Große Koalition vor dem Aus?

(c) APA (Roland Schlager)
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Kanzler Gusenbauer fordert ein Vorziehen der Steuerreform auf 2009, Molterer lehnt kategorisch ab. Die SPÖ setzt auf Herbst, die ÖVP will (wenn) schon im Frühjahr wählen lassen.

WIEN. Die Endrunde in der Koalition ist eingeläutet. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer forderte am Sonntag ultimativ: Schon 2009 muss eine Steuerreform kommen. Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer winkte umgehend ab. Bisher hatte man ein In-Kraft-Treten ja mit 2010 vereinbart. Molterer will so eine Reform nicht mit neuen Schulden finanzieren, wie er zur „Presse“ sagte.

Auch wenn beide Koalitionsparteien das Wort Neuwahlen vermeiden, ist dennoch klar: So kann es nicht mehr weitergehen. Möglicherweise wird schon im Mai zu den Urnen gerufen, wenn es nach der ÖVP geht, die möglichst schnell klare Verhältnisse herstellen will. Die SPÖ kalkuliert offenbar eher mit Wahlen im Herbst, damit sich ihr Kanzler bis dahin konsolidieren kann.

Aber schon kommende Woche könnte der SPÖ-Parlamentsklub die ÖVP neuerlich provozieren. Er wird so gut wie sicher einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Causa Innenministerium beschließen. Die ÖVP betrachtet auch das als klaren Koalitionsbruch. Im Parlament könnte es in der Folge zu ungewöhnlichen Koalitionen in Sachthemen abseits der Regierungspartnerschaft kommen: Die Oppositionsparteien haben ihre Unterstützung in einzelnen Fragen angeboten. So könnte zum Beispiel der „Gusi-Hunderter“ zur Inflationsabgeltung gegen die Stimmen der ÖVP beschlossen werden.

Kontrapunkt zum „Moderator“

Die SPÖ hatte den sonntägigen Auftritt des Kanzlers in der ORF-Pressestunde gut orchestriert: Noch vor Sendungs-Ende gab es mehrere Unterstützungsaussendungen für die (mit dem Koalitionspartner nicht abgesprochene) Forderung nach früherer Steuerreform, die Gusenbauer mit einer Gesundheitsreform kombinieren will.

Mit dem kämpferischen Auftritt setzte Gusenbauer einen Kontrapunkt zum Bild des moderierenden, eher zurückhaltenden Kanzlers und packte die Wahlkampfthemen aus dem Jahr 2006 aus: Gesundheit, Umverteilung, „Giftzähne“ der Pensionsreform (die die SPÖ gezogen habe) „Nein-Sager-Partei ÖVP“, das Kabinett Schüssel, das nicht nur kalt, sondern auch skandalträchtig (Innenministerium, Visa-Affäre) gehandelt habe.

Das könnte dem Kanzler nun wieder Auftrieb in den eigenen Reihen geben. Er hatte ja mit wachsender Unzufriedenheit zu kämpfen, weil er sich von der ÖVP zu oft „vorführen“ ließ, so die Kritik. Der Applaus aus der Gewerkschaft und den SPÖ-Landesorganisationen folgte prompt. Von jenen, die kürzlich noch Einigkeitsappelle ausgesendet hatten – etwa Verkehrsminister Werner Faymann – hörte man nichts.

Wahlen stärken die Opposition

Die Strategie ist dennoch hochriskant: Alle Umfragen zeigen, dass die Großparteien bei Neuwahlen verlieren würden, der Opposition wird ein Gewinn prophezeit. Danach würde wieder keine andere als die Große (dafür aber geschwächte) Koalition möglich. Die ÖVP hat in der Sonntagsfrage zuletzt verloren und liegt nur mehr knapp vor der SPÖ. Der Kanzler selbst hat äußerst schlechte persönliche Werte. Sollte er verlieren, würden innerhalb der SPÖ die Karten neu gemischt: Gusenbauer würde ausgewechselt. Die ÖVP wiederum läuft wie beim letzten Mal Gefahr, von der SPÖ als „herzlose Partei, die die Sorgen der Menschen nicht versteht“, an den Pranger gestellt zu werden.

Sollte die Regierung die Steuerreform aber tatsächlich auf Anfang 2009 vorziehen, dann wäre jetzt beträchtliche Eile angesagt: Der Begutachtungsentwurf müsste bald fertig sein, damit das Paket vor dem Sommer beschlossen werden kann. Schließlich braucht danach auch die Verwaltung ein paar Monate Umstellungszeit für neue Vorgaben.

REGIERUNGSPAKT

„Die Bundesregierung wird in dieser Legislaturperiode eine große Steuerreform mit einer spürbaren Entlastung der Steuerzahler und der Wirtschaft ohne Gegenfinanzierung durchführen.“ So steht es im Regierungsprogramm, ein Zeitpunkt wurde nicht fixiert, bisher herrschte aber über 2010 Einigkeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2008)

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