Künstliche Fortpflanzung: Medizin darf mehr nachhelfen

(c) APA (W. FEICHTINGER)
  • Drucken

Die Regierung will die Eizellenspende erlauben. Der Embryo darf vor dem Einsetzen untersucht werden, wenn Gefahr besteht. Alleinstehende Frauen gehen bei neuen Rechten leer aus.

Wien. Dass die Regierung beim Fortpflanzungsmedizingesetz handeln muss, war klar. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hatte wichtige Gesetzesstellen mit einer Übergangsfrist bis Ende 2014 aufgehoben. Der nun in Begutachtung geschickte Entwurf geht aber über die Vorgaben der Richter hinaus und schafft grundsätzlich liberale Regeln. Justizminister Wolfgang Brandstetter und Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser einigten sich auf eine Reihe von Neuerungen.

1 Die Samenspende wird auch für lesbische Paare erlaubt.

Dieses Recht ergab sich direkt aus dem VfGH-Urteil. Zwei Lesben hatten gefordert, dass sie das Recht auf Samenspende erhalten, das bisher nur heterosexuellen Paaren zustand. Dieses Recht kommt ab 2015, beide Frauen gelten dann nach der Geburt des Kindes automatisch als Eltern. Voraussetzung für eine Samenspende ist eine Lebenspartnerschaft. Eine Ehe oder Eingetragene Partnerschaft ist nicht nötig.

2 Die Befruchtung im Glas wird auch mit dem Samen Dritter erlaubt.

Bisher war die In-vitro-Fertilisation (IVF) – also die Befruchtung im Glas – nur bei einer Samenspende vom Lebenspartner zulässig. Künftig wird die IVF auch mit dem Samen Dritter erlaubt (mit diesen durften bisher nur Eizellen im Körper der Frau befruchtet werden).

3 Die bisher verbotene Eizellenspende wird erlaubt.

Die Eizellenspende ist eine Neuheit in Österreich. Die Spenderin darf nicht älter als 30, die Empfängerin nicht älter als 45 sein. Diese Liberalisierung geht über das jüngste VfGH-Urteil hinaus.
Das später geborene Kind erhält (wie bei der Samenspende) das Recht, mit 14 zu erfahren, wer Spender war. Spender haben aber nie eine Unterhaltspflicht. Auch Entgelt für die Spende von Samen oder Eizellen darf weiterhin keines verlangt werden.

4 Untersuchung des Embryos vor der Einpflanzung (PID) wird legal.

Die Präimplantationsdiagnostik (PID) wird unter strikten Regeln erlaubt: Nach drei erfolglosen IVF-Versuchen bzw. Fehlgeburten darf ein Embryo untersucht werden, bevor er der Mutter eingepflanzt wird. Zudem ist die PID zulässig, wenn wegen der genetischen Anlage eines Elternteils die Gefahr einer schweren Erbkrankheit für das Kind besteht. Österreich führt die PID ohne Urteil ein. Man hätte aber ohne Novelle eine Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte riskiert, der schon das ähnliche italienische Recht gerügt hatte. Ohne Novelle wäre in Österreich zwar die Abtreibung von behinderten Kindern bis zur Geburt erlaubt, die Untersuchung des Embryos vor der Einpflanzung aber nicht.

5 Österreich erhält ein international betrachtet liberales Gesetz.

Das ist ein „sehr zeitgemäßes Gesetz“, sagt Anwalt Helmut Graupner zur „Presse“. Er brachte den Ausgangsfall der Lesben, die für die Samenspende kämpften, vor Gericht. Die Neos sind vom Entwurf der Regierung „positiv überrascht“, die Grünen nicht ganz zufrieden, weil alleinstehende Frauen von Rechten ausgeschlossen bleiben. Die FPÖ ortet „gesellschaftspolitische links-linke Beliebigkeit“, das Team Stronach warnt vor „Baby-Farmen“. Die katholische Aktion Leben fürchtet, dass Frauen als potenzielle Eizellspenderinnen unter Druck geraten und Interessen der Kinder „sträflich missachtet“ würden.

Europaweit gibt es unterschiedliche Regelungen: So ist die Eizellenspende etwa in Deutschland und der Schweiz verboten, während sie in Frankreich, Spanien oder Tschechien erlaubt ist. Die Leihmutterschaft ist in 15 der 29 der EU-Länder verboten. In Belgien, Großbritannien oder Griechenland is sie zum Beispiel erlaubt.

6 Was bleibt weiterhin verboten? Was könnte man noch einklagen?

Eben diese Leihmutterschaft – also, dass eine andere Frau das Kind für die künftigen Eltern austrägt – bleibt in Österreich verboten. Das sei ein anderer Sachverhalt als die Samen- oder Eizellenspende, daher liege keine rechtliche Diskriminierung vor, meint Anwalt Graupner (wenngleich er trotzdem auch hier für die Liberalisierung plädiert).

Für einklagbar hält Graupner, dass alleinstehenden Personen die Samen- oder Eizellenspende verwehrt bleibt. Und noch etwas sei rechtlich bedenklich: Nämlich, dass Paare künstliche Befruchtung nur dann in Anspruch nehmen können, wenn zuvor alle anderen möglichen Behandlungen zur Erreichung einer Schwangerschaft erfolglos blieben. Man könnte also zuvor sogar eine Operation über sich ergehen lassen müssen. „Das erscheint mir unsachlich“, so Graupner.

Diese strikte Gesetzesstelle wurde vom VfGH aus formalen Gründen mitaufgehoben, die Regierung will sie wieder einführen. Kurios: Weil das neue Gesetz erst ab April 2015 gelten soll, die vom VfGH gekippten Gesetzesstellen aber ab Ende 2014 außer Kraft treten, müssen Paare im ersten Quartal 2015 für eine künstliche Befruchtung nicht nachweisen, dass sie schon alles für eine Schwangerschaft getan haben. Nachher wieder schon.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Fortpflanzungsmedizin: Lopatka will Experten-Meinung abwarten
Politik

Fortpflanzungsmedizin: Lopatka will Experten-Meinung abwarten

Der ÖVP-Klubchef kann sich wie Parteiobmann Mitterlehner vorstellen, die Abstimmung im Nationalrat freizugeben.
Innenpolitik

Fortpflanzungsmedizin: Mitterlehners erste Prüfung

Im ÖVP-Klub formiert sich Widerstand gegen das Gesetz, das auch Eizellenspenden erlaubt. Und das Verhältnis zur katholischen Kirche steht vor einer ernsten Belastungsprobe.
Innenpolitik

Mitterlehner: "Abstimmung vielleicht freigeben"

Vizekanzler Mitterlehner sieht im Fortpflanzungsgesetz ein "heikles Thema". Reformen seien bei Pensionen und Verwaltung notwendig.
Leitartikel

Im Zweifel für die Freiheit - und mehr Familien

Wer darf Kinder haben? Keine andere Frage der Medizin ist privater, keine andere wird intensiver diskutiert. Wo der Konsens fehlt, entscheidet die Logik.
Innenpolitik

Regierung „erschüttert“ Bischof Küng

Der St.Pöltner Diözesanbischof Klaus Küng äußert Bedenken gegen die liberale Fortpflanzungsmedizin.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.