„Ich hätte die Verzichtserklärung am liebsten nie unterschrieben“

OTTO HABSBURG. Der Sohn des letzten Kaisers erzählt, wie er der Vereinnahmung durch Adolf Hitler entging, wie er sich Schuschnigg 1938 als österreichischer Bundeskanzler anbot und wie er US-Präsident Roosevelt überzeugte, Bad Vöslau nicht zu bombardieren.

Die Presse: Sie werden demnächst, am 20. November, 95 Jahre alt und blicken auf ein ereignisreiches Leben zurück. Was war für Sie der beeindruckendste Moment?
Otto Habsburg: Schauen Sie, wenn man sehr alt ist, wird man ein Optimist. Wie niedrig haben wir angefangen: mit dem Verlust des Ersten Weltkrieges, mit dem Hitlerismus. Und wie wunderschön ist es jetzt. Einer der düstersten Tage für mich war der 12. März 1938, als Österreich verschwand. Viele glaubten damals, das ist das Ende.

Sie waren vier Jahre alt, als Kaiser Franz Joseph starb. Erinnern Sie sich noch?

Habsburg: Oh ja, absolut. Kaiser Franz Joseph war damals ein Stück der österreichischen Atmosphäre. Fast jeder Österreicher war unter Franz Joseph geboren. Ich möchte nicht blasphemisch sein. Aber für viele Leute war er ein bisschen wie Gottvater.

Können Sie sich an das Begräbnis erinnern?

Habsburg: Und ob, ganz genau. Schon aus einem Grund: Ich war der Kleinste bei dem Begräbnis, musste zu jedem hinaufschauen. Und dann war doch irgendwie ein Gefühl, dass das ein ganz großer Moment ist.

Haben Sie auch die Krönung Ihres Vaters Karl am 30. Dezember 1916 in Budapest vor sich?

Habsburg: Noch mehr, das habe ich als Thronfolger miterlebt. Ich habe das erst so richtig ermessen können, als ich nach fast 80 Jahren wieder nach Budapest kam. Ich hatte damals in der Krönungskirche Diskussionen mit Historikern. Da tauchte die Frage auf: Wo war der Haufen von Erde, auf den der König hinaufreitet und Schwertschläge in die vier Himmelsrichtungen verteilt? Die Historiker glaubten alle zu wissen, wo der Krönungshügel war. Ich habe gesagt, nein, das stimmt nicht. Meine Version war richtig.

Nicht einmal zwei Jahre später der Zusammenbruch der Monarchie . . .

Habsburg: Der Zusammenbruch zog sich über mehrere Tage hin. Ich weiß noch, wie die Garden wegliefen und durch junge Offiziere aus Wiener Neustadt ersetzt wurden. Und ich erinnere ich ganz genau an den Abend, als wir Schönbrunn verlassen haben, um nach Eckartsau zu gehen.

Ihr Vater hat 1921 zwei Mal versucht, den Thron in Ungarn zurückzuerobern. Warum ist er gescheitert?

Habsburg: Es hat viele Gründe gegeben. Einer davon war, dass der Mann, in den man am meisten Vertrauen hatte, Reichsverweser Miklós Horthy (Staatsoberhaupt der ungarischen "Monarchie ohne König" bis 1944; Anm.), sich gegen meinen Vater stellte. Wenn an seinem Platz ein anderer gestanden wäre, wäre die Sache anders gelaufen. Denn es hat zweifelsohne Unterstützung gegeben, speziell von Frankreich.

Die Presse: Es heißt, dass Ihre Mutter Zita treibende Kraft bei den Restaurationsversuchen Ihres Vaters war und auch politisch eine große Rolle spielte.

Habsburg: Zweifelsohne. Sie ist eine eiserne Dame gewesen. Wenn man mir so von Margaret Thatcher spricht: Meine Mutter war aus dem gleichen Holz geschnitzt.

Ein markanter Einschnitt in Ihrem Leben muss der Tod Ihres Vaters am 1. April 1922 gewesen sein. Sie waren damals zehn.

Habsburg: Mein Vater ist Ende 1921 nach Madeira deportiert worden. Wir Kinder sind dort erst im Jänner angekommen. In dieser kurzen Zeit hatten meine Schwester Adelhaid und ich am meisten Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. Da konnte er sich zum ersten Mal uns widmen. Wir gingen spazieren mit ihm. Er ist ja sehr gerne gegangen, obwohl er ein verhautes Knie hatte. Dann ist es in Madeira sehr schnell gegangen. An die Einzelheiten kann ich mich nicht so sehr erinnern, weil meine Eltern etwas getan haben, wofür ich ihnen ewig dankbar bin: Sie haben immer wieder versucht, uns Kinder zu schützen.

