Strache: "Söhne sollten aus Hotel Mama ausziehen"

Strache Soehne sollten Hotel
Strache Soehne sollten Hotel(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hält es mit der Wehrpflicht wie Gabi Burgstaller. Mit Neo-Politiker Frank Stronach kann er sich eine Zusammenarbeit vorstellen – bis hin zu einer Koalition. Ein "Presse"-Interview.

Es ist ein bisschen ruhig um Sie geworden. Haben Sie sich zurückgezogen, um mit Ihren Strategen zu beraten, wie Sie den rasanten Abwärtstrend der FPÖ stoppen können?

Heinz-Christian Strache: Ich finde diese unwahren Behauptungen lustig. Denn ich erlebe einen Zuspruch wie nie zuvor: Auf Facebook zum Beispiel. Oder auf den Volksfesten, die ich besuche.

Das sind doch subjektive Empfindungen. Einer Hajek-Umfrage zufolge ist die FPÖ erstmals seit Langem unter 20 Prozent gefallen. Das muss Ihnen doch Sorgen bereiten.

Es gibt unveröffentlichte Umfragen, die uns bei 23 bis 25 Prozent sehen – im Windschatten der SPÖ, die bei 25 bis 27 Prozent liegt, und weit vor der ÖVP. Die Realität ist etwas anderes, als die manipulative öffentliche Darstellung.

Man könnte auch sagen: Sie betreiben Realitätsverweigerung.

Politisch punzierte Umfrageinstitute machen uns bewusst schlecht. Man hofft, dass Frank Stronach der FPÖ ein paar Prozentpunkte wegnehmen kann, damit wir nicht stärkste Kraft werden.

In dem Punkt sind sich alle Umfragen einig: Stronach wird vor allem der FPÖ schaden. Nehmen Sie Stronach eigentlich ernst?

Ich nehme jeden Mitbewerber ernst. Und ich bin froh, dass es jemanden gibt, der unsere Kritik an der europäischen Fehlentwicklung unterstützt. Nur darf man bei aller Wertschätzung für Stronachs unternehmerische Leistung eines nicht vergessen: Mit seinen 80 Jahren – gut, dass er rüstig ist – wird er wohl nicht die Zukunft bestimmen.

Ist Stronachs Alter das stärkste Argument der FPÖ gegen ihn?

H.-C. Strache wird jedenfalls die nächsten 20 Jahre in der Politik bestimmen, während andere längst in Pension sind.

Stronach sagt von sich, er sei kein Politiker. Ist Politiker ein Schimpfwort?

Nicht per se. Aber so, wie die Politiker des Systems den Job leben – ja.

Das heißt, Sie streiten jetzt mit Stronach, wer der wahre Nichtpolitiker ist.

Ich nenne mich Volksvertreter. Ich lächle nicht nur aus dem Fersehkastl, ich bin dort, wo man Menschen trifft.

Sie haben mit Stronach viele Programmpunkte gemeinsam...

Sieht so aus, als würde er von uns abschreiben.

Ein Unterschied ist vielleicht: Frank Stronach ist für Studiengebühren. Sie haben damals geholfen, sie abzuschaffen.

Ja, weil die Qualität bei den Universitäten nicht sichergestellt werden konnte. Wenn die Menschen nicht mehr in überfüllten Hörsälen sitzen, sind wir aber sehr wohl für Studienbeiträge.

Sie sagen immer, die FPÖ will die Nationalratswahl gewinnen. Können Sie sich, rein theoretisch, eine Nichtpolitikerkoalition mit Stronach vorstellen? Auch wenn sich das ziemlich sicher nicht ausgehen wird.

Grundsätzlich kann ich mir mit jedem vernunftbegabten Mitbewerber eine Zusammenarbeit vorstellen, wenn er bereit ist, unsere Inhalte zu unterstützen. Ich lade Stronach auch ein, in den nächsten Wochen unsere Petition gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu unterschreiben.

Die FPÖ wollte über die Kärntner Regierung eine Verfassungsklage gegen den ESM einbringen. Das Gesetz ist seit einer Woche kundgemacht. Was wurde aus der Klage?

Wir sind in der Endphase und werden sie in den nächsten Tagen präsentieren.

Sie reden seit Monaten davon. Warum dauert das denn so lange?

Weil es sich um eine heikle Materie handelt. Wir wollen den Verfassungsgerichtshof so unter Druck setzen, dass er die Klage nicht einfach abkanzeln kann.

