Eine Stadt namens Flughafen

Martin Kügler, Leiter des Terminalbetriebs, und Klarissa Stoiser, Leiterin der internen Kommunikation.
Martin Kügler, Leiter des Terminalbetriebs, und Klarissa Stoiser, Leiterin der internen Kommunikation. (c) DIMO DIMOV
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Grätzeltour. Seit 1938 in Betrieb, hat sich der Flughafen Wien-Schwechat zu einem urbanen Mikrokosmos entwickelt. Klarissa Stoiser und Martin Kügler über ihren Arbeitsplatz.

Wer per Auto zum Flughafen Wien kommt, fährt am Ortsschild „Flughafen“ vorbei. Ganz so, als würde man eine eigene Gemeinde betreten – und in der Tat funktioniert der Flughafen Wien wie eine Stadt, die stetig wächst und für unterschiedlichste Firmen als Standort infrage kommt. Mit mehr als 52.500 Jobs ist der Flughafen Wien der größte Arbeitgeber der Ostregion Österreichs. „Ein Großteil der hier tätigen Personen fühlt sich ihrem Grätzel verbunden“, sagt Klarissa Stoiser, Leiterin der internen Kommunikation und selbst seit 20 Jahren auf dem Airport beschäftigt.

Der Zusammenhalt der Gemeinde wird durch Musikkapelle, Babytreffen für Jungeltern und eigenem Fußballklub gestärkt. Die gesamte Infrastruktur wird unter dem Begriff „Airport City“ vermarktet. Zusammen mit den umliegenden Anrainergemeinden tritt der Flughafen als Vienna-Airport-Region auf. Rund 250 Unternehmen haben sich auf dem Wiener Airport niedergelassen, im Office Park werden Büroflächen vermietet. Bei Bauentscheidungen und Projektverwirklichungen holt der Airport Umlandgemeinden und Anrainer ins Boot. „Für unser Projekt zum Bau der dritten Piste führten wir ein Mediationsverfahren durch. Das größte, das jemals von einem Flughafen in Europa initiiert wurde“, sagt Stoiser. „Aus dem daraus entstandenen Dialogforum bleiben wir mit den Anrainern in Kontakt.“

Digitalisierte Stauvermeidung

Nicht nur Büro- und Geschäftsflächen wachsen, auch Flugaufkommen und Passagierdichte nehmen kontinuierlich zu. Heute sind mehr Passagiere an einem Tag auf dem Flughafen als im Gründungsjahr 1954. 2017 verzeichnete der Flughafen Wien mit 24,4 Mio. Reisenden einen neuen Passagierrekord. „Damit es nirgendwo staut, achten wir darauf, den Besucherstrom im Fluss zu halten“, sagt Martin Kügler, Leiter des Terminalbetriebs. Er gewährt Einblick ins Herzstück des Flughafens – das Terminal Operation Center (TOC), das sich gemeinsam mit der Sicherheitszentrale im Terminal 3 befindet. Auf den Monitoren des Airport-Kontrollcenters laufen die Infos der rund 2700 Überwachungskameras zusammen. „Hier werden alle Prozesse gesteuert, analysiert und vorgenommen“, erklärt Kügler. Dank digitalen Vorausschauens weiß er immer, wie viele Passagiere landen, und kann über Personal und Positionierung der Flugzeuge mitentscheiden. „In Europa gibt es nur wenige Airports, die Incomings mitbetreuen. Die meisten orientieren sich auf Outgoings. Wir sind Europaspitzenreiter mit den kürzesten Wartezeiten.“

Im abgeschotteten Terminal Operation Center besteht eine Schnittstelle mit der Grenzpolizei. „Das garantiert, dass auch bei Gate-Verlegungen genügend Personal bei den Grenzkontrollen verfügbar ist.“ Alle 15 Minuten findet eine Datenauswertung statt, und im Dreistundenrhythmus werden die Spitzenzeiten analysiert, um mit der Sicherheitskontrolle – dem Pendant zur Grenzkontrolle – eventuelle zusätzliche Sicherheitsstraßen zu öffnen.

Verstecktes Service

Der Grätzelcharakter des Flughafen Wiens spiegelt sich auch in den vielen Zusatzservices. „Es kommt drei- bis viermal pro Tag vor, dass Reisende ihren Reisepass vergessen haben oder die Gültigkeit abgelaufen ist. Auf dem Flughafen gibt es ein eigenes Amt, das für die Dauer der Reise Notpässe ausstellt“, erzählt Kügler. „Das rettet im Jahr rund 1800 Personen den Urlaub oder die Geschäftsreise.“

Speziell zu Ferienbeginn steigt mit der Zahl der Passagiere auch die Häufigkeit der Verluste. „Im Jahr zählen wir bis zu 27.000 Funde. Am häufigsten Smartphones und Tablets“, sagt Kügler. Seit Einführung des Online-Verlustmeldesystems und der Vernetzung mit dem Wiener Fundbüro liege die Rückgabequote bei 50 Prozent. Innovativ ist auch das neue Gepäcksaufbewahrungszentrum, bei dem der Wintermantel vor Antritt einer Maledivenreise für die Dauer des Urlaubs zurückgelassen werden kann. Oder das Heinemann-Pick-up-Service, bei dem Reisende vor Reiseantritt im Duty Free einkaufen können und ihre Ware bis zur Reiserückkehr beim Info-Schalter aufbewahrt wird. Für Passagiere findet im multikonfessionellen Andachtsraum jeden Sonntag eine Messe statt. Manchmal sind es die kleinen Services, die eine Stadt sympathisch machen.

AUF EINEN BLICK

Der Flughafen Wien wurde 1938 als Militärflugplatz in Betrieb genommen. 1953 wurde die Wiener Flughafenbetriebsgesellschaft gegründet, aus dieser wurde 1992 die Flughafen Wien AG.

2004 wurde der Office Park errichtet, seit 2006 gibt es ein ausgebautes Air Cargo Center und ein neues VIP- und General Aviation Center. Weitere Ausbaupläne betreffen nicht nur den Airport selbst – so soll zu den zwei bestehenden Hotels (NH Hotel und Moxy) demnächst ein drittes hinzukommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2018)

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