Wahlwiederholung "sicher nicht im Sommer"

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ThemenbildAPA (GEORG HOCHMUTH)
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Ab Montag sind 90 Zeugen beim Verfassungsgerichtshof in Sachen Präsidentenwahl geladen. Wie läuft das Verfahren ab? Und wie würde eine Wiederholung der Wahl aussehen? Fünf Fragen zur Wahlanfechtung.

Ab Montag um 8.30 Uhr wird der Verfassungsgerichtshof (VfGH) im Rampenlicht stehen – nicht nur national, sondern auch international. Denn für die Verhandlung über die Anfechtung der Bundespräsidentschaftswahl, die eine Wahlwiederholung nach sich ziehen könnte, haben sich neben ungewöhnlich vielen heimischen Medien auch internationale Nachrichtenagenturen wie etwa Bloomberg und Reuters sowie die Deutsche Presse-Agentur und eine niederländische Radiostation angesagt.
Was sie ab Montag erwarten wird und wie eine nicht ganz unwahrscheinliche Wiederholung der Stichwahl („Die Presse“ berichtete) aussehen könnte:

1. Was passiert bei der Verhandlung am VfGH? Wie viele Zeugen sind geladen?

Es werden nicht wie ursprünglich geplant 50, sondern 90 Zeugen angehört. Der VfGH hat 40 weitere Personen geladen. Deshalb wird nicht nur von Montag bis Mittwoch, sondern bis Donnerstag öffentlich verhandelt. Für Tag eins sind Mitglieder der Bezirkswahlbehörden von Südoststeiermark, Innsbruck-Land, Villach-Stadt, Kitzbühel, Villach-Land und Schwaz geladen. Für Dienstag, Mittwoch und Donnerstag stehen Landeck, Wien-Umgebung, Hermagor, Hollabrunn, Wolfsberg, Freistadt, Liezen, Bregenz, Kufstein, Graz-Umgebung, Gänserndorf, Leibnitz, Völkermarkt und Reutte auf dem Plan.

2. Was versuchen die VfGH-Richter herauszufinden? Wie läuft die Befragung ab?

Die Verfassungsrichter müssen herausfinden, ob bei der Wahl eine Rechtswidrigkeit stattgefunden hat, die auf das Wahlergebnis „von Einfluss sein könnte“. Es braucht also keinen Beweis einer Manipulation. Für die Anfechtung reichen 15.432 relevant rechtswidrig ausgezählte Stimmen. Bei einem Abstand von 30.863 Stimmen zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer könnten nämlich schon diese wahlentscheidend gewesen sein. Um das herauszufinden, werden die Zeugen zunächst von den Verfassungsrichtern – alle 14 können sich zu Wort melden – befragt, danach haben die Anwälte der beiden Hofburg-Bewerber Gelegenheit für Fragen. Alexander Van der Bellen wird von Maria Windhager vertreten, Norbert Hofer von einem Anwalt aus der Kanzlei Böhmdorfer. Bis spätestens 6. Juli, zwei Tage vor der geplanten Angelobung, plant der Verfassungsgerichtshof entschieden zu haben.

3. Welche Vorwürfe stehen im Raum? Welche Rolle spielen die Bezirkswahlbehörden?

Die FPÖ listet die Vorwürfe auf 152 Seiten auf. Zentraler Punkt sind die Unregelmäßigkeiten bei den Wahlkarten. Die mitunter zu früh und – wohl noch schwerwiegender – von nicht zuständigen Personen ausgezählt worden sein sollen. In 94 von 117 Bezirkswahlbehörden habe es laut FPÖ Unregelmäßigkeiten gegeben. Dabei ist laut amtlichen Wahlprotokollen auch in den betroffenen Wahlkreisen alles gesetzeskonform abgelaufen. Das haben die von den unterschiedlichen Parteien gestellten Wahlbeisitzer – auch die der FPÖ – mit ihrer Unterschrift beurkundet. Es sei „gang und gäbe, dass die Protokolle blanko im Vorhinein unterschrieben werden“, sagte der Grazer Verfassungsrechlter Klaus Poier am Donnerstag in der „Presse“. Sollten die Wahlbeisitzer bei der Zeugenbefragung durch die VfGH-Richter Gefahr laufen, sich selbst zu belasten, dürfen sie sich jedenfalls der Aussage entschlagen. Auf falsche Beurkundung steht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.

4. Sollte die Stichwahl aufgehoben werden, wann könnte die Wahlwiederholung stattfinden?

Der VfGH könnte dafür eine Frist vorgeben. Eine gesetzlich vorgeschriebene Zeitspanne bis zur Wahlwiederholung gibt es nicht, wie Robert Stein, der Leiter der Wahlabteilung im Innenministerium, der „Presse“ sagt. Vielmehr gehe es „um die Macht des Faktischen“ – also etwa um die Bestellung des Papiers. Die würde ebenso wie das Versenden der Wahlkarten an die Auslandsösterreicher dauern. Wie lang, kann Stein nicht sagen. Nur so viel: „Im Sommer wäre die Wahl sicher nicht.“ Wahrscheinlich wäre eine Wahlwiederholung im Herbst, wie auch Innenminister Wolfgang Sobotka am Mittwoch in der „ZiB 2“ sagte. Die Wahlkarten müssten dafür neu beantragt werden. Eine Ausnahme gibt es hier für Auslandsösterreicher und Menschen mit Behinderung, die ein Wahlkartenabo haben.

5. Wer darf bei einer Wahlwiederholung wählen? Und wie viel würde eine solche kosten?

Die Wählerevidenz ändert sich nicht. Es wären dieselben Bürger wahlberechtigt wie bei der Wahl am 24. April bzw. bei der Stichwahl am 22. Mai. Damit ist nicht zu verhindern, dass auch Verstorbene auf der Liste stehen, während umgekehrt Jugendliche, die mittlerweile 16 geworden sind, nicht registriert würden. Wie viel eine Wiederholung kosten würde, kann Stein nicht sagen, man analysiere noch die Kosten der abgehaltenen Wahl. Es seien „jedenfalls mehrere Millionen Euro“.

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