War diese Klage nicht eine Ausrede, um die Neuwahl in Kärnten hinauszuzögern?

Das war keine Ausrede. Die Klage war ein Aspekt von vielen. Aber es wird Anfang März einen Wahltermin geben.

Landesvize Kurt Scheuch muss sich jetzt vor Gericht verantworten, weil er jenen Richter, der seinen Bruder Uwe verurteilt hat, „Kröte“ genannt hat. Schön langsam gibt es in Kärnten kein freiheitliches Regierungsmitglied mehr, gegen das nicht ermittelt wird.

Schön langsam wird es wirklich durchsichtig: Man will uns kriminalisieren.

Finden Sie es in Ordnung, wenn man einen Richter „Kröte“ nennt?

Meine Diktion wäre das nicht. Aber ich verstehe, wenn man aus einem Ärger heraus einen deftigeren Begriff verwendet. Politiker haben auch Gefühle. Wobei ihm die Aussage unterstellt wird. Verfahren wegen Morddrohungen gegen mich werden von der Staatsanwaltschaft immer eingestellt. Aber wenn jemand einen belustigenden Ausdruck zum Besten gibt, wird er angeklagt.

Glauben Sie, dass die FPÖ von der Justiz bewusst schlechter behandelt wird?

Wir wissen, dass die Justiz nicht mit unabhängigen Menschen besetzt ist.

Wie würden Sie das denn ändern, wenn Sie in der Regierung wären?

Man kann aus Lebensläufen ermessen, ob Menschen in aktiven Positionen bei Parteien waren.

Bleiben wir bei der nahen Zukunft: Am 20. Jänner wird übers Bundesheer abgestimmt. Die FPÖ ist für die Wehrpflicht, werden Sie also quasi der ÖVP Ihre Stimme geben?

Ich werde für die Wehrpflicht stimmen, denn nur die stellt den Zivildienst und den Katastrophenschutz sicher. Ich bin da ein Anhänger Bruno Kreiskys: Nie wieder Berufsheer. Unser Heer gehört zwar reformiert, aber es hat auch gute Grundlagen. Und ich finde: Sechs Monate kann man einmal im Leben der Gemeinschaft zur Verfügung stellen.

Sie klingen wie die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller, die meint: „Ein paar Monate Zivildienst oder Bundesheer tun den jungen Männern sicher gut.“ Hat sie recht?

Die Wehrpflicht schadet jungen Männern sicher nicht. Eine Mutter muss sich nicht fürchten: Die Söhne sollten einmal aus dem Hotel Mama ausziehen und im Rahmen des Bundesheeres oder Zivildienstes mit verschiedenen sozialen Schichten zusammenkommen und Lebenserfahrungen sammeln. Das Heer hat einen integrativen Charakter.

Jetzt klingen Sie wie ÖVP-Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz.

Wir hören ja ständig den Unsinn der linken Alt-68er, die sagen: Das ist alles Zwang. Mit der gleichen Argumentation könnte ich sagen: Schule ist ein Zwang – stellen wir sie auf eine freiwillige Basis, denn das macht den Kindern dann mehr Spaß. Wenn keiner mehr etwas für die Gesellschaft leisten will, schaffen wir die Gesellschaft ab.

Wenn die Wehrpflicht pädagogisch so wichtig ist, soll die dann auch für Frauen gelten?

Nein, zumindest so lange nicht, solange keine Gleichberechtigung etwa bei den Löhnen herrscht.


Interessant, dass ausgerechnet Sie die Gleichberechtigung ansprechen. In der FPÖ sind Frauen klar unterrepräsentiert.

Wir haben eben ein demokratisches Prinzip: Wer gewählt wird, wird gewählt. Und wer sich für eine Position in der Partei meldet, der meldet sich. Wir sind gegen Quotenzwang.

Hat die FPÖ denn genug Frauen?

Wir arbeiten daran, den Anteil zu erhöhen. Und wir haben junge Frauen, die sich demokratisch durchsetzen werden.

Apropos: Wem drücken Sie im US-Wahlkampf die Daumen? Obama oder Romney?

Es ist egal, wer gewinnt, denn beide bedienen die Lobbyisten. An Obama schätze ich, dass er die Rolle des Weltpolizisten USA zurücknimmt und soziale Fehlentwicklungen korrigiert. Romney wiederum steht für Werte und Patriotismus, da lässt sich vielleicht eine Parallele zur FPÖ ziehen. Ich wüsste aber nicht, wen ich wählen sollte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2012)

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