Effizientes Berufsheer oder unabhängige Truppen?

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Symbolbild(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Mitte Jänner 2013 soll die Bevölkerung entscheiden, ob in Österreich ein Berufsheer geschaffen oder die Wehrpflicht beibehalten wird. Was wären die Vorteile, was die Nachteile? Die beiden Modelle im Vergleich.

Berufsheer: Effizienter und besser ausgebildet

Seit dem Ende des Kalten Krieges haben fast alle Staaten West- und Mitteleuropas ihre Landesverteidigung auf ein professionelles Berufsheer umgestellt. Mit Wegfall eines realistischen Szenarios der „Territorialverteidigung“, also der Abwehr einer Invasion, ist auch die Existenzberechtigung der allgemeinen Wehrpflicht weggefallen.

Für die Aufgaben, die dem österreichischen Heer im 21. Jahrhundert verbleiben – im militärischen Zusammenhang sind das vor allem Auslandseinsätze, für die wenige, aber speziell ausgebildete und ausgerüstete Soldaten benötigt werden – ist eine kleinere, motivierte Berufstruppe weit besser geeignet als das derzeitige „Massenheer“.

Nicht nur, dass so die „eklatante Ungerechtigkeit“ beseitigt werden könnte, dass ausschließlich junge Männer verpflichtend sechs Monate Grundwehrdienst leisten müssen, wie es Militärhistoriker Manfried Rauchensteiner formuliert –, der Staat könnte sich durch eine schlankere Struktur zumindest im Verteidigungsbereich Ressourcen sparen. Rund 60 Prozent der Heeresbediensteten sind nur mit Verwaltung, Betreuung und Ausbildung der Grundwehrdiener beschäftigt, schätzt Sicherheitsexperte Erich Reiter. „Im militärischen Bereich würde das Ende der Wehrpflicht rund die Hälfte der Kosten sparen“, ist Reiter überzeugt. Das Geld könnte verwendet werden, um andere Aufgaben, etwa im Katastrophenschutz oder für den Ersatz des Zivildienstes, abzuwickeln.

Und auch das Argument, dass ein Berufsheer mangels Verankerung in der Bevölkerung gegen das Volk eingesetzt werden könnte, ist nach mehr als 50 Jahren demokratischer Tradition wohl überholt.

Wehrpflicht: Große Truppe garantiert Unabhängigkeit

Es gibt nur noch wenige Länder in Europa, die auf eine allgemeine Wehrpflicht setzen. Allerdings: dass der Trend Richtung Berufsheer geht, bedeutet nicht, dass dies auch für Österreich die beste Lösung ist. Denn das Land verpflichtet sich – zumindest auf dem Papier – immer noch zu Neutralität und Bündnisfreiheit. Und diese wären, so Gegner des Berufsheeres, mit der Abschaffung der Wehrpflicht nicht mehr gewährleistet.

Denn das kleine Österreich könnte keine ausreichend große Truppe zusammenstellen, um souverän und unabhängig von anderen Staaten die Sicherheit des Landes gewährleisten zu können – dafür würden sowohl die personellen als auch die finanziellen Ressourcen nicht reichen.



Und bei einem „Miniberufsheer“ käme es Generalstabschef Edmund Entacher zufolge zu Rekrutierungsproblemen; auch die jetzt festgeschriebenen 12.500 Mann für Katastropheneinsätze wären bei einem Berufsheer „eine Illusion“. Dass diese im Ernstfall benötigt werden, zeigte das „Jahrhunderthochwasser“ vor zehn Jahren, bei dem fast 12.000 Mann gleichzeitig im Einsatz waren.

Ein weiteres gewichtiges Argument für die Fortführung der Wehrpflicht ist der Zivildienst, auf den zahlreiche soziale Organisationen – etwa in Rettung und Altenpflege – inzwischen angewiesen sind. Die Verpflichtung dazu ist der Menschenrechtskonvention zufolge nur als „Wehrersatzdienst“ zulässig: Eine reine Verpflichtung zum Sozialdienst wäre demnach rechtswidrig. Somit müsste der Staat bei Abschaffung der Wehrpflicht auf teure Alternativen setzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2012)

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