Die CDU wählt ihre Zukunft

Der 63-jährige Wirtschaftsanwalt Friedrich Merz oder die 56-jährige Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer? Beim CDU-Parteitag am Freitag wird mit einer Stichwahl gerechnet.
Der 63-jährige Wirtschaftsanwalt Friedrich Merz oder die 56-jährige Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer? Beim CDU-Parteitag am Freitag wird mit einer Stichwahl gerechnet.(c) Kay Nietfeld / dpa / picturedesk (Kay Nietfeld)
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Der 63-jährige Wirtschaftsanwalt Friedrich Merz oder die 56-jährige Annegret Kramp-Karrenbauer? Beim CDU-Parteitag wird heute mit einer Stichwahl gerechnet.

Friedrich Merz

Er verkörpert eine CDU, wie sie früher einmal war. Das könnte Friedrich Merz zum Mann der Zukunft machen: Er setzt heute auf die Parteikonservativen.

Bei zwei Themen hat sich Friedrich Merz mittlerweile besonders akkurate Antworten zurechtgelegt: Wird er nach Angela Merkel gefragt, die ihn 2002 von der Spitze der Unionsfraktion verdrängt hat, setzt er ein entspanntes Lächeln auf. Ach, das sei damals nicht so glücklich gelaufen, sagt er dann. „Aber geschenkt!“ Ist es natürlich nicht. Merz hatte noch Pläne in der Politik, und er hat sie heute noch: Beim Bundesparteitag in Hamburg kandidiert er für den CDU-Vorsitz. Zehn Jahre nach seinem Rückzug aus der aktiven Politik.

Spricht man ihn auf die Zeit dazwischen an, drückt sich Merz auch vorsichtig aus: Der 63-jährige Westfale war als Wirtschaftsanwalt und Aufsichtsrat tätig. Dass einige Unternehmen im Verdacht stehen, zumindest steuerschonende Geschäfte gemacht zu haben, bestreitet Merz vehement. „In aller Deutlichkeit“ stelle er klar, solche Tricks strikt abzulehnen.

Seine Distanz zur Kanzlerin, die Karrie in der Privatwirtschaft: Das sind Merz' Stärken und Schwächen zugleich. Die CDU, 18Jahre lang von Merkel angeführt, sehnt sich nach Aufbruch. Viele beklagen eine Sozialdemokratisierung der Partei. Merz ist für sie die ideale Wahl: Er ist wirtschaftsliberal, unternehmerfreundlich und wertkonservativ. Manche Christdemokraten wünschen sich für die Zukunft eine Partei, die sich stärker darauf besinnt, was sie früher einmal war. Merz' Forderungen nach einer Steuerreform oder Aktienkäufe zur Altersvorsorge zielen auch darauf ab. Mit FDP und Grüne könnte er mit Sicherheit besser als mit dem Koalitionspartner SPD.

Die CDU wünscht sich eine Emanzipation von Merkel, aber keinen völligen Bruch: Die Delegierten beim Parteitag, meist Funktionsträger, könnten bei Neuwahlen ihren Job verlieren. Merz versucht, seine Partei also davon zu überzeugen, mit Merkel zusammenarbeiten zu wollen. Nicht für jeden ist das glaubhaft, und das Image des Rachsüchtigen macht Merz nicht unbedingt sympathisch. Mit seinen Beliebtheitswerten hat Merz ohnehin zu kämpfen. Da wäre die Sache mit seinem Laptop, den einst Obdachlose fanden – und als Finderlohn Merz' neues Buch erhielten. Dass er zunächst nicht zugeben wollte, Millionär zu sein, und sich zur „oberen Mittelschicht“ zählte, half seiner Außenwirkung auch nicht.

Merz ist allgemein ein hervorragender Rhetoriker, auch daher hat er aus seinen Kommunikationsfehlern schnell gelernt. Gut möglich also, dass er beim Parteitag überzeugt, nicht nur ein Mann der Vergangenheit zu sein.

Annegret Kramp-Karrenbauer

Arbeitnehmer, Frauen und Funktionsträger hoffen auf Annegret Kramp-Karrenbauer. Für sie ist es ein schmaler Grat zwischen Aufbruch und Stabilität.

Angela Merkel ging im Jahr 2017 mit einem simplen Satz in den Wahlkampf: „Sie kennen mich.“ Die Frau, die ihr beim heutigen Bundesparteitag in Hamburg an der Spitze der CDU folgen will, müsste den Spruch leicht umformulieren: Sie glauben, mich zu kennen.

