Die persönliche Note macht's

Gestaltung. Individueller oder „schlanker“ Arbeitsplatz? Wer kann in Sachen Gewinn- und Produktivitätsmaximierung mehr punkten? von Sonja Gerstl

Im Hauptquartier der Arbeiterkammer Wien gibt es – vom Einzelbüro bis hin zum Bibliothekszentrum – in Summe 530 Räume. Sie alle wurden im Zuge der umfassenden Sanierung und Erweiterung des Gebäudes völlig neu strukturiert, Corporate-Identity-konform adaptiert und ergonomischen Ansprüchen adäquat ausgestattet. Das Besondere: Die 550 Mitarbeiter hatten bei der Neugestaltung ihres Arbeitsplatzes Mitspracherecht. Als Büromöbel-Ausstatter fungierte Svoboda.

Bedürfnisse abfragen

Mehrere hundert Fragebögen wurden bearbeitet und Dutzende Beratungsgespräche geführt, der Consultingaufwand vom Kickoff bis zur fertigen Logistiklösung betrug mehr als 1300 Stunden. Wolfgang Zechmeister, Leiter Marketing und Produktmanagement von Svoboda Büromöbel, erklärt, dass zuerst die Bedürfnisse der Nutzer analysiert werden. „Der Aufwand dafür rechnet sich allemal, weil so für viele Jahre ein motivierendes Arbeitsumfeld geschaffen wird.“

Häufig ist eine derartige Vorgehensweise freilich nicht. So genannte „Lean Offices“ beziehungsweise Desk-Sharing-Modelle nach US-amerikanischem Vorbild sind auch bei uns keine Unbekannten mehr. „Lean Office“ meint dabei einen möglichst „schlanken“ und effizienten Arbeitsplatz. Funktional, mit einfacher und zweckmäßiger Einrichtung und ohne individuelle Komponente, genutzt von mehreren Mitarbeitern, bietet ein Arbeitsplatz für Unternehmen einen Vorteil – nämlich Einsparungen bei der Infrastruktur und dem laufenden Betrieb.

Allerdings birgt diese neue Büroform auch Risiken. Zechmeister: „Derartige Arbeitsbedingungen sollten im Vorfeld gemeinsam mit den Mitarbeitern genau überlegt werden, sonst kann es hinterher zu massivem Widerstand kommen, welcher mit Sicherheit den Spareffekt zunichte macht.“ Wissenschaftlich bestätigt wurde das in einer Studie der Fakultät für Psychologie der Universität von Exeter (UK). Dort hat man 288 Menschen in unterschiedlich gestaltete Offices gesetzt – vom Lean Office bis hin zum Arbeitsplatz, an dem die Probanden Pflanzen, Bilder und andere Dekorationsgegenstände frei platzieren konnten. Das Ergebnis: Die Versuchspersonen, die einen individuell gestalteten Arbeitsplatz vorfanden, waren zufriedener, motivierter und identifizierten sich stärker mit ihrem Arbeitgeber.

Die Psychologie der Architektur

Ulrike Gmachl-Fischer leitet das Beratungsunternehmen Kube; neben Training und Coaching von Firmen stehen in ihrer Tätigkeit auch architekturpsychologische Kriterien im Fokus. So hat sie unter anderem den Arbeitsbereich von Call-Center-Mitarbeitern, also dem Inbegriff von Lean-Office-Beschäftigten, unter die Lupe genommen. Ihr Fazit: „Es ist kaum verwunderlich, dass in dieser Gruppe die Burnout-Rate besonders hoch ist. Vom Agenten wird erwartet, dass er trotz Gefühlen von Ärger und Frustration freundlich und professionell agiert. Das macht auf Dauer krank. Das Management hat keinen Einfluss auf das stressauslösende Verhalten der Kunden, aber es kann eine Umgebung schaffen, die Entspannungsphasen ermöglicht.“

Ähnlich problematisch verhält sich die Situation bei Außendienstmitarbeitern. Gmachl-Fischer: „Menschen, die ihr Unternehmen nach außen hin repräsentieren, müssen sich bei ihrer täglichen Arbeit selbst extrem zurücknehmen. Wenn diese dann, zurück im Office, keinen persönlichen Bereich vorfinden, kann das relativ rasch zu Entfremdung und Entwurzelung führen.“ Denn wie können sie sich mit der Firma identifizieren, wenn es dort für sie nicht einmal ein Platz zum Arbeiten vorhanden sei?

Zahlreiche Unternehmen haben mittlerweile zur Kenntnis genommen, dass Bürokonzepte, die über die Köpfe der Mitarbeiter hinweg entschieden werden, nur bedingt Gewinnmaximierung mit sich bringen. Der Trend geht deshalb nun mehr in Richtung Produktivitätsmaximierung. Désirée Schellerer, Public Relations Manager von Bene Büromöbel: „Die Produktivität der Mitarbeiter wird längst nicht mehr nur anhand von Zahlen, sondern mittels weicher Faktoren gemessen. Benötigt werden differenzierte Orte, die ähnlich einer Stadtlandschaft die Kreativität fördern und Innovation zulassen.“ Das von Bene entwickelte Office-Konzept Parcs entspricht der Vorstellung einer modernen Arbeitswelt. Der eigene Schreibtisch ist dabei nicht zwingend vorgesehen, Familienfotos finden ebenfalls eher keinen Platz, dafür bekommen die Mitarbeiter etwas anderes: einen kommunikativen Ort, der funktionelle und abgeschirmte Zonen offeriert – Konzentration, Interaktion und Rückzugsmöglichkeiten inklusive.
www.kube.co.at, www.svoboda.at, www.bene.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.