Kern: „Ich kann nur raten, nicht mit dem Feuer zu spielen“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Bundeskanzler Christian Kern warnt vor Verschwörungstheorien rund um die Bundespräsidentenwahl. Er und Vize Mitterlehner sehen auch keine Chance für eine erfolgreiche Anfechtung. Bei einigen Themen will die Regierung noch vor dem Sommer erste Reformpläne offenlegen.

Wien. „Es ist bedauerlich, dass es zu Verschwörungstheorien kommt. Ich kann nur allen raten, nicht mit dem Feuer zu spielen.“ Bundeskanzler Christian Kern warnte nach dem Ministerrat am Dienstag davor, die Berichte über Unregelmäßigkeiten bei der Bundespräsidentenwahl überzubewerten. Es sei zwar zu Abweichungen gekommen, aber insgesamt sei die Wahl korrekt über die Bühne gegangen. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner pflichtete Kern bei.

„Es gab technische Unzulänglichkeiten“, erklärte er. Die Bezirkswahlbehörden sollten Konsequenzen ziehen, um für die Zukunft Probleme zu vermeiden. Einer möglichen Wahlanfechtung geben beide keine Chancen. Kern forderte, wie schon am Vortag Innenminister Wolfgang Sobotka, eine zentrale Wählerevidenz. Zuletzt war bekannt geworden, dass im niederösterreichischen Miesenbach sechs Jugendliche wählen durften, die das gesetzliche Wahlalter von 16 Jahren noch nicht erreicht hatten. Man hatte die Wählerevidenz (bei der alle Staatsbürger ab 14 Jahren aufscheinen) mit dem Wählerverzeichnis (ab 16) verwechselt. Wie die „Kleine Zeitung“ berichtete, prüft das Innenministerium in diesem Fall auch, ob man die Jungwähler strafrechtlich belangen kann. Ab 14 Jahren ist man in Österreich strafmündig.

Zudem soll es in vier Kärntner Bezirken sowie im Bezirk Südoststeiermark zu Verstößen bezüglich des Zeitpunkts der Wahlkartenauszählung gekommen sein. In der oberösterreichischen Gemeinde Helfenberg soll ein Bürgermeister drei (ungültig ausgefüllte) Stimmzettel zerrissen haben, weil zunächst mehr Stimmzettel gefunden wurden als in den Unterlagen verzeichnet. In der Gemeinde Ahorn wurde einer Frau wegen eines Listenfehlers irrtümlich das Wahlrecht verweigert.

Ab Mittwoch Wahlanfechtung möglich

Am Mittwoch wird das Wahlergebnis offiziell beschlossen. Danach könnten FPÖ-Vertreter die Wahl beim Verfassungsgerichtshof anfechten. Erfolgreich ist eine Wahlanfechtung aber nur, wenn die Verstöße gegen das Gesetz auch tatsächlich das Wahlergebnis entscheidend beeinflusst haben. Alle in den genannten Fällen betroffenen Stimmzettel zusammen betragen aber weniger als die 31.026 Stimmen, die Alexander Van der Bellens Vorsprung auf Norbert Hofer betrug. Zudem gibt es bei den zu früh ausgezählten Briefwahlstimmen (in den fünf Bezirken geht es laut Innenministerium um insgesamt 19.976 Stimmen) keine Hinweise darauf, dass auch der Inhalt des Stimmzettels verfälscht wurde. Die sechs Stimmen der Jugendlichen hingegen verfälschen das Wahlergebnis tatsächlich, aber auch nicht entscheidend.

Grundsätzlich zeigten sich Kern und Mitterlehner beim Pressefoyer nach dem Ministerrat betont geeint. Man trat wie schon vergangene Woche im Steinsaal des Kanzleramts auf. Erneut wurden die Reformvorhaben skizziert, für die man nun schon vor dem Sommer Reformvorschläge auf den Tisch legen will. So sei ein Paket für Gründer und Start-ups geplant, ein Integrationspaket, und im Bildungsbereich soll es mehr Perspektiven für Jugendliche geben, die momentan aus dem System herausfallen. Wobei Kern eingestand, dass gerade der Bildungsbereich jener ist, in dem man die „dicksten Bretter“ zu bohren haben werde.

Asyl: Planen für die Notverordnung

Zum Thema Asyl erklärte Kern, dass man ab sofort Vorbereitungen für die seit Kurzem gesetzlich mögliche Notverordnung treffen müsse. Auch wenn man den Richtwert von höchstens 37.500 Asylanträgen pro Jahr bisher noch nicht erreicht habe. Durch die Notverordnung würde das Asylrecht stark eingeschränkt und nur noch auf Personen, die schon Familie im Inland haben, konzentriert werden. Heuer gab es laut Kern zwar erst 11.000 Asylanträge. Das Türkei-Abkommen aber wackle, weswegen man in der nächsten Zeit mit höheren Asylantragszahlen rechnen müsse.

In Begutachtung schickte der Ministerrat am Dienstag eine Novelle, die schon nach den Terroranschlägen im Vorjahr in Paris angekündigt worden war. Das Gesetz soll es Behörden etwa ermöglichen, potenziell gefährliche Personen vorladen zu dürfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2016)

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