Annegret Kramp-Karrenbauer ist seit Februar Generalsekretärin der Partei. Dafür gab sie ihr Amt als saarländische Ministerpräsidentin auf. Wochenlang tourte die 53-Jährige durch das Land, hörte sich die Sorgen der Parteibasis an. Unprätentiös war sie, ruhig und sachlich. Inhaltlich wagte sie sich aber nicht wirklich aus der Deckung. In der CDU war schon damals klar, wen sich die Kanzlerin als politische Erbin wünschen würde. Von da an war sie als Merkel-Kopie bekannt. Dabei ist „AKK“ (wie sie nicht nur von Journalisten mit Platzproblemen gern genannt wird) Merkel gar nicht so ähnlich, wie man zunächst vermuten könnte.

Die beiden sind es allerdings gewohnt zusammenzuarbeiten. Das könnte Kramp-Karrenbauer beim Parteitag zugutekommen: Wird sie zur neuen Chefin gekürt, sinken die Chancen auf baldige Neuwahlen. Die politische Lage könnte also stabilisiert und die Partei trotzdem erneuert werden. Es ist ein schmaler Grat zwischen Aufbruchstimmung und Stabilität, auf dem sich Kramp-Karrenbauer bewegt.

Hinter der Generalsekretärin stehen einige CDU-Verbände: der Arbeitnehmerflügel zum Beispiel oder die Frauenunion. Wie Merkel ist Kramp-Karrenbauer Sozialpolitikerin. Aber in der Flüchtlingspolitik sind ihre Forderungen um einiges strikter als die der Bundeskanzlerin. Kristina Dunz, Autorin der Biografie von „AKK“ formuliert es so: „Sie spricht wie Merkel, handelt aber wie Seehofer.“ Schon im Saarland ging Kramp-Karrenbauer sehr streng bei der Altersfeststellung von Flüchtlingen vor, zuletzt forderte sie auch eine Wiedereinreisesperre in den Schengen-Raum für abgeschobene Gewalttäter.

Sonst ist Kramp-Karrenbauer eine Projektionsfläche für viele Forderungen: gegen die Ehe für alle, aber für ein Adoptionsrecht für Homosexuelle. Katholisch, traditionell, eine Verfechterin der Frauenquote. Mit der FDP koalierte sie schon im Saarland, kündigte die Regierung aber überraschend auf. Sie soll die CDU einen – und hat dafür auch schon einen Plan: Um ihre Kritiker zufriedenzustellen, will sie beim Parteitag einen Generalsekretär aus dem konservativen Flügel nominieren. Als Zeichen für diejenigen, die sie noch immer als Merkel-Kopie sehen.(ib)

Jens Spahn

Gesundheitsminister Jens Spahn ist der Außenseiter unter den Bewerbern. Aber er hat ja noch Zeit.

Als Jens Spahn im Jahr 2002 an seiner ersten Fraktionssitzung im Bundestag teilnahm, war das nicht nur für den jungen Abgeordneten etwas Besonderes. Auch Friedrich Merz sollte das Treffen lange in Erinnerung bleiben: Der damalige Fraktionschef gab seinen Vorsitz an seine Nachfolgerin ab, eine gewisse Angela Merkel. So schnell kann Macht schwinden, habe sich Spahn damals gedacht, erzählt er in einer ARD-Doku.

Auch heute, 15 Jahre später, ist Spahn dabei und doch nur Zuseher: Der 38-jährige Gesundheitsminister kandidiert als CDU-Chef, doch ihm werden nur Außenseiterchancen zugesprochen. Neben Annegret Kramp-Karrenbauer wird ihm ein anderer Kontrahent zum Verhängnis, nämlich Merz. Er spricht eine ähnliche Klientel wie Spahn an. Merkel-kritisch, wirtschaftsfreundlich, konservativ.

Spahns Ambitionen waren in der Partei lange bekannt, die Junge Union und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble galten als seine Basis und Förderer. Vor allem rund um die Flüchtlingskrise lernte Spahn, mit provokanten Tönen aufzufallen. „Bekannt bin ich schon, beliebt muss ich noch werden“, wird Spahn in seiner Biografie zitiert. Als Minister wollte er Sympathiepunkte sammeln. Er hatte dafür nicht so viel Zeit, wie er erhofft hatte. Schäuble unterstützt Merz, die Junge Union im Zweifel auch. Spahn muss nun am eigenen Leib erfahren, wie schnell Macht schwinden kann.

Andererseits hat er noch Zeit: So wie Merz könnte er in einigen Jahren ein Comeback versuchen. (ib)

AUF EINEN BLICK

1001 Delegierte entscheiden heute, Freitag, über die Nachfolge von Angela Merkel an der Parteispitze. Seit fast 50 Jahren haben die CDU-Mitglieder wieder die Wahl zwischen mehreren Kandidaten für den Parteivorsitz: Wirtschaftsanwalt Friedrich Merz, Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und Gesundheitsminister Jens Spahn bewerben sich. Das Ergebnis ist völlig offen, es wird aber eine Stichwahl zwischen Kramp-Karrenbauer und Merz erwartet. Auch spontane Bewerbungen sind beim Parteitag möglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2018)

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