Haben Sie ein besonders Wort im Ohr, als Sie am Totenbett Ihres Vaters waren?

Habsburg: Dass ich die Aufgabe übernehmen soll, wenn der Vater nicht mehr kann.

Hat das Ihr Vater gesagt?

Habsburg: Nein, meine Mutter. Mein Vater hat nicht mehr sprechen können in diesem Augenblick. Meine Mutter ist ja eine sehr mutige Frau gewesen. Man hat sie nie schwach, nie nachgiebig gesehen. Sie ist ihren Weg gegangen, so wie es ihrem Gefühl nach ihre Pflicht war.

Das heißt, sie war auch zu Ihnen sehr streng.

Habsburg: Sehr streng, ja. Aber ich kann jetzt nur sagen, Gott sei dank war sie es.

Sie sind ausgebildet worden, um Kaiser zu werden.

Habsburg: Das Einzige, was mir nach dem Tod meines Vaters gesagt wurde, war, dass ich jetzt seine Pflichten zu erfüllen habe. Aber mir sind Pflichten präsentiert worden, nicht Rechte. Speziell die Verpflichtung gegenüber den Völkern, für die ein Kaiser oder Monarch jedenfalls mehr verantwortlich ist als irgendein anderer hoher Funktionär.

Aber de facto war die Ausbildung darauf ausgelegt, diese Pflicht zu erfüllen.

Habsburg: Ja, ja. Man kann in alles irgendetwas hineinreden. Damals war ja auch die Situation eine grundlegend andere.

Überspringen wir ein paar Jahre. Sie waren zu einer sehr interessanten Zeit in Berlin: Ende 1932, Anfang 1933. Adolf Hitler stand unmittelbar vor der Machtergreifung

Habsburg: Ich war damals schon innerlich Politiker. Ich habe Heinrich Brüning (bis Mai 1932 Reichskanzler; Anm.) gekannt, ich habe Paul von Hindenburg (Reichspräsident; Anm.) gekannt. Ich habe sie alle gekannt. Ich habe die zwei Monate, die ich in Berlin verbracht habe, auch dazu verwendet, um immer wieder in den Reichstag zu gehen, mit Leuten zu sprechen, Kontakte aufzunehmen. Ich habe an der deutschen Politik teilgenommen. Dass darin natürlich auch Hitler eine Rolle gespielt hat, war klar. Wenn man damals nach Berlin kam, konnte man nicht an ihm vorbei. Was sich die Menschen heute gar nicht mehr vorstellen können, ist dieses unbeschreibliche Elend.

Haben Sie da bestimmte Bilder im Kopf?

Habsburg: Allein die Tatsache, dass Verwundete aus dem Krieg in der U-Bahnstation gestanden sind und Äpfel verkauft haben. Ich war immer gegen die Nazis, weil ich Hitlers "Mein Kampf" gelesen hatte. Aber ich hatte ein gewisses Verständnis dafür, dass Leute in diesem Elend zusammengebrochen sind.

Hitler wollte Sie zwei Mal treffen, Sie haben abgelehnt.

Habsburg: Er hatte natürlich große Angst vor dem Namen Habsburg. Das hat bei ihm die größten Emotionen hervorgerufen. Aber auf der anderen Seite hat er immer wieder versucht, mich vor seinen Karren zu spannen. Hitler hatte kurz vor der Reichspräsidentenwahl 1932, in der er gegen Hindenburg antrat, schon versucht, den deutschen Kronprinzen vor seinen Karren zu spannen. Und Wilhelm von Preußen war bereit, mit ihm zusammenzuarbeiten. Hitler wollte mir im Donauraum die gleiche Rolle zuteilen, die in Deutschland in unglückseliger Weise der Kronprinz spielte. An sich hätte es mich ja interessiert, Hitler zu treffen. Ich habe niemals eine interessante Konversation abgelehnt. Das war das einzige Mal.

Sie wollten sich von Hitler nicht vor den Karren spannen lassen. Aber Sie wollten in Österreich politisch aktiv sein.

Habsburg: Damals noch nicht so sehr. Das kam erst später. Dass ich dann im Kampf zur Erhaltung Österreichs politisch aktiv war, war selbstverständlich, von Anfang an. Eine politische Rolle hat mich dabei weniger interessiert als die Frage, wie wir das Land erhalten.

