Die ÖVP legt sich mit den Ländern an und will begüterte Gemeindemieter belasten. Die SPÖ verlangt ein neues Mietrecht.
Wien. Die Österreicher müssen einen wachsenden Teil ihres Einkommens für Wohnen aufwenden. Bis auf einen Vorstoß der Grünen in Wien war das für die Politik lange kein Thema. Im Gegensatz dazu hat die SPD in Deutschland schon im Jänner eine Initiative angekündigt, um das Steigen der Mietpreise zu bremsen. Ein halbes Jahr vor der Nationalratswahl entdecken nun Österreichs Parteien, dass teures Wohnen für breite Bevölkerungskreise ein Hauptproblem ist.
Der Anstoß für diese neue Diskussion kommt von der ÖVP. Obmann Michael Spindelegger hat am Mittwoch ein umfangreiches Programm vorgelegt, um die Lage zu verbessern. Die Kernpunkte: Mit Mitteln aus Pensionsfonds soll der Wohnbau angekurbelt werden; die Zweckbindung der Wohnbauförderung in den Ländern müsse wieder eingeführt werden; nur tatsächlich sozial Schwächere sollen in Gemeindebauten wohnen.
Bezeichnend dafür, wie wenig Beachtung das Thema Wohnen bisher fand, ist der Umstand, dass in der Kanzlerpartei SPÖ die Jungsozialisten (SJ) mit ihrem Chef, Wolfgang Moitzi, vor Kurzem auf eigene Faust eine Offensive für „leistbares Wohnen“ gestartet haben. Am Dienstagabend räumte SPÖ-Pensionistenchef Karl Blecha im ORF-„Report“ Nachholbedarf gegenüber der SPD ein.
Bei der Rückkehr zur Zweckwidmung der Wohnbauförderung sind sich Spindelegger und seine ÖVP-Minister Reinhold Mitterlehner (Wirtschaft) und Beatrix Karl (Justiz) mit dem Regierungspartner einig. SPÖ-Staatssekretär Andreas Schieder hält dies im Gespräch mit der „Presse“ für die wichtigste Maßnahme. Die Regierung muss allerdings erst Überzeugungsarbeit in den Ländern leisten, von denen sich etwa Niederösterreich wehrt.
Während die ÖVP mit Geld mehr Wohnraum schaffen und durch das größere Angebot den Anstieg der Wohnpreise dämpfen will, peilt die SPÖ Änderungen bei den Mieten an. Schieder fordert ein „Entrümpeln“ des Mietrechts. Das System der Zu- und Abschläge wäre abzuschaffen: „Da kennt sich kein Mensch mehr aus“, sagt er.
Damit knüpft die SPÖ eher bei den Grünen an: Deren Vizebürgermeisterin in Wien, Maria Vassilakou, hat im Vorjahr Mietzinsobergrenzen verlangt. Nach einer kurzen, harten Auseinandersetzung ist die Debatte eingeschlafen. Das Juso-Konzept sieht außerdem eigene billigere Startwohnungen für Junge vor. Damit wird ein Modell aus den 1980er-Jahren aufgegriffen. Die Mittel dafür soll der Bund selbst bereitstellen.
Differenzen um Gemeindebauten
Die größten Differenzen gibt es in der Bundesregierung bei den Gemeindewohnungen. Spindeleggers ÖVP möchte, dass Personen, die später mehr Einkommen zur Verfügung haben, einen höheren Mietzins zahlen oder ausziehen. Schieder wendet sich dagegen, weil damit das Mietrecht „ausgehöhlt“ werde. Denn Betroffene würden dann Gemeindewohnungen de facto nur befristet erhalten.
Die Jusos orientieren sich an Deutschland: Sie wollen das „Spekulieren“ mit Wohnraum verbieten und eine Leerstandsabgabe. Mit Wohnproblemen wird sich auch die Wiener SPÖ ab heute, Donnerstag, bei ihrer Klausur befassen. Stadtrat Michael Ludwig lehnt einen „Gehalts-Check“ im Gemeindebau ab. Zustimmung gibt er zur Zweckbindung der Wohnbaumittel.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2013)