Serie: Baustoffe

Beton: Stoff für Architektenträume

Geschwungene Balkone beim Salzburger „Stadtpark Lehen“.
Geschwungene Balkone beim Salzburger „Stadtpark Lehen“.(c) Andreas Buchberger
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Auskragende Formen, schräge Wände – Beton lässt beim Bau dank guter Trag- und Druckfestigkeit viel Platz für Kreativität. Energetisch gibt es aber einige Mankos.

Beton hat einen schlechten Ruf“, sagt die Grazer Architektin Marion Wicher. Kein Wunder, werden mit dem massiven Baustoff in Zusammenhang mit Wohnbau doch sofort die aus den 1960er- und 1970er-Jahren stammenden Plattenbauten assoziiert. Oder man denkt an Nutzbauten wie Bunker, Brücken oder Staumauern. Im Einfamilienhausbau war Beton daher lange Jahre im wahrsten Sinn des Worts in den Untergrund verbannt: Die Mischung aus Zement, Wasser und einem Gesteinseinschlag wie Kies oder Splitt kam meist nur als Baumaterial für den Keller infrage. Oder für Deckenbauteile und Stiegen.

Günstige Fertigteile

Dabei kann der unverwüstliche Baustoff wesentlich mehr. „Mit ihm sind der Gestaltungsfreiheit so gut wie keine Grenzen gesetzt“, sagt Wicher. Denn geschwungene Formen, Schalenkonstruktionen oder schwebende Bauteile können nur mit Beton realisiert werden. „Und das in einer Zartheit, die ihresgleichen sucht“, schwärmt Wicher. Flüssig lässt sich Beton nämlich in nahezu jede Form bringen. Entweder geschieht das mithilfe der Schalung vor Ort oder in einem Fertigteilwerk. Fertigteile aus Beton kommen sowohl im Hallen- sowie im mehrgeschoßigen Wohnbau zum Einsatz. „Das verkürzt die Bauzeit und senkt die Kosten“, sagt Wicher. Als weitere Vorteile führt sie die ausgezeichnete Tragfähigkeit sowie die Dichte des Betons ins Treffen: Letztere sorgt nicht nur für guten Schallschutz, sondern auch für weniger dicke Wände. „Damit gewinnt man im Vergleich zum Ziegelbau mehr Fläche“, sagt Wicher.

Die große Spannweite von Betondecken mache es darüber hinaus möglich, auf tragende Zwischenwände zu verzichten. Wurden diese Vorteile in der Vergangenheit vor allem für öffentliche Bauten wie beispielsweise die Wotruba-Kirche auf dem Georgenberg in Wien Liesing, das Festspielhaus in Erl in Tirol oder das WU Library and Learning Center der WU in Wien genutzt, halten sie in den letzten Jahren zunehmend auch im privaten, modernen Einfamilienhausbau Einzug.

Darüber hinaus sprechen noch andere Argumente für diesen Baustoff: etwa die Aktivierung des Betonkerns. „Man legt ein Wärmeleitsystem ein, mit dem man im Winter heizen und im Sommer kühlen kann“, beschreibt die Architektin. Die kontrollierte Wohnraumlüftung könne ebenfalls mit eingelegt werden. „Sonst werden diese Leitungen oft zwischen der massiven Wand und einer Rigipswand eingelegt. Dann geht aber die Speicherfunktion der massiven Wand verloren“, erklärt Wicher, die in 90 Prozent der Fälle mit Beton oder einer Mischung aus Ziegel- und Betonbauelementen arbeitet. Punkten kann Beton auch beim Brandschutz: Er gilt als nicht brennbar und gibt im Fall des Falles keine schädlichen Dämpfe ab. Selbst in der Innenarchitektur spielt Beton eine wachsende Rolle, sei es in Form von Möbeln wie etwa Küchenblöcken oder als Designelement: „Eine unverputzte Wand aus Sichtbeton ist durchaus ein Blickfang“, sagt Wicher.

Flexibel ist Beton nicht nur in Hinblick auf die sich damit ergebenden gestalterischen Möglichkeiten, sondern auch als Material selbst. Je nach Zusammensetzung lassen sich beispielsweise Gewicht und Tragfähigkeit, aber auch Wärmedämmfähigkeit oder Farbe verändern.

Teure Herstellung

Allen Vorteilen zum Trotz hat Beton ein paar Nachteile. In Hinblick auf die Atmungsfähigkeit sei Beton zwar nicht ganz so gut wie Ziegel, aber besser als Holz, so Wicher. Ein großes Manko allerdings liegt in der Produktion. „Die Herstellung ist sehr energieintensiv“, sagt Astrid Scharnhorst vom Österreichischen Institut für Bauen und Ökologie. Das gelte zwar auch für Ziegel. Da diese jedoch weniger Masse als Beton aufweisen, sei die Belastung bei deren Herstellung geringer. „Andererseits ist er gut recycelbar und kommt beispielsweise wieder im Straßenbau zum Einsatz“, sagt Scharnhorst. Zuvor müssen aber möglicherweise enthaltene Stahlteile herausgelöst werden, die daraufhin eingeschmolzen und so wiederverwertet werden können.

LEXIKON

• Estrich: Mörtelschicht, die als Fußboden auf einem tragfähigen Untergrund oder auf Dämmschichten angebracht wird.

• Farbiger Beton:
Die natürliche Farbe des Betons ist grau oder weiß. Mit (Kies-)Farbpigmenten kann Beton eingefärbt werden.

• Gefügedichter Leichtbeton:
Beton mit leichter Gesteinskörnung und geschlossener Oberfläche. Durch geringes Eigengewicht geeignet für weitgespannte Brücken, Hochhäuser und Fertigteile.

• Konkretbeton:
Historische Bezeichnung für Beton mit Zusatz von Splitt, Schutt oder anderem Recyclingmaterial. Er ist wasserdurchlässiger (poröser) und von wechselnder Qualität. Die englische Bezeichnung für Beton „concrete“ findet sich im Wort wieder.

• Leichtbeton: Lufteinschlüsse – durch leichte Gesteinskörnungen wie Bims, Blähton oder Blähschiefer – machen ihn besonders leicht. Die Wärmedämmfähigkeit ist höher als bei Normalbeton.

• Sichtbeton:
Beton, dessen Ansichtsflächen gestalterische Funktionen übernehmen und ein durch die Schalungshaut bestimmtes Aussehen haben.

• Stahlbeton:
Mit Stahleinlagen in Form von Drähten, Stäben oder Matten bewehrter Beton für Decken, Treppen oder Balkone.

• Stampfbeton:
Um 1820 erfundenes Gemisch aus Kies, Sand, Zement und Wasser, das durch Druckstöße beim Stampfen in der Schalung verdichtet wird.

• Transportbeton:
Transportbeton wird in stationären Betonmischanlagen hergestellt und mit Betonmischfahrzeugen zur Baustelle geliefert. Die Herstellung ist in der Europäischen Norm EN 206 festgelegt. [ Quelle: www.beton.org]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2018)

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