Sie haben Bundeskanzler Kurt Schuschnigg im Februar 1938 nach dessen Berchtesgardener Treffen mit Hitler in einem Brief angeboten, ja fast aufgefordert, Ihnen die Kanzlerschaft zu übertragen.

Habsburg: Es war so: Ich habe mit verschiedenen Leuten, ganz besonders zum Beispiel mit dem Staatssekretär für Landesverteidigung (General Wilhelm Zehner; Anm.) besprochen, was zu tun ist, wenn die Sache schief geht, wenn also die deutsche Wehrmacht angreift. Es war damals klar für mich, dass ein Krieg kommt. Wer "Mein Kampf" gelesen hatte, konnte daran keinen Zweifel haben, dass dieser Mensch uns in einen Krieg führen wird. Ich glaubte, und da habe ich mich geirrt, ich glaubte, dass ein Land, das sich nicht verteidigt, nach einem Krieg nicht wieder erstehen kann. Das war mein Credo: Wir müssen Widerstand leisten. Das haben aber nur sehr wenige Menschen verstanden.

Das hat auch Schuschnigg nicht verstanden. Warum?

Habsburg: Er wollte kein deutsches Blut vergießen. Aber man darf nicht vergessen: Männer wie Dollfuss (Bundeskanzler, 1934 von Nazis ermordet; Anm.) haben tatsächlich Widerstand geleistet und damit moralisches Kapital für Österreich aufgebaut. Dass wir den Widerstand nicht gewinnen konnten, war mir klar. Denn allein schon durch die Weisheiten der Pariser Friedensverträge war es ja so, dass man Österreich abgerüstet hat, aber Deutschland großteils belassen hat. Für mich ist schrittweise immer klarer geworden, dass vor allem England uns fallen ließ. Winston Churchill stand immer auf unserer Seite, aber andere waren dafür, dass Österreich verschwindet. Daher hatte ich in den ersten Monaten des Zweiten Weltkrieges viel mit den Franzosen zu tun. Ich kannte Édouard Daladier gut (französischer Ministerpräsident 1938-40; Anm.). Er war nicht auf der Höhe seiner Aufgabe, aber er hatte eine gute innere Einstellung gegenüber Österreich.

Sie haben Schuschnigg 1935 persönlich bei einem geheimen Treffen in Einsiedeln in der Schweiz erlebt. Was hatten Sie für einen Eindruck von ihm?

Habsburg: Ich hatte ihn davor schon getroffen. Im Ausland natürlich. Ich durfte ja nicht nach Österreich, lebte in Belgien im Exil und war auch oft in Frankreich. Schuschnigg war ein absolut anständiger Mensch. Er war ein guter Österreicher, aber er hatte einen Deutschtum-Komplex.

Einen kompensatorischen Komplex.

Habsburg: Es ist ja immer das Gleiche. Nichts ist so gefährlich in der Politik wie jemand, der Komplexe hat.

Hatten Sie auch eine Begegnung mit Dollfuss?

Habsburg: Nein, ich sollte ein Treffen haben, aber das war dann schon zu spät (Bundeskanzler Dollfuss wurde am 25. 7. 1934 von Nazis ermordet; Anm.). Aber ich bin sehr viel in Kontakt mit ihm gewesen. Politisch waren wir wahrscheinlich mehr der gleichen Ansicht als mit Schuschnigg. Ich habe Dollfuss unendlich respektiert. Der Mann war tapfer, bereit, sich bis zur letzten Konsequenz für Österreich einzusetzen. Damals habe ich ja alles aus dieser Perspektive gesehen: Wir müssen Österreich erhalten.

Und hatten Sie kein Problem damit, dass Dollfuss das Parlament auflöste, Parteien und Gewerkschaften verbot?

Habsburg: Überhaupt keines. Wenn es ums Land geht, bin ich zu jeglicher Sache bereit.

Angenommen, Schuschnigg wäre auf Ihren Vorschlag eingegangen und auch Präsident Miklas hätte Sie als Bundeskanzler Österreichs akzeptiert. Was hätten Sie im Februar 1938 noch ausrichten können?

Habsburg: Zuerst einmal Öffnung hin zu den Sozialdemokraten. Ich habe zum Beispiel bezüglich Karl Seitz (Wiener Bürgermeister 1923-1934; Anm.) absolut gewusst, dass man da zusammenarbeiten könnte.

Am 10. März 1938, also zwei Tage vor dem Anschluss, hat Ihre Mutter gemeint, Sie sollen nach Wien-Aspern fliegen, um das Steuer herumzureißen. Warum wollten Sie nicht?

