beispielsweise bei Abstellräumen darauf zu achten, dass neben dem Türstock genügend Platz ist, um Schränke aufstellen zu können.
Außerdem lassen sich natürlich Kosten sparen, wenn man die Nasszonen kombiniert – sowohl vertikal als auch horizontal – und damit weniger Rohre und Anschlüsse verlegt werden müssen.
Ganz wichtig ist es auch, mit genauen Zahlen zu arbeiten. „Das Wichtigste ist, dass das Aufmaß ganz korrekt ist“, so Stern. „Mit Angaben wie ,Das sind ungefähr zwei Meter ganz genau‘ fängt man natürlich wenig an“, fügt sie lachend hinzu. Zwar seien Ungenauigkeiten von ein paar Zentimetern notfalls keine Katastrophe, Abweichungen von 50 bis 60 Zentimetern können aber für massive Probleme sorgen. Mit ein Grund, warum Architekten zumindest ein Kontrollmaß nehmen, um zu sehen, ob der Plan auch korrekt ist. Sich auf das Augenmaß der Bauherren zu verlassen ist auf jeden Fall keine Option, denn da weichen Vorstellung und Wirklichkeit oft voneinander ab: „Kunden stellen sich für alles immer eher zu viel als zu wenig vor“, so Stern, das reicht vom benötigten Platz bis zur Größe des Fliesenspiegels.
Neben der Erfüllung der aktuellen Wohnwünsche sollen die Grundrisse flexibel genug gehalten sein, dass sich das Haus später, wenn die Kinder aus dem Haus sind, perfekt zum barrierefreien Heim mit Einliegerwohnung umgestalten lässt. „Barrierefrei ist natürlich immer gut“, gibt Stern zu, „allerdings ist es mit einem flexiblen Grundriss oft ähnlich wie mit einem Schlafsofa: Entweder ist etwas ein gutes Bett oder ein gutes Sofa, da muss man wirklich das Für und Wider abwägen.“ Zumal auch gar nicht alle Eventualitäten der Zukunft schon gleich mitberücksichtigt werden müssen. „Durch die Werkstoffe, die man heute hat, ist es ja oft kein Problem mehr, später etwas zu ändern“, gibt Ogertschnig zu bedenken, „und dann ist es besser, dass man jetzt baut, wie's jetzt passt.“ Um dann später so umbauen zu können, wie es später wirklich passt.
Wobei manche Bauherren ihren einmal gefundenen perfekten Grundriss nicht mehr hergeben wollen: „Es kommt immer wieder vor, dass Kunden zu uns mit dem Grundriss ihrer alten Wohnung kommen und sagen Wir wollen es genau so wieder, nur eben größer‘“, berichtet Stern. Manchmal gilt eben die Losung „Never change a winning team.“ (SMA)

Planung

Früh anfangen: Am besten macht man sich schon vor dem Kauf eines Grundstücks oder einer neuen Wohnung Gedanken um den richtigen Grundriss.
Ehrlich sein: Wenn es passen soll, müssen alle Bewohner ihre Bedürfnisse klar erkennen und kommunizieren. Braucht es einen Repräsentationsort oder einen Rückzugsraum? Ist die große Offenheit gefragt – oder Türen zum Zumachen? Kann man mit fließenden Übergängen leben, oder braucht man klare Zuordnungen der Funktionen?
Von groß nach klein: Nach der Berücksichtigung der äußeren Faktoren werden im Inneren zunächst Zonen geplant, die dann auf die einzelnen Räume heruntergebrochen werden.
Genau sein: Ein korrektes Aufmaß ist das Um und Auf guter Planung. Wer hier spart, zahlt hinterher drauf.
Sinnvoll anordnen: Wenn Nassräume über- und nebeneinander geplant werden, spart das Rohre, Leitungen und Geld. Auch lange Flure schlucken nur teure Quadratmeter, die anders besser genutzt werden können. (SMA)

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