SP-interne Kritik an Wehsely: "Stimmung beginnt zu kippen"

Sozialstadträtin Sonja Wehsely.
Sozialstadträtin Sonja Wehsely.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Vorstoß der roten Frauenriege löst Widerstand in großen Bezirken aus: "Das Denken an Obergrenzen ist legitim", heißt es dort.

Wien. Irgendwie hatte sich das Michael Häupl anders vorgestellt. Am Montag und Dienstag zieht sich der knapp 50-köpfige Vorstand der mächtigsten roten Landespartei am Wiener Kahlenberg zurück – um in Ruhe über die angekündigte Reform der Wiener SPÖ zu beraten. Also darüber, wie man die Partei neu aufstellt, nachdem am 11. Oktober die Verluste zwar deutlich geringer waren als erwartet, trotzdem aber ein sattes Minus von rund fünf Prozentpunkten eingefahren worden war. Und nun wird diese lang vorbereitete Tagung, die Aufbruchstimmung verbreiten soll, von einem parteiinternen Streit in der Flüchtlingsfrage überschattet, der nun immer weitere Kreise zieht: Zentrale Teile der Partei schießen sich auf die roten Stadträtinnen rund um Sozialstadträtin Sonja Wehsely ein, die kompromisslos gegen Beschränkungen bei der Flüchtlingsaufnahme eintreten. Und das Ergebnis des Asylgipfels massiv kritisierten – obwohl Häupl bei der dortigen Präsentation anwesend gewesen war.

Am Freitag stellten sich besagte zentrale Teile der Wiener Partei frontal gegen die roten Stadträtinnen. Wenn Wehsely festhalte, dass Obergrenzen rechtswidrig und damit ungültig seien, müsse man fragen, warum die Grenzen rechtswidrig nicht gesichert werden und das hier akzeptiert werde, meinte der rote Simmeringer Parteichef Harald Troch, der gleichzeitig Nationalrat ist, zur „Presse“: „Die Dublin-Verordnung wurde nicht außer Kraft gesetzt, Schengen gilt nur, wenn die Außengrenzen kontrolliert werden. Ich stehe deshalb hinter Werner Faymann und Michael Häupl.“

„Wären die Deppen der EU“

Und Troch geht sogar einen Schritt weiter, bricht ein rotes Tabu: „Ein Richtwert hat natürlich etwas mit einer Obergrenze zu tun. und das Denken an Obergrenzen ist legitim.“ Das sei ein Signal nach außen, „dass wir nicht passiv zuschauen“. Und: „Wenn die Außengrenze nicht funktioniert, dann muss man es an nationalen Grenzen machen.“ Denn Wehsely verrate nicht, wie man es finanziell und integrationspolitisch ohne Obergrenze schaffen solle: „Deutschland retourniert bereits heute 200 bis 300 Leute täglich, während Österreich übrig bleibt. Wir sind dann die Deppen der EU, wie es geheißen hat.“ Immerhin habe selbst die schwedische Vize-Regierungschefin, eine Grün-Politikerin, eine Verschärfung der Flüchtlingspolitik beschlossen. Trochs Fazit: „Die Häupl-Linie ist realistisch und ehrlich.“

Häupl hatte am Freitag Wehselys explizite Kritik an der (auch von ihm) präsentierten Asyllösung so kommentiert: „Diese „Facebook-Eintragungen hätten aber vielleicht auch zwei Stunden später auf der Basis gesicherten Wissens erfolgen können.“ In Ö1 erklärte Häupl, Wehsely habe sich über Obergrenzen aufgeregt, bevor das Papier präsentiert worden sei. Die SPÖ stehe auf dem Standpunkt: Die Obergrenze, von der die ÖVP spricht, findet sich nicht in der Vereinbarung – sie sei zudem rechtswidrig. Deshalb gebe es nur einen Richtwert.

Die Vertreterinnen der uneingeschränkten Willkommenspolitik geraten in der Wiener SPÖ nun immer mehr unter Druck. Selbst wenn es viele nicht so radikal ausdrücken wie Troch, dessen Arbeiterbezirk bei der Wahl am 11. Oktober von der FPÖ übernommen wurde. „

Die Stimmung kippt – vor allem seit Köln“, ist aus SPÖ-Bezirken zu hören. Im einwohnerstärksten Bezirk Favoriten ist Kathrin Gaal, Gemeinderätin und SP-Parteichefin, die nächste, die sich gegen die roten Stadträtinnen stellt: „Grundsätzlich sehe ich das Ergebnis des Asylgipfels positiv. Das Wichtigste ist, dass es gelingt, Asylwerber so rasch wie möglich in unsere Gesellschaft zu integrieren.“ Sie unterstütze das Ergebnis „voll“ – wie auch Ruth Becher, Nationalrätin und SP-Parteichefin der mächtigen Donaustädter Fraktion: „Die Kapazitäten in Wien (für Flüchtlinge, Anm.) sind nicht unendlich ausweitbar.“ Nachsatz: „Ich verstehe die Stadträtinnen nicht. Aber Parteivorsitzender ist Michael Häupl.“ Man müsse Flüchtlingen ordentlich begegnen, „aber Österreich allein wird das (den gesamten Flüchtlingsstrom, Anm.) nicht schaffen.“

Und auch Liesings Bezirkschef, Gerald Bischof, meint in Richtung der roten Stadträtinnen: „Man kann doch nicht ernsthaft glauben, dass Deutschland, Österreich und Schweden das Problem allein lösen können.“ Nachsatz: „Das wird bei dem Wiener Ausschuss nun ein intensives Thema sein. Und das wird nicht nur auf die großen Bezirke beschränkt sein.“ Damit spielt Bischof darauf an, dass dort die SPÖ ausschließlich gegen die FPÖ und ihr Ausländerthema kämpft – weil Grüne und ÖVP in den Außenbezirken de facto keine Rolle spielen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2016)

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