Europas größte Fachmesse für Immobilien und Investitionen gilt als Gradmesser für die künftigen Entwicklungen. Im Fokus stehen heuer unter anderem die Digitalisierung und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum.
Nachdem die letztjährige Expo Real in weiten Teilen von der britischen Entscheidung, die EU zu verlassen, geprägt war, wendet man sich auf Europas größter Fachmesse für Immobilien und Investitionen heuer wieder den eigentlichen Themen der Branche zu. Einen Programmschwerpunkt bilden demnach Digitalisierung und Innovationen, daneben werden in den Panels aber auch die Einflüsse der globalen wirtschaftlichen und politischen Situation sowie die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum diskutiert.
Schlüssel der Zukunft
„Digitalisierungsprozesse sind mittlerweile State of the Art“, sagt Christoph Stadlhuber, Geschäftsführer der Signa: „Die Kommunikations- und Informationsbranche ist schon längst davon geprägt, mittlerweile hat der Trend auch den Immobiliensektor erfasst.“
Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Während 2011 lediglich 186 Millionen US-Dollar in kommerzielle Immobilien-Tech-Start-ups flossen, erreichten die Investitionen in diesem Bereich im Vorjahr bereits rund 2,7 Milliarden. Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat weltweit rund 1600 Immobilien-Tech-Start-ups ermittelt, die mit ihren Innovationen den Markt nachhaltig verändern. Der digitale Wandel verändert rasant die Prozesse in Planung, Bau, Vermarktung, Verkauf, Verwaltung und im Betrieb von Immobilien und „animiert uns, unsere Modelle grundlegend zu überdenken“, sagt Stadlhuber. „Die digitale Vernetzung, neue Technologien und neue Methoden sind der Schlüssel in der Entwicklung der Immobilienwirtschaft.“
Laut einer aktuellen Studie des deutschen ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V. identifizieren mehr als 90 Prozent der befragten klassischen immobilienwirtschaftlichen Unternehmen für sich das Thema Digitalisierung als sehr relevantes Handlungsfeld. Und das Rad der Digitalisierung dreht sich immer schneller. „Wer diese Kräfte nicht für sich und seine Geschäfte nutzt, kommt langfristig unter die Räder“, ist Stadlhuber überzeugt. Für ihn ist es daher umso wichtiger, ständig über den Tellerrand zu blicken und den digitalen Wandel aktiv mitzugestalten.
Von Politik unbeeindruckt
Die zahlreichen politischen Veränderungen der vergangenen Jahre haben die Immobilienwirtschaft hingegen nur am Rande tangiert. Der Brexit etwa, der im Herbst 2016 noch alle Schlagzeilen beherrschte, wird jetzt als eher als innenpolitisches Thema der Briten angesehen. Auch von den diversen Regierungswechseln oder wichtigen Wahlen ließ sich die Branche kaum beeindruckten: „Investoren richten ihre Entscheidungen nach der mittel- und langfristigen wirtschaftlichen Entwicklung eines Markts, die allgemein sehr verzögert auf politische Veränderungen reagiert“, erläutert Christoph Lukaschek, Abteilungsleiter Investment bei der Otto-Immobilien-Gruppe. Sofern es nicht zu größeren Verwerfungen komme, wirkten sich regionale demografische Entwicklungen langfristig stärker auf die Immobilienmärkte aus als globale Veränderungen. „Es gibt eine Reihe makroökonomischer und politischer Faktoren, die zum Teil erheblichen Einfluss auch auf lokale Märkte haben“, erklärt Hans Peter Weiss, Geschäftsführer der ARE Development, die er aktuell eher als Vorteile für die Branche wertet: „Stichwort Betongold: Je größer die subjektiv empfundene Unsicherheit, desto lukrativer – nicht nur in monetärer Hinsicht – ist das Investment in Immobilien. Sowohl im privaten als auch im gewerblichen Bereich“, betont er. Eine massive Abkehr von einem politischen Konsens, wie er aktuell in der Türkei befürchtet wird, kann „die Einschätzung eines Investitionsstandorts aber nachhaltig verändern“, ergänzt Lukaschek.
Als ein zentrales Thema vor allem im deutschsprachigen Raum wertet Alexander Nußbaumer, CEO der Vorarlberger Unternehmensgruppe Zima, die Produktion von Wohnraum. Dieser würde derzeit alle Kapazitäten erfordern, hinke in ihren Möglichkeiten aber weit hinterher. „Was uns nach wie vor belastet, ist die Regulierungswut im deutschsprachigen Alpenraum. In allen Märkten stoßen wir auf unterschiedliche Regionalparlamente und Gesetzgebungen“, moniert der Experte. Er verweist in diesem Zusammenhang als Beispiel auf die neun verschiedenen Bauordnungen und die damit verbundene unterschiedliche Gesetzgebung in Österreich, was das Bauen und in Folge auch das Wohnen unnötig teuer mache. „Diese ganzen Regelwerke generieren keinen Mehrwert für den Kunden“, kritisiert er.
Ruf nach Harmonisierung
Für leistbaren Wohnraum wären harmonisierte Baunormen und Verordnungen notwendig. „Damit könnten wir auch im Bau eine stärkere Industrialisierung schaffen – ähnlich wie in der Automobilindustrie“, betont Nußbaumer. Wobei er nicht von einer Einheitsarchitektur spricht, sondern den Kosteneinsparungseffekt im Auge hat. Aktuell benötigt das Unternehmen laut seinen Aussagen für seine Projekte einen riesigen Pool an Fachplanern, da beispielsweise ein Konzept aus Tirol für München nicht funktioniert. „Das macht unser Geschäft sehr herausfordernd. Nicht nur für Zima, sondern für die ganze Branche“, sagt der CEO.
Die politisch Verantwortlichen würden zwar kostengünstigen Wohnraum postulieren, deren Forderungen seien aber maßgeblich verantwortlich dafür, dass es dazu nicht komme. Nußbaumer: „Erst wenn wir wirklich an die Grenzen der Leistbarkeit stoßen, wird der Gesetzgeber versuchen, hier eine Vereinfachung zu schaffen.“
MESSE-INFO
Die Expo Real geht vom 4. bis 6. Oktober in der Messe München über die Bühne. Erwartet werden mehr als 1900 Aussteller aus 35 Ländern. Schwerpunkte bilden heuer die Digitalisierung und die Entwicklungen auf dem Wohnimmobilienmarkt, das Investment Locations Forum nimmt den asiatisch-pazifischen Markt ins Visier. Österreich repräsentiert mit rund 70 ausstellenden Unternehmen traditionell einen der am stärksten vertretenen Märkte auf der Messe. Das zeigt sich unter anderem an den beiden österreichischen Gemeinschaftsständen „Europa Mitte“ und „Austria“, an denen nahezu alle Key-Player der heimischen Immobilienbranche vertreten sind. www.exporeal.net
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2017)