Kleine Makel sind erlaubt, plumper Luxus eher nicht

Land- und Herrenhäuser. Der Markt der altehrwürdigen Anwesen folgt eigenen Regeln.

Sie gehören zu den wenigen Luxusimmobilien, denen auch kleine Fehler verziehen werden: Bei Land- und Herrenhäusern können der historische Charme, ein verwunschener Garten oder eine besondere Lage so manchen Käufer mit einer leicht abblätternden Fassade versöhnen – was sonst bei Liegenschaften im Highend-Bereich undenkbar ist. Aber zumindest die eine Hälfte der Klientel tickt hier anders und will gerade kein zu perfektes Ergebnis. „Eine Begrenzung des Charmes ist grundsätzlich nie gefragt“, weiß Alexander Kurz, Inhaber der gleichnamigen Salzburger Immobilienkanzlei.

Charme und Charakter

„Wer ein Herrenhaus sucht, will den Charakter der Jahrhundertwende oder der Zwanzigerjahre und dicke Mauern, die Geschichte ausstrahlen. Sonst kann ich mir gleich einen Architekten nehmen und mir ein neues Anwesen hinstellen lassen.“ Zwar gäbe es einen gewissen Anteil an Kunden, die auf der Suche nach perfekten Anwesen sind und keine Zeit für Renovierung verschwenden wollen, „aber viele wollen dezidiert nicht, was schon abgeschleckt ist“, wie es Kurz auf den Punkt bringt. Eine Erfahrung, die Fridolin Angerer, bei Spiegelfeld Immobilien für den Bereich Forst, Land, Schlösser verantwortlich, teilt. „Solche Häuser müssen nicht perfekt sein, vielen ist es lieber, das Haus ist im Urzustand“, so der Makler. „Natürlich nur, wenn es eingepreist ist und nicht ein Neubauwert für eine Bruchbude verlangt wird.“ Meist wolle der neue Eigentümer solche Objekte selbst renovieren und dabei seine Farben, Küchen und Bäder selbst aussuchen. Was neben geschmacklichen Präferenzen auch dazu beiträgt, dass der neue Besitzer weiß, wie sorgfältig und mit welchen Materialien die Restaurierung des Anwesens durchgeführt wurde, „und dass da nicht nur drübergefärbelt wurde“, wie Kurz betont.

Teilweise kann ein zu luxuriöses „Make-over“ der altehrwürdigen Gemäuer regelrecht abschreckend auf potenzielle Käufer wirken, wie Angerer berichtet: „Ich weiß von einem ländlichen Anwesen, das ein Investor gekauft und dann aufwendigst samt Bädern und Swimmingpool vor der Tür renoviert – und es damit nahezu unverkäuflich gemacht hat. Indem er am falschen Ort einfach zu viel vorweggenommen hat.“

Lebensstil statt plumpen Luxus

„Mit dem Kauf einer solchen Immobilie ist immer die Suche nach einem gewissen Lebensstil verbunden“, betont Georges Luks, CEO von Austria Sotheby's International Realty, „und Österreich hat diesbezüglich auch bei der internationalen Klientel einen hohen Stellenwert. Da geht es nicht um Luxus im Sinne von goldenen Armaturen im Bad, sondern um die Historie.“ Und wer so etwas suche, sei durchaus bereit, kleine Abstriche zu machen und in die Erhaltung zu investieren.

Was aber sind die Faktoren, die das Herz dieser Käufer höherschlagen und sie das eine oder andere Auge zudrücken lässt? „Das können die unterschiedlichsten Dinge sein“, weiß Angerer. „Ein großer Grund mit einem schönen Altbaumbestand und einem Gewässer“, so der Makler. „Wenn ein Bächlein vorhanden ist oder ein Gartenteich, erhöht das immer den Wert.“ Aber auch der Abstand zu den Nachbarn spiele eine große Rolle. Gesucht werden Häuser, die eher in der Mitte des Anwesens stehen und durch Bäume und Hecken vor Einblicken geschützt sind. „Denn es nutzt der längste Garten nichts, wenn der Zaun des Nachbarn nur ein paar Meter entfernt ist“, so Angerer.

Außerdem immer gern gesehen sind natürlich gekieste Auffahrten, auch das gute alte Kaisergelb löst bei der richtigen Klientel nach wie vor Freude aus. Genau wie eine etwas versteckte Lage, denn die angeberisch-bedrohliche Burg auf dem Hügel über der Stadt ist für viele nicht Ziel der Begierde. Dafür werden dann bei Landhäusern ein wenig niedrigere Räume gern in Kauf genommen und Fenster akzeptiert, die nicht das Prädikat „bodentief“ tragen. Oder wird ein baulicher Zustand toleriert, der noch deutliche Zuwendung braucht, um aus dem stattlichen auch ein wirklich trockenes Gemäuer zu machen.

Was aber nicht heißt, dass die Liebhaber solcher Liegenschaften barmherzige Samariter sind, die keinerlei Ansprüche stellen – ganz im Gegenteil. „Wie bei allen Immobilien spielt natürlich auch hier die Lage, Lage, Lage eine gewaltige Rolle“, so Kurz. „Ein Anwesen an der tschechischen Grenze lässt sich sicherlich deutlich schwerer verkaufen als eines im Salzkammergut, bei Kitzbühel oder bei Salzburg.“ Und bei allem Understatement wissen natürlich auch die Besitzer von Herrenhäusern den leisen, unaufdringlichen Luxus zu schätzen: „Er muss nicht prunkvoll für jedermann sein, aber im Freundeskreis darf damit schon Wirkung erzielt werden“, weiß Angerer. Dazu gehört alles, was einen gewissen „Schmuckkästcheneffekt“ erziele, beispielsweise antike Kachelöfen und natürlich Flügeltüren, Parkettböden und Holzvertäfelungen. Aber auch besondere Bäume im parkähnlichen Garten, ein Brombeerstrauch, der wirklich süße Beeren hergibt und ein Apfelgeruch, der über dem Anwesen liegt, weil die Obstwiese mit Früchten übersät ist.

Ruhiger Markt

Für diese kleinen Dinge, gepaart mit guter Substanz und Lage, sind die Käufer häufig bereit, im Verhältnis mehr zu zahlen als für das fast neuwertig anmutende Herrenhaus mit Pool – auch wenn der Markt derzeit eher ruhig ist, wie Angerer berichtet. Für kleinere Landhäuser rund um Wien beginnen die Preise derzeit bei rund 400.000 Euro, „über der Millionengrenze bremst es sich deutlich ein“, so der Makler. Für stattliche Herrenhäuser im Land Salzburg müssen dagegen eher drei Millionen Euro investiert werden, so Kurz, aber wie bei allen Liebhaberobjekten sind wenig Grenzen nach oben gesetzt. Wobei die Liebhaberei manchmal eher auf der Seite der Verkäufer den Preis zunächst ein wenig marktfern bestimmt, denn wer in mindestens dritter Generation in einem Anwesen groß geworden ist, sieht darin naturgemäß einen höheren Wert als den, den der Markt wirklich hergibt. „Da liegen die Vorstellungen dann manchmal ein wenig auseinander“, weiß Angerer um eine andere Besonderheit, wenn es um diese Liegenschaften geht. (SMA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2017)

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