Jobängste: Arbeitslosigkeit entscheidet über den Wahlsieg

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Die Bundesregierung steht nach mehreren Firmenpleiten unter Druck. Noch vor der Wahl dürfte es ein Konjunkturpaket geben.

Wien. Aus Sicht der Regierungsparteien hätte das Timing nicht viel schlechter sein können. Drei Monate vor der Nationalratswahl könnten 4900 Mitarbeiter der insolventen Salzburger Alpine-Bau ihren Job verlieren. Daneben sind auch Arbeitsplätze bei Lieferanten und Subfirmen von Österreichs zweitgrößtem Baukonzern gefährdet. Wie viele, ließe sich noch nicht sagen, erklärte Arbeitsminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) am Donnerstag im ORF-Radio: Es könnten hunderte sein, aber auch tausende.

Die Arbeitslosigkeit dürfte damit zum bestimmenden Thema im Wahlkampf werden. Denn zuletzt häuften sich die schlechten Nachrichten aus der Wirtschaft: Im April musste der Elektronikkonzern Niedermeyer zusperren. Beim Schlecker-Nachfolger Dayli werden demnächst einige hundert Mitarbeiter entlassen. „Das Eis, auf dem die Betriebe derzeit arbeiten, ist sehr dünn geworden“, meinte Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl zuletzt. Sprich: Weitere Pleiten könnten folgen.

Die Regierung stellt das vor einige Probleme. Eigentlich wollten SPÖ und ÖVP im Wahlkampf damit werben, dass Österreich die Wirtschaftskrise besser bewältigt hat als andere Länder. Angesichts der Alpine-Pleite wird dieses Argument allerdings nicht mehr ziehen – obwohl es im Grunde stimmt.

Denn im internationalen Vergleich steht der heimische Arbeitsmarkt sehr gut da. Mit 4,9 Prozent hat Österreich die niedrigste Arbeitslosenquote Europas – im EU-Schnitt sind es elf Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit ist nur in Deutschland geringer: In Österreich sind acht Prozent der unter 25-Jährigen ohne Job, EU-weit fast 24 Prozent. Das hat vor allem einen Grund: Die Wirtschaft wächst zwar kaum, aber immer noch stärker als im restlichen Europa.

Schönheitsfehler in der Statistik

Doch die internationale Berechnungsmethode, die auch von der EU-Kommission verwendet wird, hat einen Schönheitsfehler: Man gilt bereits als beschäftigt, wenn man nur eine Stunde pro Woche arbeitet. Ein Arbeitsloser, der zusätzlich zum Arbeitslosengeld geringfügig arbeitet, zählt also schon dazu.

Jenen 330.000 Menschen, die Ende Mai in Österreich arbeitslos gemeldet waren, hilft eine schöne Statistik jedenfalls nicht weiter. 80.000 davon saßen immerhin in Schulungen des Arbeitsmarktservice. Besserung ist vorerst allerdings nicht in Sicht. Im Vergleich zum Vorjahr steigt die Arbeitslosigkeit seit Monaten konstant an. Und die Wirtschaftsforscher gehen – einhellig wie selten – davon aus, dass die Lage angespannt bleiben wird. Konjunkturprognosen werden laufend nach unten korrigiert – und weniger Wirtschaftswachstum bedeutet auch mehr Arbeitslose.

Weshalb der Druck auf die Regierung steigt, vor allem vonseiten der Sozialpartnerschaft: Wirtschaftskammer-Präsident Leitl etwa forderte bereits ein weiteres Konjunkturpaket. Diesem Wunsch werden SPÖ und ÖVP wohl nachkommen (müssen), allein schon aus wahltaktischen Gründen.

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) versuchte die Lage am Donnerstag erst gar nicht schönzureden: Die „Einschläge“ kämen immer näher, die Insolvenzen seien „nicht zu ignorieren“, sagte er bei einem Pressegespräch in Wien und kündigte entsprechende staatliche Maßnahmen an: „Es ist jetzt notwendig, alles, was wir haben, zu mobilisieren.“

Ähnliches verlautete aus dem Büro von Sozialminister Hundstorfer: Weitere Impulse für die Wirtschaft, insbesondere für die Baubranche, seien denkbar, wurde der „Presse“ erklärt. Konkret sei aber noch nichts. Es gebe laufend Gespräche in der Koalition.

Daneben erhöht die Insolvenz der Alpine auch die Chance, dass sich SPÖ und ÖVP noch vor der Wahl auf eine Wohnbauoffensive einigen. Denn davon würde in erster Linie die Bauwirtschaft profitieren (siehe dazu Bericht auf Seite 3).

Oberste Priorität bei Wählern

Wobei die Beschäftigungszahlen nicht erst seit den jüngsten Firmenpleiten ganz oben auf der politischen Agenda stehen. Dass die SPÖ rund um den 1. Mai eine Kampagne startete, in der sie an ihr Selbstverständnis als „Partei der Arbeit“ erinnerte, kam nicht von ungefähr. Man stützte sich auf eine Ifes-Umfrage unter 1250 Personen, bei der 42 Prozent die Arbeitslosigkeit als wichtigstes Thema nannten. Vor der Nationalratswahl 2008 waren es fünf Prozent gewesen. Gut möglich also, dass die nächste Wahl auf dem Arbeitsmarkt entschieden wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2013)

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