Habsburg: Weil da nichts mehr zu machen ist. Wenn ich das erkenne und ein anderer Weg gegangen werden muss, dann muss man opportunistisch sein, wenn es die Interessen des eigenen Landes verlangen.

Wenige Tage später waren dann die Österreicher sehr opportunistisch.

Habsburg: Eigentlich nicht. Welches war das einzige Land, das von Anfang an Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet hat? Österreich. Welches war das Land, dessen Bundeskanzler in diesem Kampf gefallen ist? Österreich. Das bringt mich manchmal in die Wut. Man vergisst vollkommen, was Österreich geleistet hat.

Wie interpretieren Sie dann, dass in Wien auf dem Heldenplatz eine Viertelmillion Menschen jubelte und in Linz 100.000?

Habsburg: Schauen wir uns einmal an, was in den anderen Ländern geschehen ist. Ich will Ihnen auch Folgendes sagen: Mein Vetter Max Hohenberg ist schon im Konzentrationslager gewesen, als seine Kinder unter Zwang von der Schule auf den Heldenplatz gezerrt wurden. Aber sie sind auch mitgezählt worden. Und wie vielen anderen ist das passiert? Das darf man nicht vergessen. Der österreichische Widerstand wird durch dieses winselnde Keifen über sich selbst nicht kleiner.

Sie hatten interessanterweise einen besonders guten Draht zum amerikanischen Präsidenten Franklin Delano Roosevelt. Wie ist dieser Kontakt zustande gekommen?

Habsburg: Es war noch kein Krieg, Österreich war verschwunden. Ich hatte viele Kontakte zu einer damals noch relativ bedeutenden Widerstandsgruppe in Deutschland war. Sie hatte zwei Elemente: hohe Offiziere und die Kirche. Über die Kirche habe ich sehr viel Informationen bekommen.

Ich würde es ja gerne herausfinden, aber es ist mir nicht gelungen: Es hat damals in der obersten Führung der NSDAP jemand gegeben, der absolut gegen Hitler gearbeitet hat. Und da bin ich selbst Zeuge davon, und zwar aus folgendem Grund: Über die kirchliche Widerstandslinie, die über Holland ging, wurde mir gesagt, es gebe eine wichtige Information.

Ich arrangierte die Übergabe an der Grenze zwischen Deutschland und Belgien über die Ardennen. Es war eine Art Urwald ganz an der Grenze. Und dort fand das Rendezvous statt, in einem Haus, das einem Bekannten gehörte, der halb Belgier und halb Tscheche war. Ich traf einen jungen Seminaristen, Rudolf Graber, den spätere Bischof von Regensburg. Er brachte mir ein äußerst interessantes Dokument: Es handelt sich um Rücksprachen Hitlers mit den Führenden der NSDAP - über ihre Schritt-für-Schritt-Pläne, die sie für die Zukunft aufgestellt hatte.

Einmarschpläne?

Habsburg: Politische Pläne und Einmarschpläne. Ich habe das für sehr interessant befunden.

Die Presse: Und diese Dokumente haben Sie Roosevelt zugespielt?

Habsburg: Ich hab sie William Bullitt gegeben, dem damaligen US-Botschafter in Paris, mit dem ich befreundet war. Der hat die Bedeutung dieses Papiers sofort erkannt und es an Roosevelt weitergeschickt. Roosevelt hat die Pläne gelesen. Und als dann von Monat zu Monat die angekündigten Ereignisse eingetreten sind, hatte Roosevelt dann das Gefühl, der Kerl weiß was. Damals hat er mich eingeladen. Ich bin damals im März 1940 nach Amerika geflogen und dann zu Roosevelt ins Weiße Haus gegangen. Ich habe ihn dann sehr oft getroffen.

Was war Roosevelt für ein Mensch?

Habsburg: Roosevelt war ein großer, sehr wohlmeinender Mensch. Er hatte Schwächen, seine größte: Er war ein Pokerspieler. Er hat immer wieder geglaubt, man kann Sachen mit Spiel lösen, und das war nicht der Fall. Doch ich hatte von ihm bezüglich Österreich immer starke Unterstützung.

Hatten Sie damals noch die Idee, eine Donauföderation ins Leben zu rufen?

