Grätzelwalk

Auf den Spuren des ersten U-Bahn-Baus: "Das war vielen äußerst suspekt"

Johann Hödl vor dem Otto-Wagner-Pavillon auf dem Karlsplatz.
Johann Hödl vor dem Otto-Wagner-Pavillon auf dem Karlsplatz.(c) DIMO DIMOV
  • Drucken

„Der Karlsplatz ist kein Platz, sondern eine Gegend“, meinte schon Otto Wagner 1899. Unterwegs mit dem Wiener-Linien-Historiker Johann Hödl.

Der (Aus)bau von U2 und U5 wirft seine Schatten voraus, stark frequentierte Plätze wie die Mariahilfer Straße zwischen Zoller- und Kirchengasse werden wieder zur Baustelle werden. Für Wien-Kenner nichts Verwunderliches. Anders 1969: Da begannen auf dem Karlsplatz die ersten Arbeiten zur U1. Und die dauerten. „Der Karlsplatz mutierte im Volksmund zum Chaosplatz, da er vollkommen aufgegraben und natürlich für den Verkehr gesperrt war“, erzählt Johann Hödl von den Wiener Linien. „Die ganze Favoritenstraße bis zum Südtiroler Platz war eine einzige offene Baustelle. Für die Fußgänger blieb nur ein ganz schmaler Streifen.“ Vor allem der Zeithorizont war damals ungewohnt. „Dass eine Baustelle über Jahre hinweg bestehen bleiben sollte, führte bei vielen Wienern zu Unmut“, erläutert Hödl.

Unten Bahn, oben Gestaltung

Spaziert man über den Platz, die Wiedner Hauptstraße und dann die Favoritenstraße in Richtung Südtiroler Platz entlang vorbei an den vielen klassizistischen Bauten oder dem Theresianum, denkt niemand daran, dass unter seinen Füßen die U1 dahinbraust. Dabei hat der U-Bahn-Bau einen ganz wesentlichen Anteil am heutigen Antlitz der Stadt. „Die Oberflächengestaltung und die Planung der Grätzel waren immer ein wichtiger Teil des U-Bahn-Baus“, sagt Hödl. „Man hat sich bemüht, den Wünschen der Bürger so weit wie möglich nachzukommen, und immer versucht, eine Lösung zu finden, die zur jeweiligen Zeit State of the Art war.“ So ist zum Beispiel die erste Fußgängerzone Wiens nach Beendigung der Bauarbeiten in der Favoritenstraße entstanden. Auch die berühmten Otto-Wagner-Pavillons auf dem Karlsplatz „wurden nach einer aufwendigen Restaurierung erst nach Eröffnung des ersten U-Bahn-Abschnitts und im Zuge der Neugestaltung des Platzes dort aufgestellt“, erzählt Hödl aus seinem großen Wissen über die Wiener U-Bahn.

Von der Au zum Unterweltstor

Bereits 1844 gab es erste Pläne für eine „atmosphärische Eisenbahn, teilweise als U-Bahn, vom Lobkowitzplatz nach Hütteldorf“, erzählt Hödl. „Der nächste Versuch fand 1883 statt und wurde aufgrund des Wiener Börsencrashs nicht verwirklicht. 1892 entschied man sich für den Bau einer oberirdischen Stadtbahn, 1897 begann man den Wienfluss, auch auf dem heutigen Karlsplatz, zu regulieren und zu überwölben – und nannte den entstandenen Platz nach Kaiser Karl VI., dem Auftraggeber der Karlskirche 1716.

Sofort begannen die Streitigkeiten um die Gestaltung: Otto Wagner legte Pläne vor, die von konservativen Kreisen vehement abgelehnt wurden. „Der Karlsplatz ist kein Platz, sondern eine Gegend“, formulierte er die Schwierigkeiten, aus der ehemaligen Uferlandschaft einen Platz zu gestalten. Im Wesentlichen wurden seine Pläne dann in den 1950er-Jahren umgesetzt.

Bezüglich einer U-Bahn fanden im März 1914 Besprechungen zwischen österreichischen und französischen Banken zur Finanzierung statt, die mit Kriegsausbruch zum Erliegen kamen. 1939 wollten die Nationalsozialisten eine U-Bahn bauen, es gab sogar Probebohrungen, aber dann wurden sämtliche Pläne aufgrund der Kriegsereignisse eingemottet. „Dann wurde bis 1965 hauptsächlich gestritten“, sagt Hödl: „Die Realisierung einer U-Bahn in Wien ist mehr als 100 Jahre lang immer knapp gescheitert.“ Erst 1969 ging es los: Am Karlsplatz, der zu einem der wichtigsten Knotenpunkte Wiens geworden war, begann man den Abstieg in die Tiefen der Stadt. „Vielen Wienern war das Ganze äußerst suspekt, sie hatten, auch aufgrund der Kriegserlebnisse, große Scheu davor, sich in den Untergrund zu begeben oder mit einer Bahn unter der Stadt zu fahren. Um den Menschen die Angst zu nehmen, hat man zwischen Karlsplatz und Taubstummengasse einen Probebetrieb eingeführt.“

Der U2/U5-Ausbau wird den Karlsplatz nicht tangieren – vorerst. In weiterer Zukunft allerdings wird die U2 den Platz nicht mehr anfahren, dafür die U5 – und von hier bis zum Hernalser Elterleinplatz.
•Infocenter U2/U5, Station Volkstheater, Dienstag und Donnerstag 16–19 Uhr (Zwischengeschoß Ausgang Burggasse), www.wienerlinien.at
•Ausstellung Otto Wagner, Wien-Museum, www.wienmuseum.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Grätzlspaziergang

Wien 5: Die Kleeblätter von Margareten

Mit Designerin und Quilt-Workshopleiterin Ege Kökel auf der Suche nach „neuer“ Vintage, alter Symbolik, sonniger Kulinarik und grünen Plätzchen in Maragareten.
Kai Krösche (links) und Victoria Halper im Innenhof des WUK (Werkstätten- und Kulturhaus).
Grätzltour

Alsergrund: Im Viertel der Gegensätze

Mit den „Heimweh“-Regisseuren Victoria Halper und Kai Krösche durch den 9. Bezirk zwischen alter WU, ehemaliger „Kinderübernahmestelle“, besonderen Lokalen und dem eingerüsteten WUK.
Weigel vor dem Café Einfahrt am Karmelitermarkt.
Grätzeltour

Was die Leopoldstadt erzählt

Mit Schauspieler und Regisseur Ernst Kurt Weigel durch den zweiten Bezirks zwischen Karmelitermarkt und Donaukanal.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.