Habsburg: Damals hatte ich solche Idee nicht mehr. (Das Konzept sah eine Zersplitterung Deutschlands vor und eine Wiederherstellung des Kaisertums auf dem Gebiet Österreichs, Ungarns und der Tschechoslowakei vor. Das Plan wurde von Churchill forciert, scheiterte aber bei der Teheraner Konferenz Ende 1934; Anm.) Die Hauptsache war, dass die Länder frei werden.

Aber hatten Sie darüber mit Roosevelt gesprochen?

Habsburg: Da haben andere mehr darüber gesprochen als ich. Ich habe mich mit konkreten Sachen befasst, hauptsächlich damit, dass Österreich nicht so bombardiert wird. Es ist ja auch lange Zeit viel gerettet worden durch Verbindungen, die ich zum Bomb Target Command in Washington hatte.

Sie haben Bombardements verhindert?

Habsburg: Ja, wenn ich konkrete Informationen hatte. So wie über Bad Vöslau. Irgendein verbitterter österreichischer Emigrant, der offensichtlich schlecht in Bad Vöslau behandelt worden war, hat gesagt, das sei eines der Zentren der wissenschaftlichen Forschung der deutschen Vernichtungsbomben. Man müsse daher Bad Vöslau auslöschen. Das ist mir zu Ohren gekommen. Und da habe ich damals Roosevelt Beweise vorgelegt, dass es Unsinn ist, was man da erzählt. Ich habe erreicht, dass Bad Vöslau nicht bombardiert wurde.

Haben Sie Churchill gekannt?

Habsburg: Natürlich, und wie. Wir sind sehr gut zueinander gestanden. Ich hatte damals eine Serie von sehr wertvollen Freunden gehabt. Ich habe vielleicht etwas mehr vorausgesagt als andere.

Wie haben Sie Churchill erlebt?

Habsburg: Churchill war ein genialer Mensch gewesen. Als Schriftsteller. Ich habe immer die Nobelpreiskommission dafür bewundert, dass sie Churchill nicht den Friedenspreis, sondern den Literaturpreis (1953; Anm.) gaben. Denn er hatte ja eine wunderbare Sprache. Churchill war außerdem ein guter Freund für Österreich. Nur war er immer umgeben mit Leuten, die absolut auf der Gegenseite waren. Der größte Schuldige in dieser Hinsicht war Anthony Eden (britischer Außenminister 1935-1938, 1940-1945, 1951-1955, Premier 1955-57; Anm.).

Sie haben einmal gesagt, Charles de Gaulle sei die größte Persönlichkeit gewesen, die Ihnen je begegnet sei.

Habsburg: Ist er gewesen. Zweifelsohne. De Gaulle war, wie man gesagt hat, ein Mann von vorgestern und übermorgen. Er hatte auf der Basis der Geschichte, die er sehr gut kannte, eine große Vision für die Zukunft.

Es heißt, dass Sie Einfluss darauf nahmen, wie nach 1945 die Zonen gezogen wurden.

Habsburg: Das ist dadurch geschehen, dass ich ja nicht nur die österreichischen Interessen vertreten habe, sondern auch, vielleicht noch mehr, die ungarischen.

Es fällt auf, dass die Aversion gegen Sie in Österreich immer sehr groß war. Sie durften bis 1966 nicht einreisen. Warum ist diese Ablehnung gerade in Österreich so groß?

Habsburg: Es haben mich mehrere Leute gefragt, warum das so ist. Ich weiß es nicht. Ich bin kein Psychiater. Aber wenn ich ein Psychiater wäre, würde ich sagen, es ist ein Komplex.

Ein Komplex hat ja meist Ursachen.

Habsburg: Es gibt eine Partei in diesem Land, gegen die ich grundsätzlich gar nichts habe. Denn mit den ungarischen Sozialdemokraten stehe ich mich wirklich sehr gut. Aber hier in Österreich stehen die nicht gut mit mir. Die haben ja immerfort gehetzt.

Warum haben Sie erst 1961 die Verzichtserklärung unterschrieben?

Habsburg: Ich habe das für eine solche Infamie gehalten. Ich hätte es am liebsten überhaupt nie unterschrieben. Außerdem verlangte man von mir, nicht mehr Politik zu machen. Das wäre mir nicht im Traum nicht eingefallen.

Sie waren ja dann noch lange politisch tätig, kamen 1979 im Alter von 67 Jahren für die bayerische CSU ins Europaparlament, wo Sie bis 1999 Abgeordneter waren.

Habsburg: Wenn man einmal am Opium der Politik geschnuppert hat, kriegt man es nicht mehr weg.

Sie sagten einmal, Österreich sei mehr als dieses kleine Land. Was meinten Sie damit?

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